Interview
Kirche kann Sprachrohr sein
Interview. Peter Hochegger vom Fonds für Arbeit und Bildung berichtet über die aktuelle Wirtschaftslage und erwägt Lösungen für Probleme am Arbeitsmarkt. Der langjährige Leiter des Wirtschaftsförderungsinstituts der Wirtschaftskammern Österreich (kurz WIFI) Ing. Mag. Peter Hochegger ist ein Kenner der Wirtschafts- und Arbeitswelt. Als geschäftsführender Vorsitzender des Fonds für Arbeit und Bildung der Diözese Graz-Seckau setzt er sich besonders für Benachteiligte ein.
Wie steht es derzeit um die Wirtschaft?
Es schaut überraschend gut aus. Derzeit sind wir noch in der Phase des Nachholens, was sich während der Pandemie aufgestaut hat. Auch die internationale Wirtschaft hat überraschend schnell das Comeback geschafft. Erfreulich ist, dass das Unternehmertum eine Renaissance erlebt. Es gibt sehr viele flexible, qualifizierte und innovative junge Menschen, für die das Unternehmertum eine erstrebenswerte Herausforderung ist. Außerdem wurde die Corona-Zeit von vielen für qualitative Investitionen genützt. Das alles führt derzeit zu einem Jobwachstum. Ich kann mich an eine derartige Dynamik nicht erinnern. Wir haben in Österreich momentan über 100.000 offene Stellen und über 10.000 offene Lehrstellen – das hatten wir so noch nie. So gesehen könnte man meinen, die Welt sei in Ordnung. Aber es gibt auch Schattenseiten.
Eine Schattenseite am Arbeitsmarkt ist der viel beklagte Fachkräftemangel – wie beurteilen Sie dieses Problem? Ich möchte die Thematik einmal umgedreht betrachten: Wir haben erfreulicherweise einen Fachkräfte-Bedarf. Es gibt mehr Arbeitsplätze als geeignete Berufseinsteiger. So gesehen ist das keine Krise, aber eine Schieflage. Am Arbeitsmarkt gibt es eine Neuvermessung. Wir haben erstmals die Situation, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber – was ich übrigens als überholte Begriffe empfinde – auf Augenhöhe kommen. Die Unternehmen spüren deutlich, dass sie sich als attraktive Arbeitgeber qualifizieren müssen, damit sie Fachkräfte bekommen und diese auch halten können. Genauso wie sich die Bewerber am Arbeitsmarkt nach Möglichkeit in den nachgefragten Bereichen qualifizieren sollten. Eine weitere Entwicklung am Arbeitsmarkt zeigt, dass es immer mehr notwendig sein wird, umzusteigen und nicht mehr nur aufzusteigen.
Eine ebenso bisher ungelöste Frage betrifft Langzeitarbeitslose – was wäre zu tun?
Zuerst möchte ich festhalten: die Gruppe der Langzeitarbeitslosen wird wachsen, allein durch die Digitalisierung. Darum ist es dringend an der Zeit, dass die Politik tragfähige Lösungen entwickelt. Das Thema ist eine soziale Frage, die man mit den Kriterien des Arbeitsmarktes nicht wird lösen können. Der Fonds für Arbeit und Bildung sieht im Konzept der Sozialökonomie einen guten Weg, um die Würde des Menschen zu wahren. Die Kirche, und wir vom Fonds für Arbeit und Bildung sind Teil davon, ist hier meiner Meinung nach aufgerufen, Sprachrohr für Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit zu sein. Denn die haben keine Lobby, sondern sind gesellschaftlich abgehängt. Und wer, wenn nicht wir, sollte für Menschen am Rand die Stimme erheben? Derzeit finanziert die Gesellschaft den Stillstand, mit dem Konzept einer sozialen Wirtschaft könnte Beschäftigung ermöglicht werden. Und jede und jeder, die oder der schon einmal arbeitslos war, kann nachfühlen, welche negativen Auswirkungen dieser Zustand auf die eigene Persönlichkeit haben kann.
Kurz gefasst: Was ist Ihr Kernanliegen im Fonds für Arbeit und Bildung?
Wir als kirchliche Einrichtung stellen den Menschen in die Mitte. Aus diesem Blickwinkel arbeiten und informieren wir. Bildung ist ein wichtiger Schlüssel am Arbeitsmarkt und im ganzen Leben. Dazu wollen wir beitragen.
KATHARINA GRAGER
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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