Konzil
Fels in der Brandung als Ziel
150 Jahre Erstes Vatikanisches Konzil.
Für den steirischen Diözesanbischof Johannes Baptist Zwerger (Bischof 1867–93) bildete das Erste Vatikanische Konzil das bedeutsamste weltkirchliche Ereignis während seiner Amtszeit. Nach drei Jahrhunderten hatte Papst Pius IX. (1846–78) wieder ein Konzil für die Weltkirche einberufen und am 8. Dezember 1869 feierlich eröffnet.
Bemerkenswert war an dieser Versammlung, die im rechten Querschiff des Petersdomes tagte, dass es mit den 792 Konzilsvätern das bisher größte ökumenische Konzil war. Auch viele Bischöfe der mit Rom in Kirchengemeinschaft stehenden Ostkirchen nahmen teil. Ebenso war dank Dampfschiff und Eisenbahn der Episkopat aus Nord- und Lateinamerika sowie aus den Missionsländern weitgehend anwesend.
Obwohl 65 Texte für das Konzil vorbereitet worden waren, wurden im ersten halben Jahr nur fünf behandelt und nur zu zwei Themenkomplexen Beschlüsse gefasst. Am 24. April 1870 wurde die dogmatische Konstitution „Dei Filius“ einstimmig beschlossen.
Unfehlbarkeit. Die Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit (Infallibilität) war in den Monaten zuvor bereits Thema einer öffentlichen Polarisierung, vor allem in den deutsch- und französischsprachigen Ländern, und stand zunächst offiziell nicht auf der Tagesordnung. Pius IX. setzte sie auf vielfachen Wunsch am 7. März 1870 auf das Programm. In dieser Frage standen sich dann eine Majorität und eine Minderheit von Konzilsvätern gegenüber.
Die „Infallibilisten“ bildeten die Mehrheit und befürworteten die Unfehlbarkeit des Papstes, das heißt, dass dieser eine definitive Entscheidung in Glaubens- und Sittenfragen von sich aus treffen kann. Einer der Gründe für eine solche Position war die Überzeugung, dass damit die Rolle der Kirche in der modernen Gesellschaft gestärkt werden sollte. Mit der Ausrichtung der gesamten Kirche auf den Papst als zentrale Autorität sollte die Kirche gefestigt und mit einem Höchstmaß an Stabilität und Sicherheit versehen werden. In einer solchen Sicht sollte der Papst ein Fels in der Brandung der gesellschaftlichen und staatlichen Umwälzungen sein.
Dogmatisierungsgegner. Die Minorität machte etwa 20 Prozent der Konzilsväter aus. Zu ihr zählte ein großer Teil der deutschen und österreich-ungarischen Bischöfe, circa 40 Prozent des französischen und nordamerikanischen Episkopats sowie einzelne englische und irische, norditalienische und schweizerische Bischöfe. Von österreichisch-ungarischer Seite lehnten die Kardinäle Friedrich zu Schwarzenberg (1809–85) von Prag und Joseph Othmar von Rauscher (1797–1875) von Wien sowie János Simor (1813–91), der Primas von Ungarn, die päpstliche Unfehlbarkeit vor allem aufgrund kirchenpolitischer und ökumenischer Überlegungen, aber auch mit grundsätzlichen theologischen und kirchenhistorischen Argumenten ab.
Kardinal Rauscher war vor seiner kaiserlichen Ernennung zum Wiener Erzbischof Fürstbischof von Seckau (1849–53). Er zählte auf dem Ersten Vatikanischen Konzil zu dessen profiliertesten Teilnehmern. Rauscher vertrat in einem Gutachten den Standpunkt, dass die päpstliche Autorität genügend abgesichert sei, und sprach sich gegen ein überspitztes Verständnis der Unfehlbarkeit aus
.
Abstimmung. Das Konzil nahm aber mit 553 Ja-Stimmen und 2 Nein-Stimmen am 18. Juli 1870 den Jurisdiktionsprimat, wonach der Papst die höchste und universale Gewalt über die gesamte Kirche besitzt, sowie die Unfehlbarkeit des Papstes an. Ein verschärfender Zusatz war knapp zuvor eingefügt worden. Demnach sind die „Definitionen des römischen Bischofs aus sich, nicht aber aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich“. Der Papst setzte die dogmatische Konstitution „Pastor aeternus“ am selben Tag in
Kraft.
Steiermark. Der steirische Bischof Zwerger nahm beim Konzil anfangs an den Beratungen im Hause Rauschers teil, wechselte dann aber in das Lager der Infallibilisten. Zwerger blieb jedoch der feierlichen Schlussabstimmung am 18. Juli 1870 fern und reiste wie Rauscher und Schwarzenberg und viele andere zuvor aus Rom ab. Der Seckauer Bischof stimmte dem Dogma jedoch sofort zu und interpretierte es in einem moderaten Sinne. Auch die anderen Minoritätsbischöfe akzeptierten die Konzilsdekrete nach und nach.
Vertagung. Das Konzil, das von Mitte Juli bis Mitte November beurlaubt worden war, wurde am 20. Oktober 1870 nach dem Ende des Kirchenstaats und der Einnahme Roms durch die Truppen der italienischen Einigungsbewegung auf unbestimmte Zeit vertagt und nicht wieder aufgenommen.
Reaktionen. Die österreichische Regierung reagierte im September 1870 auf die Definition des Infallibilitätsdogmas mit der einseitigen Kündigung des Konkordates von 1855, welches durch die liberale Gesetzgebung der 1860er Jahre bereits ausgehöhlt worden war. Nach dem Konzil kam es zur Gründung der Altkatholischen Kirche in den 1870er Jahren.
Michaela Sohn-Kronthaler
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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