Muttertag
Auch einmal etwas Anderes machen

Foto: Neuhold

Erwerbsarbeit und Familienarbeit unter einen Hut zu bekommen, ist eine tägliche Herausforderung für Eltern. Wie es Müttern und Vätern dabei geht, woran sie scheitern, was gelingt und was Kinder denken – dem will diese zweiteilige Reportage auf den Grund gehen. Zum Muttertag Teil I: Mutter und berufstätig sein.
Teil II folgt zum Vatertag.

Ihr erster Sohn war gerade eineinhalb Jahre alt, als Stefanie (35 Jahre) in ihren Beruf als Religionslehrerin einstieg. „Begonnen habe ich mit einer kleinen Lehrverpflichtung, sodass ich erst mal nur zwei Tage in der Woche gearbeitet habe“, erzählt sie. Ihr Sohn war dann einen Tag bei den Großeltern und einen Tag bei einer Freundin mit Tagesmutter-Ausbildung, die selbst gerade einen Sohn im gleichen Alter hatte. Der Beweggrund, zusätzlich zur Familienarbeit erwerbstätig zu sein, lag bei Stefanie in erster Linie am Geld: „Mein Mann verdient zwar nicht schlecht, aber auf lange Sicht wäre es sich mit einem Verdienst einfach nicht ausgegangen.“

Sonja (40 Jahre) ist Mutter von drei Kindern (6, 10 und 12 Jahre). Dass sie niemals „Vollzeitmutter“ sein könnte, stand von Anfang an fest: „Ich wäre nicht glücklich. Mein Beruf macht mir Spaß und gibt mir Kraft für die Kinder zu Hause.“ Bei Kind eins und zwei machte sie parallel Ausbildungen, und als die Kinder vier und zwei Jahre alt waren, begann sie zu arbeiten. „Natürlich war ich immer nur Teilzeit angestellt. Anfangs mit ganz wenigen Stunden“, erklärt sie und gibt zu bedenken, dass Altersarmut daher hauptsächlich ein weibliches Thema sei.

Stefanies erster Sohn war knapp drei Jahre alt, da meldete sich wieder Nachwuchs an – diesmal gleich doppelt. „Als meine Frauenärztin sah, dass ich mit Zwillingen schwanger war, stellte sie mir Berufsverbot aus“, erinnert sich die an einer Volksschule tätige Religionslehrerin. Zwillingsschwangerschaften sind per se Risikoschwangerschaften. Das änderte alles. Kurz darauf hätte Stefanie eine neue Stelle antreten sollen. „Die Bürokratie war am Anfang das Mühsamste: Arbeitslosengeld beantragen, damit ich versichert bin. Dann mit einer Bestätigung von der Amtsärztin um Frühkarenz ansuchen“, erzählt die dreifache Mutter.

Das Vergleichen abgewöhnen
Auch nach den Zwillingen war klar, dass Stefanie wieder als Lehrerin tätig sein will: „Ich bin froh, dass ich die ersten Jahre bei den Kindern war, viel mitbekommen habe und genießen konnte, aber nach dem gefühlt 50. Mal Vorlesen des gleichen Buches freue ich mich schon darüber, auch einmal etwas Anderes zu machen“, erzählt sie und lacht. Doch Mutter-Sein besteht nicht nur aus Gute-Nacht-Geschichten-Vorlesen. Erwartungsdruck spüren Mütter eigentlich immer.

„Sich zu vergleichen sollte man sich als Mutter abgewöhnen“, weiß Sonja. Die Angestellte erzählt aus Erfahrung: „Du wirst als Mutter plötzlich anders behandelt.“ Das sei zwar manchmal durchaus gut gemeint, kommt aber nicht so an. Eine dreifache Mutter sollte sich im Job gar nicht so reinhängen, heißt es da. Oder mit drei Kindern würden es ja alle verstehen, wenn sie etwas nicht so gut hinbekäme. Diese vermeintliche Nachsicht bewirkt jedoch das Gegenteil, ist Sonja überzeugt: „Ich bin glücklich als berufstätige Mutter und möchte mit niemandem tauschen. Aber der Spagat, der sowieso schon da ist, wird durch diese Mutterbilder noch größer.“

Auch Stefanie berichtet von Druck, den sie als Mutter spürt: „Besonders als die Kinder noch kleiner waren, kamen Fragen, die mich einfach angestrengt haben: Wieso machst du das mit dem Stillen so? Gehen sie schon aufs Töpfchen? Oder wenn andere erzählen, was sie alles mit ihren Kleinkindern unternehmen, ins Schwimmbad gehen und vieles mehr.“ Das mache zusätzlich oft ein schlechtes Gewissen und schüre die Angst, als Mutter zu versagen. „In solchen Momenten muss ich mir aktiv Menschen suchen, wie meine beste Freundin oder meine Schwester, die mich bestärken und mir als Außenstehende zusagen, dass ich nicht alles falsch mache. Dann merke ich wieder: Es passt ja doch so.“

