Naher Osten
Kein Pessimismus
Vertreibung und Flucht ist das Schicksal vieler Christen im Nahen Osten. Wie kann die Zukunft aussehen?
Zur Lage der Christen im Nahen Osten und besonders in Syrien war am 18. Mai eine authentische Stimme direkt aus Damaskus zu vernehmen. Armash Nalbandian, der dortige Bischof der armenisch-apostolischen Kirche, ging in einer Online-Veranstaltung auf die Hoffnungen und Sorgen der Christen dieser Region ein und machte klare Aussagen, wie die Zukunft aussehen müsse. Eingeladen hatten ihn die Stiftung Pro Oriente und das Institut für Ökumenische Theologie, Ostkirchliche Orthodoxie und Patrologie der Grazer Theologischen Fakultät.
Den wichtigsten Punkt sieht er in der Demokratisierung und im Aufbau von demokratischen Institutionen. Ansonsten bliebe der Weg frei für Autokratie und Extremismus. Im säkulären Staat Syrien sollten Christinnen und Christen als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger Syriens wahrgenommen werden. „Wir sind nicht Christen in Syrien, wir sind syrische Christen“, meinte Bischof Nalbandian einprägsam. In Syrien wurden alle monotheistischen Religionen „geboren“ – hier haben sie ihre Wurzeln. Ihre Geschichte ist auch von Konflikten, aber zugleich auch von Koexistenz und Zusammenarbeit geprägt. In solchem pluralistisch geprägten Klima darf der Extremismus keinen Platz finden und muss entschieden bekämpft werden.
Die Zukunft liegt in der Weiterführung der ökumenischen Zusammenarbeit und im friedlichen Zusammenleben mit den Muslimen. Christen und Muslime leben seit Jahrhunderten in dieser Region zusammen, sie haben eine lange Geschichte an Erfahrungen hinter sich, die vielfach von Respekt getragen werden. Die Christen möchten die Botschaft der Liebe, der Toleranz und der Gerechtigkeit in die Gesellschaft einbringen. Auch im Islam ist die Botschaft von einem barmherzigen, liebenden Gott prägend. Da könnte man eine gemeinsame Sprache finden.
Bischof Nalbandian wendet sich auch an alle politisch Verantwortlichen im Ausland. In der Außenpolitik der europäischen Länder dürfe man das Schicksal der Christen im Nahen Osten nicht vergessen. Er erwartet sich eine klare Verurteilung von jeder Art von Gewalt und Extremismus.
„Trotz schlimmster Erfahrungen gehört der Pessimismus nicht zum Christentum“, meinte Bischof Nalbandian. „Wir sind fest entschlossen, in unseren Ländern zu bleiben. Ich möchte alle darin bestärken und mit Evangelist Johannes sagen: Habt Mut!“
Agnes Truger
Folgen des Krieges
„40 bis 50 Prozent der Christen haben im Krieg in Syrien ihr Zuhause verloren“, berichtete Bischof Nalbandian. Mehr als 100 Kirchen und 300 kirchliche Einrichtungen seien zerstört worden, daneben aber auch rund 1800 Moscheen. Die Zahl der verbliebenen Christinnen und Christen setzte der Bischof mit bis zu zehn Prozent der Gesamtbevölkerung eher hoch an.
Vor dem Krieg lebten gut 100.000 armenische Christen in Syrien. Im Krieg hatte die armenische Kirche bisher mehr als 200 Tote zu beklagen, rund 450 Verletzte und 120 Entführte, von denen zwei sicher getötet worden seien und sechs vermisst würden.
Nachzuschauen ist die Online-Veranstaltung unter https://www.youtube.com/channel/UC9AFMp7-PrDF_Xf7n8rj0_Q
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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