Großer Netzwerker
Ludwig von Pastor. Auf das Werk des Historikers im Diskurs der Gegenwart blickte eine internationale Tagung im Stift Wilten.
Seine „Geschichte der Päpste“ in 16 Bänden und 22 Teilbänden hatten unter anderen Papst Franziskus, der Linzer Altbischof Maximilian Aichern und Robert Schumann, ein Gründervater der europäischen Einigung, vollständig gelesen. Zum zweiten Mal luden die in Paris lehrenden Professoren Andreas Sohn und Jacques Verger renommierte Fachleute aus mehreren Nationen zum Gedankenaustausch über Ludwig von Pastor (1854–1928) ein. Er stammte aus Aachen, wurde in Graz promoviert, erlebte den Kulturkampf und wurde 1887 an der Universität Innsbruck Professor für Allgemeine Geschichte. Eine Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters sollte zu seinem Hauptwerk werden. 1901 wurde er Direktor des Österreichischen Historischen Institutes in Rom. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er zum Gesandten der Republik Österreichs beim Heiligen Stuhl. Ort der Tagung war diesmal sein Wirkungsort Innsbruck, näherhin das Prämonstratenserstift Wilten, in dessen Nähe sich sein Grabmal befindet.
Mit Abt em. Raimund Schreier und Abt Leopold Baumberger gab auch Bischof Hermann Glettler der Tagung seine guten Wünsche mit.
Pastor, ein großer Netzwerker, war auch den Päpsten seiner Zeit eng verbunden. Unter Leo XIII. konnte er schon vor der offiziellen Neueröffnung des Päpstlichen Geheimarchivs dort Einsicht nehmen. Pius X., Benedikt XV. und Pius XI. stand er nahe. Bernard Ardura, Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften, gab einen Überblick über diese Zeit. Jacques Verger wimdete sich den in Pastors Werk vorkommenden französischen Päpsten.
Andreas Gottsmann, als heutiger Direktor des Österreichischen Historischen Instituts in Rom ein Nachfolger Pastors, widmete seinen Vortrag dessen unmittelbarem Nachfolger und Schüler Philipp Dengel. Nach dem Zerfall der Monarchie hatten weder die Repu-blik Österreich noch andere Nachfolgestaaten großes Interesse am Institut gezeigt. Dengel hatte vor allem finanziell viel zu kämpfen. Der deutschnational, aber nicht nationalsozialistisch Gesinnte wurde schließlich aus Rom abgezogen und von der Gestapo verhaftet.
Pastors Papstgeschichte wurde ins Italienische, Französische, Spanische und Englische übersetzt. In den USA, wo die katholische Kirche kaum wahrgenommen wurde, half die Papstgeschichte zur Konsolidierung des Katholischen, berichtete der evangelische Kirchenhistoriker Volker Leppin von der Universität Yale. Pastor gehörte auch der Görres-Gesellschaft an, die sich um ein Miteinander von katholischem Glauben und Wissenschaft bemühte. Winfried Becker aus Passau widmete sich dieser spannenden Beziehung.
Pastor hielt sich viel in Rom und Norditalien auf. Über seine Beziehung zu Rom und Italien referierte Andreas Sohn. In Pastors Werk fließen viele Anmerkungen zu Topografie, Städtebau und Landschaft ein.
Christine Grafinger, em. Leiterin des Archivs der Präfektur der Vatikanischen Bibliothek, und Paolo Vian, Vizepräfekt des Vatikanischen Apostolischen Archivs widmeten sich auch der umfangreichen Korrespondenz Pastors, der ein dichtes Netzwerk für seine Arbeit und seine Karriere knüpfte, aus dem auch Freundschaften entstanden.
Herbert Messner
Papst oder Regierung?
Österreich und Ludwig von Pastor.
Für ihren Beitrag „Ludwig von Pastor und die österreichische Kirche und Politik“ griff die Grazer Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler vor allem die Zeit des Priesterpolitikers Prälat Ignaz Seipel als Bundeskanzler (1922–24 und 1926–29) heraus. Die Ernennung Seipels zum Bundeskanzler wurde von Pastor unterstützt und im Vatikan positiv aufgenommen. Auf dem Weg zum Völkerbund in Genf hatte Seipel auch Pastor in Innsbruck getroffen. Schwierig für den Priester und Politiker wurde sein Staatsbesuch 1923 in Rom. Pius XI. wollte, dass der Priester Seipel zuerst zum Papst komme. Die Regierung erwartete, dass der Bundeskanzler Seipel zuerst zu ihr komme. Pastor verhandelte. Schließlich ging Seipel zuerst zur Regierung, ging dann nach Monte Cassino; von dort aus betrat er Rom zum zweiten Mal und besuchte nun den Papst.
Mit der Liturgie in Seipels Papstgeschichte befasste sich der in Innsbruck lehrende Liturgiewissenschaftler Reinhard Meßner. In einer Art Vorwegnahme heutiger kulturwissenschaftlicher Geschichtsschreibung hatte Pastor sehr exakt und detailliert das Papstzeremoniell dargestellt. Auch zur Liturgiereform rund
um das Konzil von Trient hatte Pastor treffende Schilderungen zu bieten. Er berichtete viel, wertete wenig.
Den geistlichen Gemeinschaften im Werk Pastors widmete sich Christof Paulus von der Universität München.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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