Sterbehilfe
Eine Kultur des Beistandes

Sterben als Teil des Lebens. „Man soll an der Hand eines anderen Menschen sterben und nicht durch die Hand eines anderen Menschen“ ist ein Grundsatz, den Kardinal Franz König in hohem Alter geprägt hat. | Foto: Sabine van Erp/pixabay
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  • Sterben als Teil des Lebens. „Man soll an der Hand eines anderen Menschen sterben und nicht durch die Hand eines anderen Menschen“ ist ein Grundsatz, den Kardinal Franz König in hohem Alter geprägt hat.
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Sterbehilfe. Ein Gerichtsurteil in Deutschland hat eine neue Diskussion in Österreich augelöst. Reaktionen von Kardinal Schönborn, aktion leben und Paul M. Zulehner.

Am Aschermittwoch gab das Bundesverfassungsgericht in Deutschland die Aufhebung des gesetzlichen Verbotes „geschäftsmäßiger“ Sterbehilfe bekannt. Geschäftsmäßig bedeute dabei juristisch nicht, dass jemand Geld damit verdient, sondern, dass ÄrztInnen grundsätzlich und regelmäßig tödliche Medikamente verschreiben können, die von PatientInnen selbstständig eingenommen werden.

Arten der Sterbehilfe
Aktiv: z. B. Injektion tödlicher Medikamente.
Passiv: Verzicht auf Lebensverlängerung.
Assistierter Suizid: Zur-Verfügung-Stellen von tödlichen Medikamenten, die von den PatientInnen selbstständig eingenommen werden.

Wie kam es dazu?
Mit dem 2015 erlassenen Gesetz sollte verhindert werden, dass sich Sterbehilfe in Deutschland kommerziell ausbreitet. Schwerkranke Menschen, organisiert in Sterbehilfe-Vereinen, klagten. Das Verbot verstoße gegen das Grundgesetz und schränke den Menschen in seinem Selbstbestimmungs- und Persönlichkeitsrecht ein. Sie bekamen Recht.
„Das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen“, sagt Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle – und auch sich dafür Hilfe bei Dritten zu suchen (Assistierter Suizid). Anders als in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg bleibt aktive Sterbehilfe – also die Tötung auf Verlangen – verboten. ÄrztInnen sind zudem nicht dazu verpflichtet, Sterbehilfe zu leisten.

Reaktionen aus Österreich

Kardinal Christoph Schönborn appelliert an die EntscheidungsträgerInnen in Österreich, dem deutschen Beispiel nicht zu folgen. In der „Kronen Zeitung“ am 1. März zitierte er Kardinal Franz König: „Man soll an der Hand eines anderen Menschen sterben und nicht durch die Hand eines anderen Menschen.“ Das gelte heute noch genauso, betonte Kardinal Schönborn: „Bei uns haben alle Parlamentsparteien diese Intention hochgehalten und sich für den Ausbau der Palliativmedizin eingesetzt. Wir haben uns also für einen besseren Weg entschieden als jenen, den Deutschland nun einschlägt – und ich hoffe, dass das so bleibt.“

Franz-Joseph Huainigg von aktion leben befürchtet, dass solche Gesetzes-Entscheidungen den gesellschaftlichen Druck auf Kranke und Menschen mit Behinderungen immens verstärken: „Hebt man das Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung auf, wächst bei den Betroffenen der Druck, sich dafür zu rechtfertigen, überhaupt weiterzuleben und von anderen unterstützt und gepflegt zu werden“, warnt Huainigg. Er berichtet aus Erfahrungen von PalliativmedizinerInnen, dass sich der Sterbewunsch in einen Lebenswunsch verwandelt, sobald Schmerzen beseitigt werden, es persönliche Perspektiven gibt und die Menschen Ansprache und menschliche Wärme empfangen. „Es braucht daher eine Kultur des Beistandes, und es braucht eine Kultur der Trauer“, ist Huainigg überzeugt.

Der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner stellt in seinem aktuellen Blog-Post dazu herausfordernde Fragen: Ist das Vertrauen in die Palliativ-Medizin wirklich so schwach? Ist unsere reiche Gesellschaft wirklich so überfordert, den Menschen in seinen letzten Lebenswochen die Möglichkeit zu geben, würdevoll das Sterben als Teil ihres Lebens zu vollbringen? Gefordert sieht Zulehner jetzt die Politik in Deutschland, sich nicht nur für die Freiheit verantwortlich zu wissen, sondern auch für die hohe Kunst, Balance zu halten zwischen Freiheit und Solidarität, um „durchaus mögliche unsolidarische Kollateralschäden dieser Entscheidung mit klaren Grenzsetzungen einzudämmen.“

Katharina Grager

Sterben als Teil des Lebens. „Man soll an der Hand eines anderen Menschen sterben und nicht durch die Hand eines anderen Menschen“ ist ein Grundsatz, den Kardinal Franz König in hohem Alter geprägt hat. | Foto: Sabine van Erp/pixabay
Das Bundesverfassungsgericht in Deutschland hat das gesetzliche Verbot „geschäftsmäßiger“ Sterbehilfe aufgehoben. | Foto: istock
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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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