Bischofsvikar P. Antonio Sagardoy
Evangelium-Kommentar zum 23. September 2023

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Werte und Akzente unserer Gesellschaft stellen uns als Christen immer wieder in Frage und möchten uns einreden, im Leben nicht zu kurz zu kommen. Mit diesem Hintergrund hören wir heute Lesungen, die die Meinung der Umwelt zu bekräftigen scheinen und unsere Glaubenshaltung aufrütteln. Was bringt es, dass ich den ganzen Tag arbeite, wenn jene, die erst am späten Nachmittag zur Arbeit kommen, den gleichen Lohn erhalten als ich? Gibt es bei Gott keine Gerechtigkeit?

Die Texte zum Sonntag sind sehr gut ausgesucht. In der ersten Lesung wird uns gesagt: Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, meine Wege nicht eure Wege. Im Evangelium hören wir das Gleichnis von den Arbeitern am Weinberg: verschiedene Arbeitszeit und doch gleiche Belohnung.

Die erste Lesung stellt uns vor die Frage: Wie denkt Gott? Was will er eigentlich, wenn er sich von uns finden lässt, uns nahe bleibt und doch andere Gedanken hat als wir? Es ist nicht leicht, die Spannung zu überwinden zwischen Vertrauen zu Gott und Alltagsleben in Beziehung zu einem Gott, der andere Wege geht als wir.
Unsere Mitmenschen zeigen nicht unbedingt Zuversicht in der heutigen Situation: Manche laufen herum mit einem traurigen Gesicht und andere versuchen oft, im Gebet Gott jene Ideen, Vorstellungen, Maßstäbe der Welt, die wir uns zurechtlegen, einzureden. Muss sich Gott unseren Gedanken und Ideen anpassen?

Es braucht Korrektur

Gott gibt uns mit dem Gleichnis im Evangelium eine klare Antwort: unsere Gedanken sind zu kleinkariert und ichbezogen. Es ist deutlich zu hören, dass unsere Art das Leben zu sehen eine Korrektur braucht.

Die Lohnbezahlung des Gutsbesitzers am Ende des Gleichnisses wirft Fragen auf. Das Gleichnis aus dem Evangelium könnte für manche frommen Ohren eine Provokation sein bei der Feststellung, dass die einen den ganzen Tag arbeiten, während andere sechs, drei oder nur eine Stunde arbeiten … und alle den gleichen Lohn bekommen.

Wir hören nicht nur die Reaktion der Arbeiter am Weinberg, sondern wir sehen in unseren Tagen Menschen, die seit ihrer Kindheit den Glauben leben und beim Lesen, dass Gott einem jeden Arbeiter einen Denar gibt, den Kopf schütteln. Haben sie nicht mehr verdient? Es gibt leider fromme Menschen, die Gott eine genaue Rechnung für ihre Glaubenseinsätze vorlegen und Ansprüche stellen und glauben, manche Vorrechte zu haben. Diese Haltung entspricht nicht der Botschaft des heutigen Sonntags.

Gott ist nicht ein Gott, der von uns primär Leistung, sondern Verfügbarkeit erwartet: unsere Gedanken sind geprägt von Leistung und Erfolg, Gottes Gedanken betonen die Verfügbarkeit des Menschen.

Barmherzigkeit und Gerechtigkeit

Je mehr ich über den Text nachdenke, desto deutlicher sehe ich den Unterschied zwischen den Wegen Gottes und unseren Wegen: Gott unterstreicht die Barmherzigkeit, wir betonen die Gerechtigkeit. Gott denkt anders, handelt anders, sieht die Menschen anders: vor Gott gilt der Mensch, vor uns aber die Leistungen oder das Versagen des Menschen. Wir sind nicht benachteiligt, wenn Gott seine Großzügigkeit auch den Menschen gegenüber zeigt, die weniger leisten als wir, den Glauben oberflächlich leben, in der Kirche selten zu sehen sind oder kein soziales Denken haben wie wir …

Es ist zu wünschen, dass die Beziehung zu Gott uns die innere Kraft gibt, uns darüber zu freuen, wenn Gott allen Menschen die Fülle des Lebens schenkt, obwohl sie weniger Zeit beten, oder seltener in die Kirche gehen. Er ist ein Gott für alle Menschen.

Zum Autor

P. Antonio Sagardoy OCD wurde 1945 in Pitillas in Spanien geboren, trat 1962 in den Karmelitenorden ein und studierte Theologie in Wien. Dort wurde er 1969 zum Priester geweiht. Seit dem Jahr 2018 wirkt der Ordenspriester in der Diözese Pölten. P. Antonio wurde im Juni von Bischof Alois Schwarz zum Bischofsvikar – zuständig für die Frauen- und Männerorden in der Diözese – ernannt.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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