Interview & Gewinnspiel
Buch über Rottenschlager: „Er wollte etwas verändern“

Das Buch von Karl Vogd über Charly Rottenschlager wurde am 14. November in der Emmausgemeinschaft präsentiert. Auf dem Foto (v. l.): Mag. Karl Rottenschlager, Mag. Karl Vogd und Dr. Walter Fenninger. Der langjährige Wegbegleiter von Rottenschlager moderierte die Buch-Präsentation.    | Foto: Wolfgang Zarl
  • Das Buch von Karl Vogd über Charly Rottenschlager wurde am 14. November in der Emmausgemeinschaft präsentiert. Auf dem Foto (v. l.): Mag. Karl Rottenschlager, Mag. Karl Vogd und Dr. Walter Fenninger. Der langjährige Wegbegleiter von Rottenschlager moderierte die Buch-Präsentation.
  • Foto: Wolfgang Zarl
  • hochgeladen von Kirche bunt Redaktion

Der Germanist und Historiker Mag. Karl Vogd hat über Emmaus-Gründer Mag. Karl Rottenschlager ein Buch geschrieben – „Der Traum von Emmaus“. „Kirche bunt“ bat den Autor und die „Hauptfigur“ Karl „Charly“ Rottenschlager zum Interview.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Buch über Karl Rottenschlager zu schreiben?
Karl Vogd: Das hat mit meinem Leben zu tun. Ich habe vor fünf Jahrzehnten als Halbwüchsiger Karl Rottenschlager kennengelernt. Wir waren eine Jugendgruppe, die Propst Maximilian Fürnsinn, damals noch Kaplan, in Herzogenburg gegründet hat, und er wollte uns immer interessante Leute präsentieren. Einer davon war Karl Rottenschlager, der Sozialarbeiter in der Jusitzanstalt in Stein war und uns von seinen Tätigkeiten erzählte. Das hat mich beeindruckt. Ich war 17 oder 18 – Karl war zwar nur acht Jahre älter, aber für mich war er ein Erwachsener und er hat mich tief beeindruckt. Später erst habe ich verstanden warum: Er hatte eine Vision und er wollte etwas verändern.

Und wann wurde das Buch-Projekt konkret?
Vogd: Ich habe Geschichte und Deutsch studiert und diese Fächer unterrichtet, aber nebenbei war ich immer wieder journalistisch tätig. Mein erster Artikel war über die Emmaus-Gemeinschaft, und später folgten weitere Beiträge. So habe ich den Werdegang von Karl Rottenschlager und Emmaus über die Jahrzehnte verfolgt. Als ich dann in Pension gegangen bin, habe ich nach einer Aufgabe gesucht. Ich wollte eine Biografie und als Historiker eine historische Darstellung abliefern. Mir schien Karl Rottenschlager dafür die richtige Person. Als ich ihn darauf angesprochen habe, war er zuerst nicht so begeistert davon.

Warum wollten Sie nicht, dass jemand über Sie eine Biografie schreibt?
Rottenschlager: Ich bin gegen jeden Personenkult. Dann aber dachte ich mir: Wenn es der Sache dient und wenn das Buch dazu beiträgt, zu verstehen, warum es Emmaus braucht, dann stimme ich zu. Mir war wichtig, dass der Strafvollzug und die damals so wichtige und heute noch immer aktuelle Strafvollzugsreform dokumentiert werden. Die Einstellung der Bevölkerung war – und ist auch zum Teil heute noch so – dass es Vorurteile gegen haftentlassene Menschen gibt. Fünfmal habe ich, als ich einen Platz für Emmaus gesucht habe, gehört: Eine tolle Sache, aber bitte nicht bei uns.

Das Wichtigste war und ist, dass jeder Mensch bei Emmaus die Erfahrung macht: Ich werde geliebt!

