27. Sonntag: P. Hans-Peter Reiner
Eine Kultur der Freude
Ein Weinberg ist eine typische Monokultur, angelegt, um über Jahrzehnte hinweg eine einzige Frucht hervorzubringen: Wein. Alles im Weinberg ist darauf angelegt, einen reichlichen Ertrag dieser Frucht zu bekommen. Die Mühen der Winzer fallen mit der Zielsetzung der Anlage zusammen, möglichst viel guten Wein zu erhalten. Wein trinkt man, weil er gut schmeckt, weil er das beschwerte Herz erleichtert, weil er hilft, dass Menschen zusammenkommen und eine gute gemeinsame Zeit verbringen. Wein macht Freude. Um es kurz zu sagen: Ein Weinberg ist eine Monokultur mit dem Ziel, Freude hervorzubringen. Die Rede vom „geliebten Weinberg“ bringt unter anderem zum Ausdruck, wie sehr sich Gott wünscht, Freude zu schenken. Gott erwählt Menschen und sogar ein Volk, um eine Kultur der Freude anzulegen. Wie tragisch, dass die Winzer, die dieser Kultur dienen, nicht in der Lage sind, am Ende den Ertrag abzugeben.
Freude kommt vom Frieden. Es ist eine Erfahrung, dass sich Freude nicht notwendig einstellt, wenn mein Wünschen erfüllt ist.
Freudig sind wir, wenn wir etwas bekommen oder haben, was uns guttut, was uns und unseren Wünschen entspricht. Ja, schon die Erwartung einer solchen Erfüllung weckt in uns Freude. Ich meine, die Erfahrung der Freude zeigt uns vor allem drei Dinge:
1. Freude kann wachsen in der Intensität und Dauer. Es ist eine echte Freude, wenn ich ein gutes Wiener Schnitzel essen kann, erst recht, wenn ich es ausnahmsweise hier in Kasachstan bekomme. Die Freude hält nicht sehr lang an und sie geht nicht viel tiefer als die Geschmacksnerven zulassen.
Größer und länger ist die Freude, wenn ich beim Essen des Schnitzels in froher Runde mit meinem Mitbruder und lieben Gästen ein gutes Gespräch führe. Diese Freude geht ins Herz und in den Kopf und hallt manchmal noch lang nach. Noch größer ist die Freude, wenn ich nach langer Abwesenheit einfach Zeit mit meiner guten Mutter verbringen kann. Interessanterweise ist diese größere Freude für mich schwerer zu beschreiben. Zuletzt: Wenn ich daran denke, dass ich hoffen darf, einmal und für immer mit unzählbar vielen Menschen die Gegenwart Gottes verkosten zu können, entsteht in mir ein Begreifen von dem, was das Wort von der „ewigen Glückseligkeit“ sagen will.
2. Freude kommt vom Frieden. Es ist eine Erfahrung, dass sich Freude nicht notwendig einstellt, wenn mein Wünschen erfüllt ist. Nur Befriedigung des Appetits macht keine Freude. Das hat etwas mit einer Ordnung in den Dingen zu tun. Wenn ich das Ersehnte außerhalb oder gegen eine den Dingen innewohnende Ordnung bekomme, z. B. wenn ich es stehle oder „erlüge“, macht mir das keine Freude, obwohl es den Wunsch befriedigt. Größere Freude wird manchmal mit Verzicht, mit einem „Nicht-Bekommen“ einer kleineren Freude gewonnen.
3. Freude betrifft den ganzen Menschen, sinnlich-emotional, geistig und geistlich. Es ist für mich ein Ausdruck der Gesundheit und Reife einer Person, alle drei Wirklichkeiten im eigenen Erleben von Freude zu finden.
Der wiederholte Blick auf Jesus hilft uns, die Spannungen dieses Lebens, Unverständnis, Kreuz und Leid anzunehmen.
Und ich meine, genau hier kommt der gesandte Sohn des Besitzers des Weinbergs ins Spiel. Wir sind nämlich nicht ganz gesund und wir brauchen jemanden, der unsere Freude heilt und heimholt zu Gott. Jesus, Gott und Mensch zugleich, dem es eine Freude ist, mit den Menschen zu sein, der die Seinen in Wahrheit liebte, der verworfen und gekreuzigt wurde, auferstand und als Gott und Mensch mit seinem verklärten Leib im Himmel ist. Wir glauben, dass eine Kultur der Freude nur mit Jesus zu ihrem Ziel gelangen kann. Das gilt für den Einzelnen wie für die Gemeinschaft.
Das Evangelium vom heutigen Sonntag spricht nicht nur von den Winzern, die den Sohn ablehnten. Es spricht auch vom verworfenen Stein, der zum Eckstein wird. Das ist tröstlich. Wir stellen sowohl in uns als auch in der Gesellschaft sich widerstrebende Bewegungen, ja sogar Strukturen fest. Es ist die Aufgabe des Ecksteines, das Auseinanderlaufende zu verbinden und so einen Raum aufzuspannen. Der wiederholte Blick auf Jesus, den Verworfenen und Gekreuzigten, hilft uns, die Spannungen dieses Lebens, Unverständnis, Kreuz und Leid anzunehmen. So wird in unserem Leben immer mehr Raum für die Barmherzigkeit Gottes.
Mission bedeutet, von ganzem Herzen allen Menschen und Kulturen wahre Freude zu wünschen, die nur mit Jesus im Mittelpunkt möglich ist.
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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