Interview
Nie die Hoffnung verlieren

Die kenianische Umweltaktivistin Phyllis Omido (l.) war zu Gast im Quartier Leech in Graz.
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Von der Fabriksarbeiterin zur Umweltaktivistin.
Phyllis Omido aus Kenia sprach mit Daniel Pachner und Alois Kölbl über ihr Engagement, die Wurzel vieler Umweltverbrechen und wie sie ihr Glaube stärkt.

Seit 15 Jahren engagiert sich die kenianische Umweltaktivistin Phyllis Omido für eine klimagerechtere Welt. Die mehrfach ausgezeichnete Preisträgerin konnte seit Beginn ihres Engagements wesentlich zur Schließung von 17 hochtoxischen Schmelzfabriken für Bleibatterien beitragen und war maßgeblich an einer 2017 verabschiedeten UN-Resolution zum Recycling von bleibasierten Batterien in Afrika beteiligt. Im Rahmen des diesjährigen Dramatiker|innenfestivals und der Future Repair Conference war die für ihr Engagement mit dem Alternativen Nobelpreis und anderen internationalen Preisen ausgezeichnete Aktivistin zu Besuch im Quartier Leech und sprach mit Daniel Pachner und Alois Kölbl über ihr Engagement, Profitgier als Wurzel vieler Umweltverbrechen, darüber was sich ändern muss und welche Rolle der Glaube dabei spielt.

Wie kam es, dass Sie Umweltaktivistin wurden?
Phyllis Omido: Gegen diesen Titel habe ich mich lange Zeit gewehrt. Der Grund für mein Engagement ist eigentlich ein ganz persönlicher. Mein Sohn erlitt 2009 als Kleinkind eine Bleivergiftung, die direkt mit meiner Arbeit in einer Schmelzfabrik für Bleibatterien im kenianischen Dorf Owino Uhuru zusammenhing.

Wie gefährlich es war, dort zu arbeiten, stellte sich erst mit der Zeit heraus und war uns verschwiegen worden.
Zu Beginn wollte ich das eigentlich nur aufzeigen und ließ gemeinsam mit anderen Müttern Bluttests durchführen, bei denen alle betroffenen Kinder positiv auf eine Bleivergiftung getestet wurden. In meiner damaligen Naivität wandte ich mich an staatliche Behörden und legte ihnen die Resultate vor. Ich dachte, dass man uns helfen würde, doch das Gegenteil war der Fall: Man verweigerte Gespräche mit mir, wehrte mich ab. Ich ließ mich davon nicht abhalten, sondern mobilisierte immer mehr Menschen. Am Ende wurde ich verhaftet. Zuerst hatte ich natürlich fürchterliche Angst. Als ich am nächsten Tag im Gerichtssaal stand, wusste ich, dass ich tatsächlich eine Umweltaktivistin geworden bin – und hatte auch keine Angst mehr.

Ich habe mich dafür also nicht bewusst entschieden – wie viele andere Aktivist:innen in ganz Afrika. Die Gier dortiger Politiker zwingt uns beinahe dazu, und auch die Versprechungen ausländischer Firmen, die Verbesserungen garantieren und dann Tod, Elend und Krankheit bringen.

Wir treten für einen internationalen Gerichtshof für Umweltverbrechen ein. Phyllis Omido
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Von Beginn an war Ihr Einsatz für Umweltschutz auch ein rechtlicher Kampf; aktuell etwa mit einem Antrag auf finanzielle Wiedergutmachung vor dem Höchstgericht in Kenia. Warum braucht es den Rechtsweg?
Omido: Wenn es nur noch darum geht, am Ende des Jahres Profit gemacht zu haben, ist es sehr schwierig, sich gegen solche Unternehmen und diese Geisteshaltung zu behaupten. Viele staatliche Systeme, auf die Menschen zur Wahrung ihrer Rechte angewiesen sind, sind von Lobbys vereinnahmt. Als wir uns um eine UN-Resolution zum Recycling von Bleibatterien in Afrika bemühten, ging es uns darum, dass Unternehmen die Verantwortung für von ihnen verursachte Schäden übernehmen. Genau diese Passage wurde auf Druck verschiedener Lobby-Gruppen herausgestrichen.