Wie war dann die Arbeit am Buch?
Vogd: Mit den Arbeiten habe ich im Jahr 2020 angefangen. Es ging vor allem darum, Weggefährten, Schulfreunde, Familienmitglieder, Mitarbeiter und -begründer zu interviewen. Ich habe natürlich auch alles durchgeschaut, was an Geschriebenem da ist, also die Emmaus-Rundbriefe, die Bücher von Karl und der Emmausgemeinschaft. Und ich habe über den Strafvollzug in Österreich recherchiert – das war gar nicht so einfach, weil das eine sehr intransparente Welt ist. Ich hatte schon den Eindruck, dass man da niemanden reinschauen lassen will. Tatsächlich wird in Österreich kaum über den Strafvollzug berichtet. Ein Sozialarbeiter hat mir sehr geholfen und mich unterstützt, Zugang zu den Archiven zu bekommen. Alles in allem habe ich mit 95 Menschen gesprochen – diese Gespräche habe ich als bereichernd und als schönes Geschenk erlebt.

Haben Sie das Werden des Buches begleitet?

Rottenschlager: Ich habe einige Tipps gegeben oder Ansprechpartner genannt, aber alles andere hat Karl Vogd in Eigenregie gemacht. Erst zum Schluss habe ich hineingelesen, da ging es dann um Detailfragen, in welchem Jahr z. B. die Justizreform war. Aber inhaltlich hatte ich null Einfluss.

Die Arbeit an einem solchen Buch macht ja auch etwas mit einem. Was hat es mit Ihnen gemacht?

Vogd: Auf jeden Fall. Ich meine, dass sich die intensive Auseinandersetzung mit der Person Karl Rottenschlager und seinem Leben positiv auf mich ausgewirkt hat. Seine Persönlichkeit, seine Nächstenliebe, sein Gottvertrauen haben auf mich einen großen Eindruck gemacht. Er ist zu einer Art von älterem Bruder geworden, der mir etwas voraus hat. Mich haben auch seine Geschicklichkeit und die Hartnäckigkeit beeindruckt, mit der er seine Visionen vorantreibt. Ich habe mich lange mit der Frage beschäftigt, warum er die Leute so anzieht. Ich denke, dass das auch etwas mit dem Mut und der Größe zu tun hat, die hinter seinem Handeln stehen. Damit kann er andere gewinnen und überzeugen. Er ist ein pragmatischer Visionär – das herauszufinden, war sehr spannend. Das Arbeiten an diesem Buch hat mich persönlich weitergebracht und mir neue Wege erschlossen, wie ich besser und, ja, auch glücklicher leben kann, indem ich versuche, für andere etwas zu tun.

Und was sagt Rottenschlager zu so einem Resümee?
Rottenschlager: Ich bin ja nur Werkzeug. Meine Berufung ist es, Präsenz zu leben, dann entsteht ohnehin etwas. Und ohne die Weggemeinschaft mit Christus in der Mitte wäre das alles nicht möglich gewesen, da meine ich die Weggemeinschaft in der Gebetsgruppe, im Betrieb, im Wohnbereich etc. Das Wichtigste war und ist, dass jeder Mensch bei Emmaus die Erfahrung macht: Ich werde geliebt! Die selbstlose Liebe – das wirkt Wunder und das ist auch ansteckend. Mir ging es immer darum, den Menschen radikal anzunehmen.

Ist Ihnen das immer leicht gefallen?

