Stichwort: Gaudete
Die Freude wiederfinden

Freude wächst aus der Tiefe des Herzens. | Foto: pixabay

Der dritte Adventsonntag trägt den Namen „Gaudete“ – „Freut euch!“
Wie können wir adventliche Freude entdecken? Wovon wird sie gespeist?

Lustig, lustig, tralalalala …“ So wird nicht nur der Nikolaus gerne begrüßt, diese Liedzeile könnte auch als Motto
vieler Weihnachtsfeiern durchgehen. An Belustigungen mangelt es nicht in der Zeit des Advents. Anders ist es allerdings mit der Freude. Sie ist heute inmitten des Trubels und angesichts der nicht gerade hoffnungsfrohen Weltlage viel weniger leicht zu finden.
Doch das bekannte Nikolauslied beginnt mit der Aufforderung: „Lasst uns froh und munter sein.“ Das sind die Haltungen, die wir im Advent einüben sollen. Mit frohem Gemüt, unbeschwertem Herzen, einem wachen, aufgeweckten Geist und aufmerk-samen Sinnen sind wir richtig gestimmt, um der Freude auf die Spur zu kommen.
Im Namen „Gaudete“ steckt natürlich auch die Gaudi, doch gewiss nicht im Sinne eines oberflächlichen Amüsements, wie wir sie heute verstehen. Das Wort ist dem Introitus zum dritten Adventsonntag entnommen, dem Choralgesang, mit dem die lateinische Messe beginnt: „Gaudete in Domino semper“ – „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!“ Er ist aus dem Philipperbrief. Und diesen hat der Apostel Paulus im Gefängnis zu Papier gebracht, also in einer Lage, die alles andere als lustig war. Die Freude speist sich für ihn aus einer anderen Quelle als es die momentanen Lebensumstände hergeben. Sie kommt aus der Gewissheit: Der Herr ist nahe.
Freude können wir nicht herstellen. Freude stellt sich ein. Sie lässt sich weder verordnen noch inszenieren, sie steigt aus der Tiefe unseres Herzens empor. Und sie ist eine wesentliche Kraftquelle im Leben. Ohne Freude wird es mühsam und mündet in die Erschöpfung, in die Depression. Die Suche nach der Freude muss daher bei den Sehnsüchten des Herzens beginnen und den tiefsten Regungen des Herzens nachgehen.

Sich dem Dunkel aussetzen
Ein schöner Brauch im Advent ist die Rorate-Messe. Sie wird zeitig am Morgen gefeiert, oft in der dunklen Kirche, die nur vom Kerzenschein erhellt ist. Um daran teilzunehmen, muss ich früh aufstehen, also „froh und munter“ sein, wenn andere noch schlafen. Und ich muss mich hinauswagen in die Dunkelheit und Kälte.
Sich den inneren Dunkelheiten auszusetzen, in die eigene Trostlosigkeit und Traurigkeit hineinzuspüren, sie da sein zu lassen, ohne gleich nach Ablenkung zu suchen, all das ist hilfreich, um die versickerte Freude wieder auszugraben. Zwanghafte Bespaßung und Überblendung mit Neonlampen ist dafür kontraproduktiv. Damit die Freude zu leuchten beginnt, ist es vorteilhafter, der Lichtverschmutzung zu entfliehen. Nur, wenn der Himmel ganz dunkel ist, können wir das Funkeln tausender Sterne sehen, die uns Orientierung geben und uns auf die kleinen Kostbarkeiten im Leben aufmerksam machen.

Die Vorfreude auskosten
Die Kinder beherrschen sie besser, die Kunst der adventlichen Vorfreude. Das Warten auf den Nikolaus oder auf die Bescherung am Heiligen Abend ist bei ihnen von einer freudig kribbelnden Anspannung begleitet. Wir Erwachsene haben dieses aufgeregte Erwarten mit leuchtenden Augen weitgehend verlernt. Wir sind es gewohnt, dass alle erdenklichen Güter jederzeit und sofort verfügbar sind.
So haben wir den Advent kurzerhand in eine vorgezogene Weihnachtszeit verwandelt – mit Festbeleuchtung, Weihnachtsdekor, Christmas-Songs und jeder Menge Kitsch. Statt wachsender Vorfreude erleben wir eine eventhaft inszenierte Weihnachtsstimmung, derer wir bis zum 24. Dezember längst überdrüssig sind. An die Stelle der kindlichen Aufgeregtheit tritt eine infantile Geselligkeit, adjustiert in peinlichen Rentier-Outfits und geschmacklosen Weihnachtsmann-Mützen.

Die Vorfreude wächst jedoch im Sog der Leere, die ein Ereignis erzeugt, das sich ankündigt, aber noch nicht eingetreten ist. Um sie auszukosten, muss ich warten können und die Leere aushalten – ja bewusst in sie eintauchen. Wenn ich Stille suche, mich der Ablenkung und Berieselung entziehe, können Wachheit und Achtsamkeit wachsen. Inmitten der ständigen Überfrachtung und Überforderung breiten sich von innen her Friede und Freude aus.

Wir leben heute eher in der Vorsorge als in der Vorfreude. Wir gehen vom Worst-Case-Szenario aus und nehmen mit Genugtuung zur Kenntnis, wenn es tatsächlich eintrifft: „Hab ich es nicht gesagt?!“ Advent hingegen bedeutet, ein heilbringendes, freudvolles Ereignis zu erwarten: Gott ist unterwegs zu uns Menschen, er sucht nach einer Herberge. Wo Platz ist und man ihn einlässt, dorthin bringt er Liebe, Lebensfreude, Licht und Erfüllung.

Freude schenken
Es ist eine Binsenweisheit, gehört aber unverzichtbar zur adventlichen Freudefindungsstrategie: Geteilte Freude ist doppelte Freude, geteiltes Leid halbes Leid. Ein sicherer Weg zum Auffinden der Freude ist, Freude zu schenken und Leid zu mildern.
Deshalb ist es gut, dass wir einander zu Weihnachten beschenken und in diesen Tagen ein besonders weites Herz für die Notleidenden um uns und in der Welt haben. So wächst die Freude und es kommt Licht ins Dunkel. Wir machen die Freude spürbar, die uns im Geschenk der Menschwerdung Gottes zuteil wird.

Alfred Jokesch

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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