Nähe und Distanz
Zwischen Gott und Welt – das Heilige. Fachtagung zu einem vielschichtigen Thema im Grazer Franziskanerkloster.
Ein gesunder Mensch ist ein Mensch, der nicht krank ist. Ein gesunder Apfel ist eine Frucht, die guttut und Gesundheit fördert. Wie der Begriff „gesund“ hat auch der Begriff „heilig“ verschiedene Bedeutungen. Dass Gott von sich aus heilig ist, ist christlicher Glaube. Trotzdem spricht der franziskanische Fundamentaltheologe P. Dominikus Kraschl von einem fast vergessenen und wenig erforschten Gottesattribut. Eher werde Gott als allwissend, allmächtig oder allgütig beschrieben. Gottes Heiligkeit kann bestehen in einer unüberbietbaren Vollkommenheit, die unbedingte Verehrung und Anbetung verdient. Für Geschöpfe ist es erstrebenswert, ihm näherzukommen, aber aus bloß eigener Anstrengung unmöglich. Sekundär „heilig“ können wir etwas nennen, was diesen heiligen Gott symbolisiert oder vergegenwärtigt: heilige Orte, Zeiten, Zeichen oder Personen.
Der Religionswissenschaftler Franz Winter und der Philosoph Reinhold Esterbauer von der Grazer Theologischen Fakultät haben zu Beginn der Tagung das Buch „Das Heilige“ von Rudolf Otto aus dem Jahr 1917 herangezogen. Otto spricht darin vom „Numinosen“, das beim Menschen ein Kreaturgefühl hervorruft. Es hat einen erschreckenden Charakter (mysterium tremendum) und ist gleichzeitig anziehend (fascinans). Für Otto ist das Heilige eine eigenständige Wirklichkeit, oft verbunden mit Ästhetik oder Ethik, aber mehr als diese rational fassbaren Wirklichkeiten. Bleibt die Frage, ob ein rein vernunftgemäßer Zugang zum Heiligen ohne Glaubensakt möglich ist oder nicht.
Biblische Zugänge zum Heiligen erschließt beim Symposium die Kreuzschwester Gertraud Johanna Harb. Während zunächst Heiligkeit oft verbunden ist mit Kult und gottesdienstlicher Praxis, sind für Jesus – auf den Spuren der Propheten – Barmherzigkeit und Zuwendung zu den Armen ein praktischer Erweis von Heiligkeit.
Dem fügt der Franziskaner P. Johannes Schneider Aspekte der Heiligkeit bei Franz von Assisi an. Bei ihm zeige sich die Heiligkeit Gottes nicht in seiner Erhabenheit, sondern in seinem „Abstieg und Einstieg in die menschliche Nähe und Berührbarkeit“. Daraus folge dann die Heiligung des Menschen und der Schöpfung und die unbedingte Hinwendung zu den Armen und Bedrängten.
Zwischen den Vorträgen erschließen Workshops weitere Zugänge zum Heiligen. Mit P. Willibald Hopfgartner geht es um Peter Handkes Beziehung zum Heiligen, oft über die Eucharistie. Mit dem Schreiben „Gaudete et exsultate“ von Papst Franziskus bringen P. Andreas Holl und Sr. Vera Ronai die Heiligkeit im alltäglichen Lebens ins Gespräch. Univ.-Ass. Anna Maria König geht literarisch dem „heiligen Schmerz“ nach. Mit dem Liturgiewissenschaftler Peter Ebenbauer wird das Heilige in den westlichen und östlichen Liturgien in Blick genommen.
Ebenbauer meint auch, dass es eine „starke Theologie“ braucht. Wird doch der Begriff „heilig“ heute extrem unterschiedlich verwendet, manchmal sogar zur Rechtfertigung von Krieg oder Terror. Auch die abschließende Podiumsdiskussion fordert eine klarere Beschreibung des Heiligen von der Religion her, ohne gleichzeitig weltliche Zugänge dazu abzuwerten.
Herbert Messner / Kathpress
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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