29. Sonntag: Pater Franz Gassner
Mission: Kulturrevolution des Dienens

Hl. Messe in der Pfarre „Our Lady Queen of Angels“ (Zur Lieben Frau der Engel) in Shun Lee, Kwun Tong, Hong Kong.  | Foto: zVg
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  • Hl. Messe in der Pfarre „Our Lady Queen of Angels“ (Zur Lieben Frau der Engel) in Shun Lee, Kwun Tong, Hong Kong.
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Wir alle haben den christlichen Glauben empfangen, von unseren Eltern, Großeltern, Paten, Pfarrgemeinschaften, Lehrern etc. Der Glaube ist kostbar. Er gibt Hoffnung und Sinn, stiftet Gemeinschaft und Orientierung, vor allem in schwierigen Zeiten, von denen unsere Welt ja so voll ist. Am Ende der heiligen Messe wird verkündet: Ite Missa Est – das heißt: „Geht als Gesandte (als Missionare) der Frohen Botschaft!“ Alle Christen sind so gesandt, die befreiende und Frohe Botschaft in den Alltag zu tragen, uns selber von ihr verwandeln zu lassen und die Welt zu verwandeln, auszurichten am Plan Gottes und seinem Reich. Aber wie geht das praktisch?

Jesus nimmt viele Mühen auf sich, seinen Jüngern „Dienstbereitschaft“ zu lehren. Immer wieder ertappt er sie – wenn er vom Zentrum seiner Mission redet, seinem Leiden, Sterben und Auferstehen –, dann träumen sie davon, „wer von ihnen denn der Größte ist“. Lange bleiben sie in alten Denkmustern verhaften. Geht es uns in unserer Kirche und Gesellschaft heute nicht genauso? Es ist herausfordernd, damals wie heute, der „Kulturrevolution Jesu“ zu folgen, seine Schlüsselkompetenz des Dienens zu erlernen und zu praktizieren: „Der Menschensohn ist gekommen, um zu dienen, nicht um sich bedienen zu lassen.“

Nein zu einem „Messias light“

Petrus lernt die Lektion, dass es einen „Messias light“ nicht gibt, nur einen realitätsbezogenen „leidenden Messias“, einen „gerechten Knecht, der die Vielen gerecht macht“ (Erste Lesung). Die Torheit des Kreuzes ist Gottes Antwort auf menschliches Machtdenken und Gewaltausübung. Das „Kreuz auf sich nehmen“ und „Dienen lernen“ bilden das Koordinatensystem des christlichen Lebens. Die Jünger damals, und die Kirche heute, brauchen sehr viel Zeit und Geduld, das zu erlernern, umzusetzen, sich der Logik des Kreuzes und des Dienens zu stellen, im „Verlieren“ zu „gewinnen,“ als „Letzte“ „Erste“ zu sein.

Die „Kulturrevolution Jesu“ des Dienens verändert alle Ebenen des Lebens und der Welt (Weltmission). Erst in China erfuhr ich, dass der Kaiser von China zweimal den Papst gebeten hatte, einen Apostolischen Delegaten (Nuntius) nach China zu schicken, um die verschiedenen Interessen der europäischen Kolonialmächte und Ordensgemeinschaften auszugleichen. Das wurde beide Male abgelehnt, nicht vom Vatikan, sondern von Frankreich. Weltlichen Interessen zu folgen war den europäischen Kolonialmächten anscheinend wichtiger, als die pastoralen und geistlichen Wirklichkeiten eines Landes ernst zu nehmen, sprich „die Menschen“ selber.

Die Folgen des „Machtstrebens“

Die Folgen dieses weltlichen „Machtstrebens“ im 19. Jahrhundert – bei dem China wie ein Kuchen aufgeteilt worden ist – bekommen wir bis heute zu spüren. Im Vertrag von Versailles 1919 wurde China schändlich behandelt, musste erleben, was es heißt, wenn Herrscher ihr Volk unterdrücken und ihre Macht missbrauchen. Die chinesische Delegation sah sich gezwungen, ohne Unterschrift abzureisen. All dies trug dazu bei, der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas 1922 in Schanghai den Weg zu bahnen, mit ihrer kritischen Einstellung zu Religion, Kirche und den Kolonialmächten.

Es gab natürlich Missionare und Bischöfe, die vorbildlich der Logik des Dienens folgten und nicht einer Logik politischer Macht. Ganz zu schweigen von den vielen Ordensschwestern, die sich aufopfernd um Kranke und um Waisenkinder kümmerten und ihnen eine Zukunft eröffneten.

Jesu erste Antwort auf die Bitte der Zebedäusjünger nach Machtposition ist eine Lektion in Sachlichkeit. Er sagt Nein zum Postenschacher! Die beiden sind sich dem Wesen ihrer Bitte und ihrer Konsequenz offensichtlich gar nicht bewusst. Nicht Er hat Positionen zu vergeben, sondern Der, der dafür zuständig ist, der Vater im Himmel. Jesu Weg und seine Schlüsselkompetenz liegen vielmehr im Gehorchen und im Dienen und das führt über Leiden und das Kreuz. Das Sonntagsevangelium stellt jeglichem Verlangen nach weltlicher Herrschaft den radikalen Dienst in der Jüngergemeinschaft (Kirche) entgegen. „Bei euch aber soll es nicht so sein!“ Streben nach Machtpositionen (z. B. Klerikalismus) ist im Grunde „antichristlich“, verrät die Werte der Frohen Botschaft.

Jesu nachfolgen heißt demnach, den Schwierigkeiten ins Auge blicken zu lernen, ihnen nicht auszuweichen, mit Gottvertrauen immer neu den Weg des Dienens und der Hingabe als christliche Antwort zu wagen, die das Kreuz und Leiden nicht scheut. Das Beispiel Jesu und das Evangelium plädieren für ein radikales Dienen als Lebenshingabe für die Vielen. Das ist die globale Medizin zur Heilung unserer Probleme und Wunden, im Kleinen wie im Großen, damals in der Urkirche und im Heute unserer Kirche des Synodalen Weges.

Hl. Messe in der Pfarre „Our Lady Queen of Angels“ (Zur Lieben Frau der Engel) in Shun Lee, Kwun Tong, Hong Kong.  | Foto: zVg
Pater Franz Gassner stammt aus Sonntagberg und ist seit 2020 Dekan der Fakultät für Religionswissenschaften und Philosophie an der St. Joseph’s Universität in Macao, einer etwa 50 Kilometer westlich von Hongkong gelegenen Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China. Der Sozialethiker ist dort seit 2012 als Professor in Forschung und Lehre tätig. Der Steyler Missionar promovierte 2013 an der Universität Wien zum Doktor der Theologie.  | Foto: zVg
Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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