Interview mit Erzischof Lackner
„Meine Mutter war eine gute Ratgeberin“

Die Menschen machen eine Stadt liebenswert, ihre Sorgen zählen zu den größten Herausforderungen der katholischen Kirche.
 | Foto: Höckner-Pernkopf
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Erzbischof Franz Lackner im Sommergespräch über morgendliche Wege und das Reden von Gott.

Herr Erzbischof, Sie sind seit 2013 in Salzburg. Haben Sie sich gut eingewöhnt?

Ich habe in meinem Leben bereits viele Stationen hinter mir. St. Anna am Aigen, wo ich aufgewachsen bin, Zypern, Rom, Wien, Graz, Salzburg – es war immer wieder ein Neu-Ankommen. Salzburg ist mittlerweile mein Zuhause. Die Atmosphäre abseits der belebten Tourismusstadt habe ich durch meine morgendlichen Spaziergänge kennen gelernt. Wenn ich ziemlich bald in der Früh durch die Salzburger Altstadt spaziere, um in den Kirchen zu beten, treffe ich Menschen, die ich sonst vielleicht nicht treffen würde. Die Straßenkehrer sind die Ersten, die auf den Beinen sind – aus den Begegnungen mit ihnen ist eine freundschaftliche Vertrautheit erwachsen, die ich sehr schätze. Es sind die Menschen, die eine Stadt liebenswert machen.

Warum so früh?
Der Philosoph Soeren Kierkegaard hat einmal so schön gesagt: „Zu den schönsten Gedanken bin ich gegangen.“ Ich kenne keine Schwierigkeit meines Lebens, die ich nicht gehend bearbeitet und schließlich auch bewältigt habe. Den Tag mit diesem Gang durch die Stadt zu beginnen, betend die Kirchen zu besuchen, gehört mittlerweile ein-fach zu mir. Was mir daran besonders lieb geworden ist: Die Leere; etwa im Dom so ganz in der Früh. Es sind dies für mich wichtige Stunden, um mich zu sammeln, zu sortieren und Gott – gleich am Beginn des Tages – zu suchen.

Bei der Pressekonferenz 2013 als neuer Erzbischof erwähnten Sie auch den weisen Rat Ihrer Mutter „Versperr dich nicht ganz“. Hat Ihnen dieser Rat geholfen?
Meine Mutter war eine gute Ratgeberin. Sie hat mir durch ihre Worte viel über das Leben und den Glauben, ich möchte fast sagen nebenher, beigebracht. Der von Ihnen erwähnte Satz war der weiseste Ratschlag, den ich in dieser Situation bekommen habe. Sehen Sie, das Bischof-Werden war nie mein Ziel. Dass sich durch das Diesem-Ruf-Folgen aber eine tiefe Wahrheit über Gott und seine Beziehung zu mir auftat, das hat meine Mutter damals vielleicht schon geahnt. Sie hat mich daran erinnert, mir im Denken Freiheiten zu bewahren; selbst, wenn es vermeintlich keine Alternativen gibt.

Sie sagten einmal, die größten Feinde des Glaubens seien nicht Sünde, Fehler und Schwächen, sondern Oberflächlichkeiten, die alles gleichgültig erscheinen lassen.
Die Oberflächlichkeit ist, so könnte man sagen, die Versuchung unserer Zeit. Dem entgegenzuwirken verlangt zuallererst die Entscheidung, diesen Oberflächlichkeiten zu widerstehen. Der heilige Ignatius von Loyola berichtet über sein Bekehrungserlebnis, er habe beim Lesen von Heiligenbiografien ein tiefes Glück erfahren. Dennoch ist es ihm immer wieder passiert, dass er von oberflächlichen Gedanken abgelenkt wurde; wahrscheinlich vergleichbar mit der heutigen Zerstreuung im Internet oder dem Drang, ständig etwas zu kaufen. Was er aber erkannte: Wenn er die Bücher, etwa über den heiligen Franziskus, zur Seite legte, fühlte er sich nachhaltig glücklicher und erfüllter.  Mensch-Sein, der Glaube und ein gelingendes Leben haben Tiefe als Bedingung. Um diese Tiefe in Gedanken, Worten und Werken müssen wir uns immer wieder aufs Neue mühen und lernen, lebensbejahende und hindernde Gedanken und Tätigkeiten voneinander zu unterscheiden. Das verlangt Zeit, Ruhe und eine neue Aufmerksamkeit.

Was sind für Sie die größten Herausforderungen der katholischen Kirche?
Die größte und vordergründigste: Wir müssen wieder von Gott reden lernen. Von dem, was uns erfüllt und uns motiviert, ihm nachzufolgen. Dieses Zeugnis abzugeben, dass wir nicht irgendwelchen oberflächlichen Logiken des In-der-Welt-Seins folgen, sondern einer Liebe, die uns nachhaltig weiterforschen lässt, die uns erfüllt, uns natürlich auch manchmal mit Fragen zurückwirft. Dieses Sprechen von Gott neu zu lernen halte ich für die große Herausforderung für uns als Kirche. Außerdem die Sorgen der Menschen in der Welt: die Flüchtlingskrise, Einsamkeit, Armut und große Ungerechtigkeiten unter den Völkern; eine Sorge ist, dass Kirche – so nehme ich es wahr – nicht mehr als der Ort erlebt wird, wo sich Menschen mit ihren verschiedenen Gaben und Aufgaben beheimatet fühlen.

Wie geht es Ihnen mit der Corona-Krise?
Es wird sich wohl erst nach und nach offenbaren, welche Folgen diese Zeit auf uns als Menschen hatte. Nicht nur wirtschaftlich gesehen – sondern, was diese Unsicherheit, die Beschränkungen, die fehlende körperliche Nähe mit der Seele gemacht haben. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen; wir sehnen uns nach Zeichen der Zugewandtheit; und sei es nur ein Händedruck.

Interview: Susanne Huber, Gekürzt

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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