17. Sonntag: H. Ulrich Damböck
Aufdringlich und eindringlich beten

Gott weiß, was wir brauchen, noch ehe wir ihn bitten – und doch lehrt Jesus die Jünger, Gott geradezu aufdringlich zu bitten, zu allererst darum, dass sein Reich komme.
 | Foto: Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani/KNA
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  • Gott weiß, was wir brauchen, noch ehe wir ihn bitten – und doch lehrt Jesus die Jünger, Gott geradezu aufdringlich zu bitten, zu allererst darum, dass sein Reich komme.
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Damals wie heute ist ein großes Problem des Glaubens das Gebet. Dies betrifft vor allem die Frage, wie das Gebet angegangen werden soll. Genau das haben damals die Jünger Jesus gefragt: Wie sollen wir beten? Sie wollten, dass der Herr sie beten lehrt, wie schon Johannes der Täufer seine Jünger beten gelehrt hat.

Die grundsätzliche Frage beim Gebet ist schon einmal: Welches Bild von Gott habe ich, wenn ich mich im Gebet an ihn wende? Und da rumort bewusst oder unbewusst ein sehr falsches Gottesbild in unseren Köpfen. Ich meine damit die Vorstellung vom Herrgott als eine Art von „himmlischem Beamten“, der in seinem überirdischen Büro die eingegangene menschliche Gebetspost bearbeitet und je nach Penetranz und Würdigkeit des Beters sein Anliegen mit einem positiven oder negativen Bescheid beantwortet, indem er Taten sprechen lässt. Eine derartige Vorstellung vom Gebet als „förmlichem Antrag“ birgt die Gefahr in sich, dass vehemente Glaubenszweifel nach augenschein­licher Nichterhörung auftauchen, weswegen das Gebet oft gleich ganz unterlassen wird.

Der Wert des Gebetes

Hängt der Wert eines Gebetes ab von der tatsächlich wörtlichen Erfüllung der jeweiligen Inhalte? Sehen wir doch auf das Beispiel der Lesung: Abraham feilscht mit Gott um Sodom und Gomorrha. Nun könnte man daraus den Schluss ziehen, dass Gott mit sich handeln lässt. Dies würde aber letztlich ein sehr naives Gottesbild voraussetzen. Besser ist es, auf den Kern des Bildes zu achten, nämlich die Hartnäckigkeit im Gebet. Wer beharrlich im Gebet ist, wird auch die Früchte des Gebetes spüren, ohne dass uns deswegen das Bild eines quasi um den Finger gewickelten Gottes in den Blick kommen muss.

Eine allzu buchstäbliche Wörtlichkeit dieser Vorstellung bringt definitiv die kritische Jugend vom Glauben ab und kann beim besten Willen nicht die Kernaussage unseres heutigen Gottesbildes sein. Wir brauchen uns keine Gedanken darüber machen, wie Gott handeln soll, denn er „weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet“ (Mt 6,8).

Es muss uns klar sein: Gott, der Vater Jesu Christi und unser aller Vater, ist ein Gott, der weiß, was für den Menschen das Beste ist und der dabei nicht auf unsere Bitten angewiesen ist. Freilich macht das dann die Frage nur umso virulenter. Warum also beten?

Das Herz öffnen

Der springende Punkt dabei ist der Umstand, dass Gott seinen Willen dem Menschen ja nicht einfach aufdrücken will wie ein Beamter seinen Stempel aufs Papier, sondern auf die partnerschaftliche Mitarbeit des Menschen wartet, dass der Mensch sich und sein Herz für Gott öffnet, so dass der göttliche Wille, der immer schon derselbe ist, über den Menschen in die Welt hineinfließen kann. Es geht also im Gebet nicht darum, dass der Mensch Gott seinen Willen aufdrückt, sondern vielmehr darum, dass er sich Gott öffnet, dass er sich offen macht für den Willen Gottes, um quasi zum Ventil des göttlichen Willens zu werden, so dass das Gebet in diese Welt hereinweht.

Dies schließt natürlich nicht aus, dass wir konkrete Anliegen vor das Angesicht Gottes tragen, aber ohne dass damit gleich ein Druck auf Gott ausgeübt wird, er möge doch unbedingt dieses oder jenes Anliegen erfüllen.
Im Vaterunser werden drei Dimensionen des Gebetes angesprochen: Zum einen, dass Gottes Wille geschehe! Dazu gehört auch die Bitte an den Vater, dass sein Name geheiligt werde und dass sein Reich komme. Die gemeinsame Maxime besteht darin, dass es gilt, beim Gebet sich selbst zurückzustellen und wieder zu öffnen für den ursprünglichen Willen des Schöpfers. Das Gebet will dazu beitragen, dass Gottes Wille irgendwo und irgendwie ein Stück weit zum Durchbruch gelangt, auch wenn dies oft nicht genau so geschieht, wie es den Vorstellungen des Beters entspricht. Ohne Gebet wäre es noch schlimmer gekommen. Das Gebet als menschliches Ventil des göttlichen Willens wirkt dann auch durch die Mauer der Sünde hindurch.

Mit deutlichen Worten ruft uns Jesus im Gebet zur Aufdringlichkeit, also zum eindringlichen Appell, nicht locker zu lassen.

Zweitens legt uns Jesus ans Herz, sehr wohl auch die Dinge im Gebet anzusprechen, die materiell geprägt sind. Dies ist ausgedrückt in der Bitte „Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen!“ Und drittens gibt es eine soziale Dimension des Gebetes, welches dazu beitragen soll, dass Menschen barmherzig und versöhnend miteinander umgehen: „Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist.“

Abschließend macht das Vaterunser mit der Formel „und führe uns nicht in Versuchung“ deutlich, dass alle drei Bereiche immer wieder auch von Versuchungen geprägt sind, die den eigentlichen Gebetsanliegen zuwiderlaufen.
Ganz nebenbei möchte ich darauf hinweisen, dass über die Formulierung „Führe uns nicht in Versuchung“ seit Jahren eine intensive Diskussion in vielen Ortskirchen läuft. Manche Ortskirchen wie etwa die französische haben sich bereits zu einer Umformulierung entschlossen, die etwa lautet: Lass uns nicht in Versuchung geraten. Diese andere Übersetzung ist vom Urtext her durchaus möglich. Auch dürfte sie wohl die Intention Jesu besser wiedergeben, da es ja eigentlich nicht sinnvoll ist, Gott, um etwas zu bitten, was er ohnehin nicht tut; denn es ist ja nicht Gott, der in Versuchung führt, wie uns der Jakobusbrief in Jak 1,13 deutlich macht.

Mit deutlichen Worten ruft uns Jesus im Gebet zur Aufdringlichkeit, also zum eindringlichen Appell, nicht locker zu lassen. Seine drastischen Beispiele, etwa vom Eindringen in der Nacht, rufen uns auf, im Gebet nicht nach­zulassen, im Bewusstsein darum, dass jedes Gebet Früchte bringt, auch wenn es manchmal nicht exakt diejenigen sind, die wir vielleicht persönlich erwartet hätten.

Gott weiß, was wir brauchen, noch ehe wir ihn bitten – und doch lehrt Jesus die Jünger, Gott geradezu aufdringlich zu bitten, zu allererst darum, dass sein Reich komme.
 | Foto: Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani/KNA
H. Mag. Ulrich Dambeck can.reg. | Foto: zVg
Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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