2. Fastensonntag: Dr. Johann Reikerstorfer
Ermutigende Gottesnähe

Die Gebetssprache der Bibel ist nicht nur eine Jubelsprache, sondern auch eine Sprache der Klage, der Empörung und der sehnsuchtsvollen Bitte. | Foto: istockphotos/leolintang
  • Die Gebetssprache der Bibel ist nicht nur eine Jubelsprache, sondern auch eine Sprache der Klage, der Empörung und der sehnsuchtsvollen Bitte.
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Das heutige Evangelium markiert ein außergewöhnliches Ereignis auf dem Weg Jesu nach Jerusalem. Dort, im Zentrum des Judentums, wird es zur Entscheidung kommen. Jesus erahnt bereits die unausweichlichen Konflikte, in die ihn sein kompromissloses Gotteszeugnis treibt. In dieser Bedrängnis gewinnt die heutige Erzählung ihr besonderes Gewicht.

Nach dem Evangelisten Lukas nimmt Jesus drei seiner erstberufenen Jünger mit auf einen Berg, um zu beten. Und während er betete, bricht plötzlich die göttliche Welt in sein irdisches Leben ein. Er wird für Augenblicke in eine „lichtvolle Gestalt“ verklärt. Wir kennen die Lichtsymbolik religionsgeschichtlich als ein weit verbreitetes Phänomen, um erhellende Erfahrungen des Göttlichen für dunkle Zeiten auszudrücken. Ein entzückter Petrus will in dieser verwandelnden Nähe einfach verweilen und die Verklärung dingfest im Bau von Hütten fixieren. Doch eine Stimme aus der Wolke durchbricht solche Fantasien und weist voraus auf die bevorstehende Zeit der Konflikte, des Abschieds von gehegten Träumen und der zugemuteten Enttäuschungen. Auch die Jünger werden in das Dunkel göttlicher Verborgenheit gestoßen, wo sie nichts mehr verstehen und an Jesus irre werden. Da klingt die deutende Stimme wie eine Ermutigung: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe, auf ihn sollt ihr hören.“

Glaube kann nicht folgenlos bleiben

Genauer besehen will die so gedeutete Erscheinung unsere menschliche Vorstellungswelt in die Schranken weisen und im Dunkel ihres Zerbrechens zur Glaubenstreue ermutigen. Die Gemeinschaft mit Jesus soll das Profil praktischer Bewährung gewinnen. Das ist der Preis, der uns Christen bis heute zugemutet ist. Nur ein Glaube, der das Leben nicht einfach folgenlos überwölbt, sondern praktisch-verändernd in es eingreift, darf auch die großen Verheißungen Jesu für sich erhoffen.

Dieser Weg in die zugemutete Bewährung wird im Garten Gethsemane überdeutlich. Jesus fällt blutüberströmt zu Boden, er hat Angst: „Vater lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Doch nicht mein Wille geschehe, sondern der deine.“ Wieder hat Jesus dieselben drei Jünger wie damals zum Gebet mitgenommen. Diesmal jedoch schlafen sie ein. Sie können nicht wachen, nicht wachsam sein, nicht die Herausforderung der andrängenden Situation wahrnehmen und ihr standhalten.

Im Gebet kann man Gott alles sagen, auch dass uns der Glaube manchmal schwerfällt - wenn man es nur ihm selbst sagt.

Gibt es nicht auch für uns Zeiten, wo uns Ängste und Zweifel befallen oder sich allzu viel Gewohnheit breitmacht, die uns abnützt und verbraucht? Es schmerzt, wenn unsere Kirche sich in Skandale und ärgerliche Zwistigkeiten verstrickt. Zudem wird unser Glaube durch viele Gegenerfahrungen unserer Zeit verdunkelt. Wenn man Tag für Tag das himmelschreiende Unrecht und die Verlogenheit der Mächtigen erfährt, mag man als Christ manchmal heulen und an der Verborgenheit Gottes leiden. Herr, wo bleibst du mit deiner Verheißung, warum spüren wir so wenig von deiner zugesagten Nähe? Warum? Vielleicht haben wir Christen vergessen, dass die Gebetssprache der Bibel nicht nur eine Jubelsprache ist, sondern auch eine Sprache der Klage, der Empörung und der sehnsuchtsvollen Bitte. „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“ (Ps 130). Im Gebet kann man Gott alles sagen, auch dass uns der Glaube manchmal schwerfällt – wenn man es nur ihm selbst sagt. Wer so beten kann, dem ist Gott bereits nahegekommen.

Wir alle brauchen Ermutigungen zum Gehen, zum entschlossenen Weitergehen und Durchhalten, weil man auf dem Weg auch stolpern und stürzen kann. Immer unentbehrlicher wird uns heute das Zeugnis anderer Christinnen und Christen, die mit ihrem unerschrockenen Glaubensmut den Widerstand gegen ein verbürgerlichtes, ein allzu gemütliches, in sich verliebtes Christentum schärfen und den Preis gelebter Nachfolge auch von uns einfordern. Jeder kennt Namen von Menschen, denen man die Verheißungen des Glaubens eher zutraut als sich selbst. Sie sind uns Stütze im Augenblick großer Gefahr.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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