Interview - Peter Trummer
Gemeinschaft im Sinne Jesu

Erhebet die Herzen! Wie es sich auf das Verständnis der Eucharistie, auf dringend nötige sprachliche Änderungen und auf Fragen der Macht in der Kirche auswirkt, wenn man mit Jesus am Puls der Zeit ist, macht Peter Trummer im Gespräch mit Daniel Pachner deutlich. | Foto: Neuhold
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  • Erhebet die Herzen! Wie es sich auf das Verständnis der Eucharistie, auf dringend nötige sprachliche Änderungen und auf Fragen der Macht in der Kirche auswirkt, wenn man mit Jesus am Puls der Zeit ist, macht Peter Trummer im Gespräch mit Daniel Pachner deutlich.
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Der Theologe Peter Trummer entwirft in seinem neuen Buch eine Perspektive auf Kirche, Gemeinschaft und Miteinander, die das genuin Jesuanische in den Vordergrund stellt.

Mit Ihrem neuen Buch knüpfen Sie an „Den Herzschlag Jesu erspüren. Seinen Glauben leben“ (2021) an. Was hat sich für Sie seit Erscheinen dieses Buches verändert?
Peter Trummer: Ich sehe es heute so, dass eine legitime theologische Aussage auch für einen nicht-gläubigen Menschen verständlich sein muss. Bei Paulus findet man diesen Gedanken schon. Doch bis heute wird insbesondere die Theologie der Eucharistie nur von Klerikern bedacht. Hier besteht ein großer Nachholbedarf, um Theologie in einer annehmbaren Weise zu verkünden. Denn es ging auch Paulus schon darum, das „Verborgene im Herzen“ der zufälligen „Zaungäste“ ansprechen zu können – dann werden auch diese zu „Bekennern Gottes in eurer Mitte“.

Abgehobene Worte wie die Beschreibung der Eucharistie als „Quelle und Höhepunkt“ helfen nicht. Für mich ist es eine spannende Aufgabe geworden, von dieser Perspektive her die ganze Theologie neu durchzubuchstabieren, und ich musste hier vieles revidieren. Man müsste den jesuanischen Ansatz des Brotbrechens wieder fruchtbar machen, denn im Kern geht es dabei um die Gastfreundschaft Gottes. Darin liegt ein integratives und versöhnendes Potenzial, das wir uns in der Osterjause eher erhalten haben als in der Art und Weise, wie heute die Hostie empfangen wird.

Man könnte hier auch Begriffe wie „Gnade“ oder „Schuld“ dazulegen. Ist die Kirchenkrise auch eine sprachliche Krise?
Trummer: Indem wir bei der Eucharistie mit dem Wort „Opfer“ arbeiten, zerstören wir ein positives Gottesbild. Jeder irdische Vater, der seinen Sohn opfern muss, um verzeihen zu können, würde in einer Anstalt für abnorme Rechtsbrecher landen. Sprachlich ist also ungemein viel zu korrigieren, wobei zur Gottesdienstsprache ebenso auch die der liturgischen Lieder dazugehört. Man denke nur an „Oh Lamm Gottes unschuldig, am Stamm des Kreuzes geschlachtet“!

Die Messtexte waren nie dazu gemacht, auch gehört und vom Volk verstanden zu werden. Ihnen fehlt darüber hinaus etwas ganz Wichtiges, nämlich das Stammeln und die Überzeugung, dass jeder religiöse oder theologische Satz immer mehr falsch als richtig ist, weil die Wirklichkeit Gottes eigentlich nicht beschreibbar ist.
Aber ganz sicher ist es falsch, wenn die Worte nur einer bestimmten Gruppe gelten sollen. Jeder Ausschluss, den wir betreiben, ist eigentlich eine Verneinung Gottes, denn wir glauben ja an den Heilswillen Gottes für alle Menschen (1 Tim 2,4). Auch Nicht-Gläubige sind von Gott geliebt, und er möchte ihnen nichts Böses. Dazu passt unsere Buchhalter-Mentalität mit Gnade und Strafe nicht.

Was hier nach einer rein liturgischen Angelegenheit klingt, basiert auf einem Selbstverständnis von Kirche, das zu sehr viel Unheil geführt hat. Ein solches Gottesbild der Exklusivität enthält Gewalt – wer an der Kirche nicht teilhatte, wurde früher ja auch des Landes verwiesen. Wir müssen uns also eigentlich bedanken für die Krise heute, die uns zum Nachdenken zwingt.