Rottenschlager: Nein, nie. Auf gut Wienerisch geht dir jeder zweite oder dritte auf den Zaga. Da gibt es Fehlverhalten, wo man sagt: So geht das nicht! Die Grundprägung unserer Gäste ist oft katastrophal, die meisten waren als Kinder im Heim, viele lebten auf der Straße, waren spiel- und/oder drogensüchtig, landeten im Gefängnis – und an diesen Orten wurden destruktive Verhaltensmuster einstudiert. Bei Emmaus wollen wir alternative Verhalten trainieren und das kostet viel Kraft. Hier gelten Regeln, dazu gehört, dass man arbeits- und therapiewillig ist und dass man auf jede Art von Gewalt, aber auch auf Drogen oder Alkohol verzichtet. Wichtig ist uns auch das versöhnte Miteinander von Nationen, Kulturen und Religionen. Wir haben die Welt im Kleinen im Haus. Seit es Emmaus gibt, hatten wir in unseren Einrichtungen über 15.000 Menschen aus 65 Nationen. Bei Emmaus geht es darum, dass der Betreffende weiß, dass man seine Taten nicht gutheißt, aber dass er als Mensch geliebt und angenommen ist. Ein Kripochef sagte einmal zu mir: „Ah Sie sind der, der jedem eine zweite, dritte oder vierte Chance gibt.“ Das ist die schönste Definition für Emmaus. Das ist nichts Heroisches, sondern etwas Elementares, das man eigentlich mitkriegt, wenn man ein intaktes Elternhaus hat. Dieses Angenommensein wie in einer Familie wird in Emmaus nachgeholt, viele unserer Bewohner erleben das bei uns zum ersten Mal.

Sie haben so viel bewirkt in Ihrem Leben. Was ist Ihr Rezept für ein glückliches und glückendes Leben?
Rottenschlager: Es ist einfach, aber revolutionär: Du bist von Ewigkeit her geliebt, um selber grenzenlos lieben zu können. Für uns Christen hat Gott einen Plan der Liebe, für uns geht es dann darum, dass wir selber lieben – mit all unserer Begrenztheit.

Herr Vogd, wie sehen da Ihre Erkenntnisse aus?
Vogd: Das ist jetzt nichts radikal Neues. Ich denke, wir sollen uns vor den Aufgaben, die uns das Leben stellt, nicht wegducken, sondern den Mut haben, diese anzunehmen. Das ist nicht immer angenehm, aber im Rückblick ist man froh, dass man so gehandelt hat. Ich meine auch, dass man kein verbrieftes Recht auf ein Glück hat, das uns einfach in den Schoß fällt. Man muss sich schon bemühen und etwas dafür tun. Karl Rottenschlager hat den Mut gehabt, etwas Neues anzufangen und er hat auch das Risiko in Kauf genommen, zu scheitern. Wie entscheidend Mut und Bereitschaft zur Wahrnehmung der eigenen Verantwortung sind, ist mir durch die Arbeit an diesem Buch erneut klar geworden.
Interview: Sonja Planitzer

Emmaus, Buch, Gewinnspiel

Karl Vogd beschreibt den Werdegang von Emmaus-Gründer Karl Rottenschlager, der im „Scherbenviertel“ von St. Pölten in den 1980er-Jahren die Emmaus-Gemeinschaft aufzubauen begann. Der Theologe und Sozialarbeiter hatte in der Justizanstalt erkannt, wie schwierig ein Neustart für die Haftentlassenen war. Die Gemeinschaft umfasst mittlerweile vier Wohnheime, drei Notschlafstellen, zwei Tageszentren und vier Betriebe, die den Einstieg in den Berufsalltag erleichtern sollen. Rottenschlager ist zudem Gründer des Sozialmarktes für Personen mit geringem Einkommen.

„Der Traum von Emmaus“ – ein Leben für haftentlassene und benachteiligte Menschen. Von Karl Vogd, erschienen im Tyrolia Verlag, 216 Seiten, ISBN 978-3-7022-4214-5; € 25,–; Auch als E-Book erhältlich, ISBN 978-3-7022-4237-4, € 19,99.

Gewinnspiel: Wir verlosen 2 Bücher „Der Traum von Emmaus“. Einsendungen mit dem Titel des Buches sowie Namen und Adresse des Einsenders bis 16. Dezember an: Kirche bunt, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten, bzw. an gewinnspiel@kirchebunt.at.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