Interview - Welthospiztag
Keine Angst vorm Sterben
Zum Welthospiztag (zweite Samstag im Oktober) sprachen wir mit einer ehrenamtlichen Hospiz-Begleiterin über ihren Dienst, das Sterben und die Angst vor dem Tod.
Warum hast Du Dich vor zwölf Jahren entschieden, die Ausbildung zur Hospiz-Begleiterin zu machen?
Nachdem ich damals wieder zum Glauben gefunden habe und in die katholische Kirche wiedereingetreten bin, wollte ich etwas Sinnvolles und Soziales machen, etwas, worin sich mein Glaube ausdrückt. Und da ich in meiner Familie schon mehrere Menschen unmittelbar beim Sterben oder auf dem Weg zum Sterben begleitete hatte, war in mir so ein Gefühl: Ja, das kann ich – Sterben macht mir keine Angst!
Du hast also keine Angst vor dem Tod?
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen abgeklärt, aber ja, ich glaube, ich habe keine Angst vor dem Tod. Durch meine Arbeit im Hospiz ist der Tod stärker in meinem Leben präsent als bei anderen. Ich versuche ihn sozusagen aktiv ein Stück weit kennen zu lernen. Und was meinen eigenen Tod betrifft: Ich habe bis jetzt 60 gute Jahre geschenkt bekommen – das ist viel mehr, als viele andere hatten.
Alles, was jetzt noch kommt, ist sozusagen der Bonustrack. (lacht) Nicht falsch verstehen, ich lebe gerne, habe noch Pläne, aber wenn es so weit ist, hätte ich kein Recht zu sagen: Warum schon jetzt!? Das betrifft aber nur meinen Tod. Der Gedanke an den Tod meiner Kinder ist furchtbar.
Was machst Du, wenn Du im Hospiz bist?
Mein erster Weg führt mich zu den PflegerInnen, die mich auf den neuesten Stand bringen. Sie sagen mir, welche BewohnerInnen heute viel oder wenig Besuch hatten und wo ich am ehesten reinschauen sollte. Außerdem komme ich gerne zur Abendessenszeit. Dann kann ich das Personal entlasten und mich um PatientInnen kümmern, die Hilfe beim Essen brauchen.
Der Dienst im Hospiz ist sehr vielfältig: zuhören, miteinander reden, schweigen, vorlesen, spazierengehen … Ich habe auch schon Abschiedsbriefe geschrieben, für PatientInnen, die nicht mehr selbst schreiben konnten. Wenn bei jemandem der Sterbeprozess schon fortgeschrittener und die Person nicht ansprechbar ist, versuche ich, mit unaufdringlicher Präsenz eine Verbindung herzustellen, eine Berührung anzubieten, horche einfach nur auf das Atmen und bete still.
Warst Du schon einmal dabei, als jemand gestorben ist, und wie war das für Dich?
Einmal war ich anwesend, als jemand starb. Die Frau ist ganz ruhig eingeschlafen – es war also ganz und gar nicht schrecklich. Aber natürlich bin ich auch mal traurig und hab’ auch schon geweint – nach dem Dienst.
Aber das Hospiz ist, gerade weil der Tod so präsent ist, ein sehr lebendiges Haus. Es herrscht eine so freundliche Stimmung, und es wird viel gelacht! Die Fassaden und Masken, die wir uns so im Lauf unseres Lebens aufbauen, sind nicht mehr nötig. Man ist dort so unmittelbar in der Gegenwart – das fasziniert mich.
Welche Bedeutung hat Dein Glaube beim Hospiz-Dienst?
Mein Glaube ist Basis und Stütze für meinen Dienst. Denn auch wenn ich Bereicherndes, Schönes im Hospiz erlebe, gibt es die Kehrseite, den Schmerz, die Verzweiflung. Um damit gut umzugehen, stehen Supervisions-Gruppen zur Verfügung. Ich persönlich habe zusätzlich aus meinem Glauben heraus Rituale entwickelt. Eines davon ist, dass ich direkt nach meinem Dienst zum Gottesdienst gehe. So kann ich all meine Gefühle und alles Erlebte, all die Menschen, die ich getroffen habe, „wo hintragen“, nämlich vor Gott. Das hilft mir zutiefst.
Manchmal kommt es zu theologischen Gesprächen mit BewohnerInnen oder Angehörigen. Eines habe ich besonders in Erinnerung. Wir sprachen über den Tod und das Danach. Ich habe auf das Bibelwort „Im Haus des Vaters gibt es viele Wohnungen“ hingewiesen, und die Patientin antwortete darauf: „Und von der wird man nicht delogiert!“
Interview: Katharina Grager
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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