Domkapellmeister Valentin Kunert im Interview
„Der Himmel hängt voll Geigen“
Das Festival „Musica Sacra“ wartet in diesem Jahr mit einem Programm der besonderen Art auf. Domkapellmeister Valentin Kunert, der heuer erstmals die Intendanz innehat, erzählt im Interview über neue Akzente in der Programmauswahl, neue Spielorte und seinen Zugang zur sakralen Musik.
Das Festival „Musica Sacra“ steht 2024 erstmals unter Ihrer künstlerischen Leitung. Auf welche Schwerpunkte dürfen sich die Hörer und Hörerinnen in dieser neuen Ära besonders freuen?
Valentin Kunert: Ein Festival-Charakter lebt am meisten davon, dass die Ausrichtung in den Konzertinhalten sehr vielseitig ausfällt. Mit der sakralen Musik haben wir eine extrem große Fülle an Möglichkeiten: Mit Wahl des Themas, der Epoche, der Gattung, der Instrumentierung und Besetzung sind unterschiedlichste Komponenten gegeben, die gut kombiniert sein sollten. Einen oder mehrere Schwerpunkte, der die kommenden Jahre bestimmen könnte, würde ich daher eher außen vor lassen und mich gern jedes Jahr neu einlassen auf die Ideen.
Das diesjährige Festival stellten Sie bereits im Vorfeld unter die Frage, ob es eine Trennlinie zwischen sakraler und weltlicher Musik gäbe. Neben einigen „klassischen“ kirchenmusikalischen Werken stehen dieses Mal auch Werke auf dem Programm, die man nicht sofort der geistlichen Musik zuordnen würde. Wo sehen Sie etwa bei Werken für Glasharmonika-Duo oder einer Mahler-Symphonie den Zusammenhang zur geistlichen Musik?
Kunert: Für jeden Konzertbesuch kann man sich als Zuhörer die Frage stellen, inwieweit jedes Hörerlebnis eine spirituelle Erfahrung ist. Dies kann man nur ganz persönlich für sich herausfinden. Die Glasharmonika und das Verrophon sind für uns heute eher „Exoten“ unter den bekannten Instrumenten. Das war nicht immer so: Zu Mozarts Zeit ist die Glasharmonika mit ihrer besonderen Klangfarbe ein deutlich bekannteres Instrument gewesen, als das heute der Fall ist. Das fünfte Konzert des Festivals „Illuminating Sound“ des Wiener Glasharmonika-Duos bietet einerseits Original-Kompositionen z. B. von Mozart und andererseits Bearbeitungen geistlicher Musik von Hildegard von Bingen bis Arvo Pärt.
Für jeden Konzertbesuch kann man sich als Zuhörer die Frage stellen, inwieweit jedes Hörerlebnis eine spirituelle Erfahrung ist. Dies kann man nur ganz persönlich für sich herausfinden.
Das sechste Konzert „Der Himmel hängt voll Geigen“ bildet mit Gustav Mahlers vierter Sinfonie und Max Bruchs vertontem jüdischem Gebet „Kol nidrei“ den Abschluss des diesjährigen Festivals. Alles in der Sinfonie zeigt auf den letzten Satz hin, in dem ein Orchesterlied erklingt, welches uns vom paradiesischem Treiben erzählt und den Titel „Der Himmel hängt voll Geigen“ trägt. Das Lied ist keineswegs nur die naiv-kindliche Schilderung einer Paradies-Atmosphäre, der nichts anderes darstellt als eine Art Schlaraffenland. Vielmehr zeigen besonders die ersten drei Sätze mit teils musikalisch-kontrastierenden Spannungselementen die Gegensätze zwischen Irdischem und Himmlischem, zwischen Tod und Paradies auf. Der Schlussteil des vierten Satzes wird dabei zu einer Apotheose der Himmelsmusik. Gustav Mahlers vierte Sinfonie braucht nicht viele Worte, um außerhalb des geistlichen Kontextes die Sinnfrage des Lebens zu stellen.
Am Beginn von „Musica Sacra“ 2024 steht das Oratorium „König David“ von Arthur Honegger. Der Psalmist König David gilt ja gewissermaßen als Inbegriff des musikalischen Gotteslobes. Gleichzeitig war sein Leben durchaus turbulent. Welche Bedeutung sehen Sie in ihm für die Kirchenmusik?
Kunert: Die Psalmen, die auf König David als Verfasser zurückgehen, sind bis heute Zentrum des jüdischen und christlichen Gebetes. Gleichzeitig bilden sie die textliche Grundlage für die sakrale Musik, woraus sich ein musikalischer Kosmos über Jahrtausende entwickeln konnte. Ohne sie wäre die Reichhaltigkeit der kirchenmusikalisch geschaffenen Kompositionen von der Gregorianik bis ins Heute undenkbar. So darf mich sich David gerne als „ersten Kirchenmusiker“ und Begründer der Kirchenmusik vorstellen, wenn er am Hof des Königs Saul selbst die Harfe spielte und dazu die Psalmen sang.
