Nicht ohne die Andern

Den Goldenen Koran als Faksimile vom Verlag ADEVA überreichte Univ.-Prof. Franz Winter seiner Vorgängerin Ulrike Bechmann. Zur Abschiedsvorlesung war auch Bechmanns Vorgänger Karl Matthäus Woschitz gekommen. Mit der orientalischen Kurzhalslaute Oud begleitete Marwan Abado den Festakt musikalisch. | Foto: Neuhold
  • Den Goldenen Koran als Faksimile vom Verlag ADEVA überreichte Univ.-Prof. Franz Winter seiner Vorgängerin Ulrike Bechmann. Zur Abschiedsvorlesung war auch Bechmanns Vorgänger Karl Matthäus Woschitz gekommen. Mit der orientalischen Kurzhalslaute Oud begleitete Marwan Abado den Festakt musikalisch.
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Ulrike Bechmann nahm Abschied von der Theologischen Fakultät.

Nicht ohne Hagar!“ Unter dieses Thema stellte am 14. Oktober Univ.-Prof.in Dr.in Ulrike Bechmann ihre Abschiedsvorlesung im Grazer Universitätszentrum Theologie. Anhand dieser biblischen Frauengestalt wollte sie sagen: Es geht nicht ohne die Anderen. Mit „Anderen“ befasst sie sich als Religionswissenschaftlerin besonders auch in Form der „abrahamitischen“ Religionen Judentum, Christentum und Islam. In zahlreichen Exkursionen führte sie ihre Studierenden hin zu den „Anderen“, auch in Länder des Nahen Ostens bis Iran oder Oman.

Hagar ist im Buch Genesis im Alten Testament die ägyptische Sklavin von Sara, der Frau Abrahams. Da Sara unfruchtbar war, befahl sie Abraham, mit ihrer Sklavin ein Kind zu zeugen. Sie soll Leihmutter für Sara sein. Als die schwangere Hagar sehr selbstbewusst gegenüber ihrer Herrin Sara auftritt, behandelt diese sie so hart, dass sie davonläuft. In der Wüste ermutigt ein Engel Gottes die verzweifelte Schwangere, trotz allem zu Sara zurückzukehren. Einen Brunnen, den sie an diesem Ort vorfindet, nennt Hagar „Gott, der nach mir schaut“. Und ihren Sohn, Abrahams Erstgeborenen, nennt sie dann Ismael, „Gott hört“. Gottes Blick auf die rechtlose Sklavin ist ein Hinschauen und Hinhören. Als Sara, die dann mit Isaak doch noch selbst einen Sohn bekommen hatte, Hagar mit Ismael endgültig wegschickt, begegnet dieser wieder ein Engel Gottes und verheißt, dass aus Ismael ein großes Volk hervorgehen wird.

Im Koran kommen Abraham und Ismael ausführlich vor, nicht aber Hagar. Aber in der Tradition der „Hadsch“ nach Mekka zum Heiligtum der Kaaba hat Hagar ihren festen Platz. Ihr Lauf zum Brunnen wird sozusagen nachempfunden. Hagar steht für Gottes aufmerksamen Blick auch auf die Unterdrückten.

Dekan Pablo Argárate, Studiendekanin Theresia Heimerl, Bechmanns Nachfolger Franz Winter und die Vertreterin der Studierenden bedankten Bechmanns wissenschaftliches Wirken, ihre Akzentsetzung für das Fach Religionswissenschaft und die menschliche und humorvolle Begegnung mit ihr. Ihr Bemühen um Verständigung würdigte Priesterseminar-Regens Thorsten Schreiber als Vertreter des Bischofs. Dank sprachen auch Gemeinderätin Christine Braunersreuther, Sarah Zapusek von der Koordinationsstelle für Geschlechterstudien und Gleichstellung und eine Schwester von Ulrike Bechmann aus. Ein Faksimilie mit Auszügen aus dem Goldenen Koran (auf Goldhintergrund geschrieben) wurde zum Dankgeschenk an eine Theologin, die zeigen wollte, dass wir nie ohne die Anderen leben und nichts ohne die Anderen schaffen.

H. M.


Stationen

Von Bamberg nach Graz
Ulrike Bechmann stammt aus Franken, studierte in Bamberg, promovierte im Fach Altes Testament und studierte dann auch Islamwissenschaften. Für ihre Habilitationsschrift „Abraham – Beschwörungsformel oder Präzisierungsquelle?“ erhielt sie 2006 den Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien.

Von 2006 bis 2022 war Bechmann Professorin für Religionswissenschaft an der Theologischen Fakultät Graz. Zu ihren zahlreichen Veröffentlichungen zählt „Abraham und die Anderen“. Sie ist stark im Dialog der abrahamitischen Religionen und beim Ökumenischen Weltgebetstag der Frauen engagiert.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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