Vinzenzgemeinschaften
Armendienst ist Gottesdienst

Der Zentralrat der Vinzenzgemeinschaften in der Steiermark vernetzt die einzelnen Vereine und unterstützt. Von links: Barbara Wendl, Erika Sammer-Ernszt, Andreas Niggler, Susanne Pratl, Marita Lienhart (vorne), Christine Hirschmann, Anna Lackner, Hans Sulzer (hinten), Erwin Derler und Ekkehard Lex. | Foto: privat
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  • Der Zentralrat der Vinzenzgemeinschaften in der Steiermark vernetzt die einzelnen Vereine und unterstützt. Von links: Barbara Wendl, Erika Sammer-Ernszt, Andreas Niggler, Susanne Pratl, Marita Lienhart (vorne), Christine Hirschmann, Anna Lackner, Hans Sulzer (hinten), Erwin Derler und Ekkehard Lex.
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Vinzenzgemeinschaften finden sich in vielen steirischen Pfarren. Woher sie kommen und was sie tun? Wir haben nachgefragt.

Unbürokratisch und rasch helfen ist ein Merkmal, das die Vinzenzgemeinschaften ausmacht und eint. Das fällt mir auch bei meinem Treffen mit Mitgliedern des Zentralrates der Vinzenzgemeinschaften der Steiermark gleich auf. Zentralratspräsident Erwin Derler erzählt, wie er bereits wenige Tage nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine einen Hilferuf aus Odessa erhalten habe. Die dort ansässige Vinzenzgemeinschaft bräuchte einen zweiten VinziBus. Kurz nachdem die gemeinsam mit den VinziWerken aufgebrachte Spende überwiesen war, trudelte schon eine Nachricht aus Odessa ein – dabei ein Foto: ein Vinzenzbruder vor dem neuen VinziTruck, mit dem nun lebenswichtige Hilfsgüter von der slowakischen Grenze zu Bedürftigen transportiert werden können. So schnell geht helfen.
Später im Gespräch entschuldigt sich Christine Hirschmann – ihr Telefon klingelt. Als sie zurückkommt, berichtet sie von einer jungen Mutter, deren Neugeborenes im Krankenhaus bleiben musste. Jeden Tag fährt die Frau nun aus der Südoststeiermark nach Graz – bei den aktuellen Treibstoffpreisen fast unbezahlbar. Freunde der jungen Frau starten eine Spendenaktion. Von der Vinzenzgemeinschaft Kirchberg an der Raab erhält sie schnell und unkompliziert einige Tankgutscheine.

Zur vinzentinischen Familie gehören neben den Vinzenzgemeinschaften auch die Priester der Kongregation der Mission des hl. Vinzenz von Paul, bekannt als Lazaristen, denen z. B. Pfarrer Wolfgang Pucher angehört, und die Barmherzigen Schwestern, wie Sr. Elisabeth Gruber vom Grazer Marienstüberl eine ist. Die beiden Orden hat der hl. Vinzenz im
17. Jh. in Paris nach der Devise „Armendienst ist Gottesdienst“ gegründet. Frankreich war damals geprägt von Kriegen, Hungersnöten und Seuchen. Besonders am Herzen lag dem hl. Vinzenz die Sorge um benachteiligte Kinder, Gefangene und Flüchtlinge.
Diesem karitativen Vermächtnis folgend, gründete Frédéric Ozanam 1833 in Paris die erste von Laien getragene Vinzenzgemeinschaft. Seitdem ging das Anliegen im Geist des hl. Vinzenz wie ein Lauffeuer um die Welt. Heute sind Vinzenzgemeinschaften in 152 Ländern tätig. Der erste Vinzenzverein in der Steiermark wurde 1871 in der Pfarre Graz-Graben gegründet. Steiermarkweit gibt es inzwischen 61 Vinzenzvereine, 14 davon zählen zu den in der Öffentlichkeit besonders bekannten VinziWerken, die in 40 Teilorganisationen untergliedert sind.
„Einen Vinzenzverein kann jeder gründen“, betont Zentralratspräsident Erwin Derler. Der Zentralrat hilft dabei. Jeder Verein ist nach dem Vereinsgesetz selbstständig. Über den Zusammenschluss der Vinzenzgemeinschaften, den es steiermark-, aber auch österreich- und weltweit gibt, hilft man einander. Verwaltet wird alles ehrenamtlich. Drei Aspekte bestimmen das Vereinsleben: der Hausbesuch bei Bedürftigen, die Vinzenzkonferenz (regelmäßige Treffen der Vereinsmitglieder) und das Aufbringen von Spendengeldern – auch aus der eigenen Tasche.