Arthur Honegger ist vor allem als Bühnen- und Filmkomponist bekannt. Wie viel ist davon in „König David“ zu bemerken?
Kunert: Dem französisch-schweizerischen Komponisten Arthur Honegger gelingt mit dem Oratorium „König David“ Anfang der 1920er Jahre der kompositorische Durchbruch. Die Musik des Werks versetzt einen bereits im Vorspiel durch Klangfarben und die Instrumentierung an den orientalischen Schauplatz, wo die turbulente Lebensgeschichte des Königs David erzählt wird.
Die Psalmen König Davids bilden die textliche Grundlage für die sakrale Musik. So darf man sich David gerne als „ersten Kirchenmusiker“ vorstellen.
Die Verzahnung zwischen Erzählung – im Eröffnungskonzert am 8. September wird Schauspieler Karl Markovics diese Rolle übernehmen – und Musik schafft eine kraftvolle Spannung und einen dramaturgischen Bogen, was man teils in anderen großen Oratorien lange vermisst.
Erstmals gibt es in diesem Jahr ein eigenes Programm für Kinder. Wie kann man in der heutigen Zeit bei jungen Menschen das Interesse für klassische bzw. sakrale Musik wecken?
Kunert: Ein Konzert für Kinder im Programm zu haben, ist uns ein besonderes Anliegen. Biblische Geschichten lassen sich in musikalischer Form sehr gut vermitteln. In der Kombination entsteht die Möglichkeit, einerseits ein biblisches Thema zu erzählen und gleichzeitig „prominente“ Kirchenmusik Kindern nahe zu bringen.
In diesem Jahr erleben die Kinder die Geschichte um den Bau der Arche Noah verknüpft mit Musik von Johann Sebastian Bach in Form eines Orgel-Erzähltheaters.
Erstmals ist damit auch ein neuer Spielort in das Festival integriert. Das Konzert findet im schönen Festsaal des Konservatoriums für Kirchenmusik statt. Hierzu sind natürlich auch Begleitpersonen wie Eltern und Großeltern der Kinder herzlich willkommen.
MUSICA SACRA-PROGRAMM
8. Sept., 18 Uhr: „König David“ – Arthur Honegger; Eröffnungskonzert im Dom St. Pölten. Mit: Domkantorei St. Pölten, Momentum Vocal Music, Johann-Strauß-Ensemble, Karl Markovics, Christina Gansch, Marie Seidler, Bernhard Berchthold, Valentin Kunert.
14. Sept., 19.30 Uhr: „Nah dran“; Violoncello-Solokonzert im Dormitorium Stift Lilienfeld. Mit: Matthias Bartolomey.
15. Sept., 10 Uhr: Messe in C nach „Cosi fan tutte“ – W. A. Mozart; Gottesdienst in der Stiftsbasilika Lilienfeld.
15. Sept., 18 Uhr: „Bruckner & Schmidt jubilieren“; Orgelkonzert in der Prandtauerkirche St. Pölten. Mit: Domorganist Balthasar Baumgartner (Osnabrück).
15. Sept., 10.30 Uhr: „La Messe de Nostre-Dame“ – Guillaume de Machaut; Gottesdienst im Dom St. Pölten. Mit: Momentum Vocal Music, Simon Erasimus.
20. Sept., 9.30 und 11 Uhr, 21. Sept., 11 Uhr: „Johann Sebastian & die Arche Noah“; Kinderkonzert im Konservatorium für Kirchenmusik St. Pölten. Mit: Wolfram Becker, Daniel Tepper.
21. Sept., 18.30 Uhr: „Illuminating Sound“: Das Wiener Glasharmonika-Duo; Konzert in der Stiftskirche Herzogenburg. Mit: Christa und Gerald Schönfeldinger.
22. Sept., 9.30 Uhr: Orgelmesse: Stiftsorgel der Firma Hencke; Gottesdienst in der Stiftskirche Her-
zogenburg. Mit: Johannes Zimmerl, Vokalensemble.
22. Sept., 18 Uhr: „Der Himmel hängt voll Geigen“ – Gustav Mahler, Max Bruch; Abschlusskonzert im Dom St. Pölten. Mit: Johann-Strauss-Ensemble, Christina Gansch, Matthias Bartolomey, Valentin Kunert.
Alle Infos zu den Tickets: https://www.festival-musica-sacra.at/karten/
Ermässigungen
− 50%: Schüler, Studenten
− 10 % Ö1 Club-Mitglieder
Nur eine Ermäßigung pro Ticket möglich.
Vorverkauf
Buchhandlung Schubert
Wiener Straße 6
3100 St. Pölten
Tel. 02742 / 35 31 89-0
Stift Lilienfeld
Pforte/Klosterrotte 1
3180 Lilienfeld
Stift Herzogenburg
Klosterladen/Prandtauer Ring 2
3130 Herzogenburg
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0677 / 6127 4462
Bis 1 Woche vor Konzerttermin möglich.
Autor:Felix Deinhofer aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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