Mütter gehen um 20.15 Uhr spazieren
Auf die Frage, wann sie Zeit für sich habe, antwortet Stefanie prompt: „Wenn die Kinder klein sind, hast du keine Zeit für dich!“ Sie lacht und erklärt: „Im Ernst, also ‚Zeit für mich‘ heißt nicht nur, dass ich ungestört eine Dusche nehmen oder einkaufen gehen kann, sondern ins Kino gehen, zum Sport oder Freunde treffen.“ Das gehe erst, seit sie nicht mehr stillt und die Zwillinge sich daran gewöhnt haben, auch mit dem Papa einzuschlafen. Familienarbeit und Kindererziehung klappen sowieso nur gut mit ihrem Mann zusammen, ist Stefanie überzeugt.

Für Sonja ist wichtig, dass ihre Kinder ein vielfältiges Männerbild mitbekommen und lernen, dass „Papa auch alles kann“. Das sei ihr auch in ihrem Beruf eine Unterstützung: „Wenn mein Mann zu Hause bei den Kindern ist, kann ich bei der Arbeit gut abschalten, weil ich mich absolut auf ihn verlassen kann.“ Viel freie Zeit bleibt auch ihr nicht: „Aber in Ruhe arbeiten zu können, empfinde ich schon als Zeit für mich.“ Während der Pandemie traf sie sich mit Freundinnen zum Spazierengehen, als Ausgleich zum vielen Sitzen. „Kinderlose Freundinnen fragten, wieso ich abends um viertel Neun noch spazieren gehe. Mütter verstehen das!“ lacht Sonja.

Aus der Tochter-Perspektive
Sarah ist 20 Jahre alt und gerade mitten im „Matura-Wahnsinn“. Ihre Eltern sind beide berufstätig. Der Vater ist die ganze Woche auf Montage und nur wochenends daheim. Die Mutter begann eine selbstständige Tätigkeit im Verkauf, als Sarah sechs Jahre alt war. „Bei dem Job hatte meine Mutter vor allem Abendtermine. Ich kann mich schon daran erinnern, dass sie viel weg war“, erzählt Sarah. Sie hegt aber keine negativen Gefühle: „Ich war es gewohnt, dass meine Eltern viel zu tun haben. Es war selbstverständlich, dass sie nicht immer da waren.“ Sarah hat noch zwei ältere Geschwister: „Mein Bruder hat mich schulisch am meisten gepusht. Zum Beispiel wenn ich nachmittags lieber am Sofa lag, hat er gesagt: ‚Komm, mach jetzt deine Hausaufgaben.‘ Er war mein Vorbild.“

Andere Familienmodelle kennt Sarah von FreundInnen. „Man denkt bei vielen Dingen: ‚Ah, die anderen haben es besser!‘, aber im Grunde bin ich zufrieden.“ Sarah erlebte ihre Mutter zwar als eher chaotisch und immer in Eile, zugleich „war es cool, dass sie flexibel war. Wenn ich sie brauchte, war sie da!“ Heute lebt die Maturantin in einer eigenen Wohnung und schmeißt den Haushalt selbst.

„Selbstständigkeit habe ich sicher dadurch gelernt, dass meine Eltern beide gearbeitet haben. Ich habe schon früh gewusst, dass ich vieles ohne Eltern schaffen kann“, erinnert sich die 20-Jährige. Für ihre Zukunft plant sie, berufstätig zu sein, auch wenn sie einmal Kinder haben sollte. Dabei hofft sie auf einen flexiblen Beruf, bei dem sie neben den Kindern zu Hause arbeiten kann, und dass der Mann sich auch um die Kinder kümmert.
Wenn Sonja sich etwas wünschen könnte, dann, dass Care-Arbeit (Kinderbetreuung, Altenpflege …) eine höhere Wertschätzung in der Gesellschaft hätte: „Dann würde sich sicher auch strukturell etwas ändern“, ist sie überzeugt. Stefanie wünscht sich, dass die Gesellschaft mehr Respekt vor Kindern und ihren Bedürfnissen habe. Und das sollte sich auch politisch zeigen: „Es gibt Wichtigeres als eine U-Bahn oder Murgondeln in Graz. Zum Beispiel unsere Kinder!“

Katharina Grager

Einige Namen von der Redaktion geändert.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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