Das, was in Owino Uhuru in Kenia geschah, hat System: Es wird vorgegeben, dass geholfen wird, in Wirklichkeit aber werden Mensch und Umwelt ausgebeutet. Deswegen treten wir auch für einen internationalen Gerichtshof für Umweltverbrechen ein, um Unternehmen zur Rechenschaft zu verpflichten und Umweltverbrechen als solche zu verfolgen. Man darf nicht vergessen, dass über 300 Säuglinge gestorben sind, auch viele Kinder, teils unter großen Schmerzen, Frauen Fehlgeburten erlitten haben oder nun überhaupt unfruchtbar sind – wegen dieser Schmelzanlage, die trotz der ersten von mir aufgezeigten Fälle bis 2014 in Betrieb war.

Welche Rolle spielt die innere Haltung in der Klimafrage? Und was sagen Sie jungen Menschen, die nicht mehr an eine lebenswerte Zukunft glauben können?
Omido: So gut wie alles hängt davon ab! Ein wichtiger erster Schritt ist, dass man den Klimawandel anerkennt. Viele haben jedoch auch das Gefühl, dass sie sowieso nichts bewirken können. Wie soll sich etwa ein einfacher Fischer gegen den Bau eines Atomreaktors in einem Naturschutzgebiet in Kenia wehren? Vor kurzem konnten wir gerade so ein Bauvorhaben gemeinsam mit den Menschen dort verhindern.

Wenn man Menschen innerlich stärkt und ihnen rechtliche Möglichkeiten verschafft, fangen sie an, wieder Mut zu fassen. Eine Änderung der inneren Haltung beginnt schon im Kleinen: wenn ich etwa Schuhe flicke, statt neue zu kaufen. Auch kleine Schritte sind Schritte! Wir dürfen nicht die Hoffnung verlieren – was geschehen kann, wenn man immer nur das große Ganze vor Augen hat.

Sie gehören zur Organisation „Center for Justice, Governance and Environmental Action“. Wie unterstützen Sie Menschen?
Omido: Wir empfangen aus ganz Kenia Hilferufe von Gemeinden, und Kenia ist ein großes Land mit ca. 48 Millionen EinwohnerInnen – wir können nicht überall zugleich sein. Darum unterstützen wir Menschen vor Ort, selbst für ihre Umweltrechte einzutreten. Wo Menschen, die unter Umweltverschmutzung leiden, sich nicht selbst wehren können, versuchen wir mit unserem Netzwerk und Wissen zu helfen.

Sie wurden von Beginn an von einem ortsansässigen Priester unterstützt. Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach religiöse Gemeinschaften für Klima- und Umweltschutz?
Omido: Eine enorm große. Gerade Personen wie mein damaliger geistlicher Begleiter sind wichtig. Er hat mir in meinen schwersten und dunkelsten Zeiten, vor allem in der Zeit als ich wegen meiner Aktivitäten im Gefängnis war, sehr geholfen und ich verdanke es ihm, nicht die Hoffnung verloren zu haben. Wir haben oft gemeinsam gebetet, und er hat mich immer wieder an biblische Figuren erinnert, die mit wenigen Mitteln Großes bewirkt haben. Er hat mich nicht nur in dem Glauben bestärkt, dass Gott bei mir ist, sondern auch in meinem Glauben an mich selbst.

Damals habe ich gelernt, wie wichtig Glaube und Hoffnung sind. Wenn wir heute Menschen ermächtigen wollen, dann frage ich immer, wo der Glaube dieser Menschen liegt, woraus sie Hoffnung und Kraft schöpfen. Denn ich weiß: Hätte ich den Glauben damals in der Gefängniszelle verloren, dann hätte ich niemals diese Kämpfe überstehen können.

◉ Das Interview wird in voller Länge in der Herbstausgabe von Denken+Glauben zu lesen sein.

Die kenianische Umweltaktivistin Phyllis Omido (l.) war zu Gast im Quartier Leech in Graz.
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Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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