Glaube, Gebet
Einst war es die Pest
Pestsäulen, einst vielerorts aus Dankbarkeit nach überwundener Bedrohung aufgestellt, können auch in der heutigen Corona- Epidemie zum Gebet und zum Vertrauen auf Gottes Gegenwart in der Leidenszeit aufrufen.
Immer wieder wütete die Pest in Schüben in Europa. In Leoben zum Beispiel 1347, 1352 und zuletzt 1716. Die Menschen damals standen wohl noch viel hoffnungsloser als wir heute der Seuche gegenüber. Raffte sie doch 50 bis 60 Prozent der Betroffenen hin, wenn diese nicht behandelt wurden. Mit Therapie waren es immer noch an die 10 Prozent der Bevölkerung. Oft half nur noch beten! In (Alt-)Leoben selbst waren 1716 noch 81 Todesopfer zu beklagen.
Und auch damals reagierte die verängstigte Bevölkerung mit Isolation und Abstand. So sind noch immer erhaltene Pestlöcher (zum Beispiel beim heutigen Gasthof Greif) Zeugnisse dieser Zeit. Auf die als „vogelartigen“ bekannten Pest-Gesichtsmasken wurde zum Abwenden einer Ansteckung ebenso zurückgegriffen. So gesehen noch ein geschichtlicher Vorgänger in Bezug auf unsere heutige Zeit.
Nach Abflauen der Seuche wurde 1717 von Johann Jakob Schoy aus Aflenzer Sandstein die Pestsäule gestaltet. Die Dankbarkeit der Menschen darf man ebenso daran deuten, dass die Pestsäule im symbolisch „absoluten Zentrum“ der Stadt Leoben, also inmitten des Hauptplatzes, positioniert wurde.
Die Bürgerschaft machte das Gelübde, den Tag des hl. Franziskus (4. Oktober) mit Fasten zu begehen und unter Anführung von vier Jesuiten von jedem Haus eine Person nach Mariazell zu einer Prozession zu entsenden. Das wurde mit der Zeit zu aufwendig. So änderte 1786 der Bischof der damals gegründeten Diözese Leoben, Alexander Graf von Engel, das Gelübde insofern ab, dass jährlich am ersten Sonntag nach dem 9. April in der Pfarrkirche ein feierlicher Gottesdienst mit Sammlung von Almosen für die Armen stattfinden soll.
Auf der Säule selbst wird im „Obersten Zentrum“ die Allerheiligste Dreifaltigkeit, Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist (Taube) dargestellt. Darunter und inmitten der Säule, als „Bindeglied zwischen Erde und Himmel, die Gottesmutter Maria in Form einer „Apokalyptischen Madonna“ (Maria als Schlangenzertreterin) mit begleitenden Engeln.
Es folgt nach unten hin ein Relief des Leobener Stadtwappens mit dem Strauß. Danach die Jahreszahl des Pestendes: 1716. In Folge ein in Latein gehaltener Spruch, welcher die Errichtung durch die Leobener Bevölkerung und die Dankbarkeit an die „himmlischen Befreier“ zum Ausdruck bringt. Direkt darunter ruht die „Pestheilige“ Rosalia von Palermo. Von links nach rechts wird die Säule von den vielfach als Pestheiligen verehrten St. Sebastian und St. Rochus flankiert. Es folgen auf zweiter Ebene die Patrone der Leobener Innenstadtkirchen, St. Xaver und St. Jakob. In dritter Ebene werden die hl. Barbara und der hl. Florian als Montanpatrone dargestellt.
In der gegenwärtigen Zeit der Corona-Pandemie kann uns ein solches Zeichen der Erinnerung an die Überwindung ähnlicher schwerer Zeiten einladen, auch in der heutigen Krise die Hoffnung und das Vertrauen nicht zu verlieren.
Werner Pregetter
Wenn du lange gehst
Weil das Wunder immer geschieht und wir ohne die Gnade nicht leben.
Die schwersten Wege werden alleine gegangen.
Die Enttäuschung, der Verlust, das Opfer sind einsam.
Selbst der Tote, der jedem Ruf antwortet und sich keiner Bitte versagt, steht uns nicht bei und sieht zu, ob wir es vermögen.
Die Hände der Lebenden, die sich ausstrecken, ohne uns zu erreichen, sind wie die Äste der Bäume im Winter.
Alle Vögel schweigen.
Man hört nur den eigenen Schritt und den Schritt, den der Fuß noch nicht gegangen ist, aber gehen wird.
Stehenbleiben und sich umdrehn hilft nicht. Es muss gegangen sein.
Nimm eine Kerze in die Hand wie in den Katakomben. Das kleine Licht atmet kaum.
Und doch, wenn du lange gegangen bist, bleibt das Wunder nicht aus, weil das Wunder immer geschieht und weil wir ohne die Gnade nicht leben können:
Die Kerze wird hell vom freien Atem des Tags, und du bläst sie lächelnd aus, wenn du in die Sonne trittst und unter den blühenden Gärten die Stadt vor dir liegt und in deinem Hause dir der Tisch weiß gedeckt ist.
Und die verlierbaren Lebenden und die unverlierbaren Toten dir das Brot brechen und den Wein reichen –
und du ihre Stimmen wieder hörst ganz nahe bei deinem Herzen.
Hilde Domin
aus: Franz-Toni Schallberger,
Der Spur des Lebens folgen, Kanisius
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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