Der Philosoph Michel de Foucault hat diese Form der Macht auch als „Pastoralmacht“ beschrieben und damit gemeint, dass die Verantwortung für das Heil anderer Menschen zum Machtmissbrauch einladen kann.
Trummer: Die Idee, dass der katholische Glaube der einzig richtige ist, ist auch eine Machtfrage. Dabei schafft eine gute Agape mehr jesuanische Gemeinschaft als das Knien vor der Kommunion. Das war der Grund, warum die frühe Kirche sich auch angesichts großer Konkurrenz behaupten konnte. Das Christentum hat das mit dem Brotbrechen geschafft, bei dem der Auferstandene erkannt wird, nicht mit dem Abendmahl. Im Miteinander-Essen liegt das Wesen des Christentums, wie es auch mein Regensburger Lehrer Franz Mussner immer wieder gepredigt hat.

Sie haben auch ein Kapitel über die Angst geschrieben. Im Rückblick haben Angst und Gehorsam innerhalb der Kirche eine enorme Rolle gespielt. Was wäre nun von Jesus her dazu zu sagen?
Trummer: Ich denke, wenn man begreift, was „Abba“ eigentlich meint – immerhin sprechen aramäische Kinder so ihren Vater an –, dann hört die Angst auf. Wenn wir etwa auf eine Gottesbegegnung im Augenblick des Todes zugehen, dann müssten wir das eigentlich als Vollendung verstehen. Der Gerichtsgedanke führt diese Sicherheit aber ad absurdum. Wenn Jesus jedoch das Wort „Gehenna“ in den Mund nimmt, ist vom Müllplatz in Jerusalem die Rede.

Natürlich haben falsche Lebensentscheidungen ihre Folgen. Jesus ist es aber nicht um eine letztentscheidende Aussage zur Gestalt der Hölle gegangen. Entscheidend ist, dass es um Bilder geht. Die Ewigkeit der Hölle hat uns erst Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert vorgeschrieben. Da erkühnt sich ein Kaiser, einen Ort zu definieren, von dem er Gott auf ewig ausschließt. Hier geht es wieder um Machtmissbrauch.

Sie treten für eine „offene, dialogische, ökumenische, interkulturelle und im Sinne der via theologia a-theistische“ Form von Verkündigung ein. Sehen Sie da die katholische Kirche aktuell auf dem richtigen Weg?
Trummer: Es gibt Priester, die Großartiges leisten, genauso Religionslehrer:innen, die Seelsorger:innen ihrer Schule sind. Das Schwierige für mich ist, dass aus den Funktionen Amtstitel geworden sind. Man hat sich selbst ein Standesbewusstsein geschaffen, das die jesuanische Gemeinschaft als Geschwistergemeinschaft zugunsten einer „heiligen Ordnung“ oder Hierarchie unterlaufen hat. Das Problem ist, dass man diese Ordnung mit unheiligen Mitteln durchgesetzt hat. Ich bin nicht gegen das Priesteramt per se, doch Priester sind keine besseren Menschen allein durch eine Weihe, und sie haben auch nicht die Deutungshoheit. Anstelle einer unterstützenden, seelsorglichen Empathie kam es zu einem Abhängigkeits- und Machtverhältnis.
Viele machen vieles sehr gut in der Kirche. Es gibt inzwischen auch im Klerus ein Bewusstsein dafür, dass es offene Fragen und Ungeklärtes gibt. Meine Hoffnung ist darum, dass sich von innen her etwas verändert und man das Herz mehr anspricht. Denn es geht um die jesuanische Idee: aus einer Grundhaltung dem „Abba“ gegenüber in der Zeit das Richtige zu tun.

Interview: Daniel Pachner

Peter Trummer: 
Mit Jesus am Puls der Zeit. Ermutigung zum Christsein, Gebunden, 200 Seiten, 
22,70 Euro, Herder Verlag, Freiburg 2024, 
ISBN: 978-3-451-39790-5.
  • Peter Trummer:
    Mit Jesus am Puls der Zeit. Ermutigung zum Christsein, Gebunden, 200 Seiten,
    22,70 Euro, Herder Verlag, Freiburg 2024,
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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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