Glaube
Gelobt seist du …
Altissimu onnipotente bon signore … So beginnt eines der berühmtesten Gedichte der Weltliteratur: der „Sonnengesang“ des Hl. Franz von Assisi.
Mit dem Kehrvers „Laudato si, mi signore“ werden darin nacheinander die Sonne, der Mond, die Sterne, der Wind, das Wasser, das Feuer und die Erde gepriesen und schließlich alle Friedfertigen und Sanftmütigen, die Verzeihung üben und geduldig ausharren in Not und Bedrängnis. Wie Perlen an einer Kette reiht sich Lob an Lob, wird ein geschwisterlicher Zusammenhang aller Geschöpfe beschworen, in den schließlich auch der leibliche Tod – sora nostra morte corporale – miteinbezogen ist.
Als Franz von Assisi am Ende seines Lebens dieses Loblied dichtete, stand hierzulande der Minnesang in Blüte, stimmte Walther von der Vogelweide nach langen Jahren als fahrender Sänger seine berühmte Altersklage an: „Owê, war sint verswunden/ alliu mîniu jar!/ Ist mîn leben mir getroumet/ oder ist ez wâr …“
Seither sind acht Jahrhunderte vergangen, ist die Menschheit von Erkenntnis zu Erkenntnis geeilt und von Katastrophe zu Katastrophe, wurden Kriege geführt, gingen mächtige Reiche zugrunde, wurden die Wälder, die einst, zu Zeiten Walthers und des hl. Franziskus weite Teile Europas bedeckten, nach und nach gelichtet, haben die Länder oftmals ihre Umrisse verändert und die Städte ihr Gesicht, hat die Sprache, die wir sprechen, sich gewandelt und mancher Begriff seine Bedeutung verloren, die Anrufung „Laudato si!“ jedoch hat nichts von ihrer Kraft eingebüßt. So nimmt es auch nicht wunder, dass bis zum heutigen Tag immer wieder neue Übersetzungen und künstlerische Nachempfindungen des „Cantico delle creature“ entstehen.
Eine poetisch prägnante, überzeugende Nachdichtung entstand vor knapp hundert Jahren in Graz und stammt von einem gebürtigen Rheinländer und Wahlsteirer, von Hans Leifhelm (1891–1947), dessen Name noch vor zwei Generationen in allen namhaften Lyrikanthologien deutscher Sprache zu finden war. Seinen Plan, ein Buch über Franz von Assisi zu schreiben, konnte er zwar nicht mehr verwirklichen, schwere Krankheit vereitelte ihn, doch prägte die franziskanische Spiritualität sein Denken von seiner Jugend bis in seine späten Jahre, die er weitgehend isoliert in Italien verbrachte. „Die Schönheit der Schöpfung und die Gegenwart ihres Schöpfers blieben während seines gesamten literarischen Schaffens Leifhelms bevorzugtes Thema“, bemerkt sein Biograph, der Germanist Ralph Georg Czapla. Ihm ist es auch zu danken, dass nun Leifhelms Nachdichtung des Sonnengesangs im Rahmen einer mit vorbildlicher philologischer Sorgfalt erarbeiteten Werkausgabe unter dem Titel „An des Abgrunds schmalem Saume“ wieder greifbar ist.
„Atmend bin ich auf der Wanderschaft,/ Atmend bin ich dieser Welt in Haft“, heißt es programmatisch in Leifhelms erstem Gedichtband „Hahnenschrei“ von 1926. Auf seiner Lebenswanderschaft, die ihn durch ein Zeitalter der Angst und des totalitären Schreckens führte, war ihm der Poverello wohl ein denkbar guter Wegbegleiter.
Christian Teissl
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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