Katharina Grager

Hemmschwellen abbauen

Graz-St.Peter. Schulstart-Aktion und Heizkostenzuschuss.
„Als Stadtrandpfarre erleben wir das Spannungsfeld zwischen den ehemals dörflichen Strukturen, wo jeder jeden kennt und Hilfe schwerer angenommen wird, und einem starken Zuzug in Neubaugebieten, wo es schwierig ist, Kontakte herzustellen“, erzählt Barbara Wendl von der Vinzenzgemeinschaft Graz-St.Peter. Mit der Gründung des Vereines 2008 wurden zwei besondere Aktionen ins Leben gerufen: die Schulstart-Aktion für Familien im Herbst und der Heizkostenzuschuss für MindestpensionistInnen im Februar.
Gleich wie bei Zuschuss-Aktionen der öffentlichen Hand gibt es festgelegte Kriterien, bei deren Erfüllung ein fixer Unterstützungsbetrag ausbezahlt wird. „Damit wollen wir die Hemmschwelle senken, dass Menschen sich bei uns Hilfe holen“, erklärt Wendl. Ein detailliertes Schildern der Lebensumstände fällt weg, und aus den gefühlten „Bittstellern“ werden „Berechtigte“ – das mache etwas mit den Leuten, so Barbara Wendl. Außerdem komme man mit anderen Menschen in Kontakt als dem bestehenden Caritas-Sprechstunden-Klientel, und es wird breiter bekannt, dass man bei der Vinzenzgemeinschaft Hilfe bekommt, wenn es mal „gröber klemmt“.

Entlassen, aber nicht verlassen

Vincent Hope. Hilfe für Häftlinge und Haftentlassene.
Unterstützt von einem EU-Projekt und inspiriert von der Besichtigung eines Gefangenenhilfsprojektes in Schottland, gründete Erwin Derler 2009 den Verein „Vincent Hope“ für Hilfe an Gefangenen, Haftentlassenen und deren Angehörigen. „Der hl. Vinzenz ist ja auch als Schutzpatron der Strafgefangenen bekannt“, erklärt Erwin Derler und fügt hinzu: „Schon im Matthäusevangelium lesen wir: ‚Ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen‘.“
Derzeit werden von den Mitgliedern des Vereins monatlich 32 Häftlinge besucht. „Unsere Resozialisierungsquote beträgt 90%“, erzählt Derler stolz. Die Quote der Justiz läge dagegen lediglich bei zirka der Hälfte der Haftentlassenen. Für Erwin Derler „ein Beweis dafür, dass die vinzentinisch-spirituelle Begleitung Früchte trägt“. Aber nicht nur das. Die Erlebnisse in der Begleitung stärken auch sein eigenes Glaubensleben und das seiner vinzentinischen KollegInnen, ist Erwin Derler überzeugt.

IM ORIGINALTON

Christine Hirschmann gründete 2014 in Kirchberg an der Raab eine Vinzenzgemeinschaft.

Ein Laden für alleDie Vinzenzgemeinschaft in Kirchberg an der Raab habe ich 2014 zusammen mit anderen Engagierten gegründet. Im gleichen Jahr haben wir einen Vinziladen mit Second-Hand-Ware aufgemacht.
Mein Antrieb ist einfach erklärt: Die Spendenbereitschaft bei uns ist sehr hoch, und da wollte ich etwas tun, damit Spenden auch im Ort bleiben und wir hier Menschen damit helfen können. Darum habe ich beim Zentralrat der steirischen Vinzenz-gemeinschaften angerufen und mich erkundigt, wie das Gründen eines Vinzenzvereines funktioniert.

Das Konzept unseres Vinziladens konnten wir zwei Jahre lang in einer Art „Testphase“ zu günstigeren Bedingungen im ehemaligen Pfarrkindergarten „ausprobieren“. Dann haben wir ein Geschäftslokal mitten im Ort bezogen. Die Menschen haben den Vinziladen als richtiges Geschäft akzeptiert – es kommt jeder, vom Landwirt bis zum Doktor. Unser ehrenamtliches Team aus bis zu 35 Leuten betreut die Öffnungszeiten, und die Ladenleiterinnen Roswitha Eitner, mit jahrelanger Verkaufserfahrung, und Schneidermeisterin Elisabeth Büchsenmeister kümmern sich außerdem um ansprechende Präsentation. Die Abgabe der gespendeten Waren klappt inzwischen sehr gut. Die Leutewissen, dass die Qualität stimmen muss.

Verkauft wird Bekleidung für Damen, Herren und Kinder, Schuhe, Bücher, Spielsachen, ein bisschen Geschirr und kleinere Deko-Artikel. Die Preise richten sich auch nach der Bedürftigkeit der Menschen. Oder ich frage gerne „Was ist es dir wert?“ Die Erlöse verwenden wir für bedürftige Menschen in der Region. Und Not ist vielfältig. Wo das soziale Netz Lücken hat, springen wir ein und helfen – unabhängig von Herkunft, Kultur oder Religion. Verschwiegenheit und Diskretion sind dabei unsere obersten Gebote. Unser Glaube
und das Vorbild des hl. Vinzenz von Paul sind das Fundament unseres Tuns.

Sie wollen mitmachen?
Sie wollen selbst eine Vinzenzgemeinschaft gründen oder möchten bei einer Vinzenz-gemeinschaft mitmachen? Informationen und Kontakt zu Vinzenzgemeinschaften in Ihrer Umgebung finden Sie hier:
www.vinzenzgemeinschaft-steiermark.at

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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