Internationale Pädagogische Werktagung in Salzburg
Lernen ist ein Kinderspiel
Der Mediziner Oskar Jenni erforscht das kindliche Spielen und stellt fest: Wann und wie Kinder spielen, lässt einen Rückschluss auf die Entwicklung des Kindes, das Potenzial sowie auf Über- oder Unterforderung zu.
Der dreijährige Samuel und sein fünfjähriger Bruder Elias verbringen einige Tage am Meer. Sie lieben es, im Sand zu spielen. Der Ältere baut mit großer Freude eine Sandburg. Sein jüngerer Bruder füllt in der Zwischenzeit seinen Kübel mit Sand und leert diesen dann über der Sandburg aus. Nach heftigen Protesten des Älteren wendet sich Samuel ab und spielt für sich.
„Das Spiel nimmt im Leben eines Kindes eine zentrale Rolle ein“, betonte der Kinderarzt Oskar Jenni bei seinem Vortrag am 14. Juli im Rahmen der Pädagogischen Werktagung in Salzburg. Kinder lernen spielerisch: Bereits ab drei Monaten beginnen sie, mit ihrem Mund Gegenstände zu erkunden. Spielerisch erlernen sie Fertigkeiten und verbessern diese stetig durch Wiederholungen. Kinder lernen dabei mit Spannungen, Enttäuschungen und Überraschungen umzugehen.
Grad der „Verspieltheit“ gibt Hinweis
Das kindliche Spiel verändert sich im Laufe des Älterwerdens. Durch das Beobachten des Spiels könne man deshalb Rückschlüsse auf seine Entwicklung ziehen, wie der Schweizer Mediziner festgestellt hat. Jenni hat mit seinem Forschungsteam eine Diagnostik entwickelt (die „Zürcher Spieleentwicklung“): Wann, wie und mit welchen Schwerpunkten ein junges Kind spielt, zeigt den Entwicklungsstand, das Potenzial sowie Über- oder Unterforderung. Den zentralen Hinweis liefert die Bereitschaft zu spielen (Englisch: „playfulness“).
Das freie, unstrukturierte Spiel („play“ im Gegensatz zum Regelspiel „game“), das meist spontan entsteht, ist typisch für die frühe und mittlere Kindheit (mit einem Höhepunkt im Alter von 4 Jahren). Was dieses Spiel auszeichnet, dazu wurden im Rahmen eines Forschungsprojekts am Universitäts-Kinderspital Zürich 292 Kinder im Alter von 4,5 bis 8,5 Jahren befragt. Aus Kindersicht ist das Spiel Kindersache („Spielen ist eigentlich für uns Kinder“) und ebenso geprägt von sozialen Interaktionen („Spielen ist etwas, wo alle Kinder miteinander spielen“) wie von Spielobjekten („Spielen ist wie Turnen einfach mit Spielsachen“).
Gefördert wird die Verspieltheit („playfulness“) durch eine anregende Spiel- und Lernumgebung, die spielbegleitende Einstellung des Erwachsenen (im Gegensatz zu einer schulorientierten Haltung), bei der er die Interessen des Kindes wahrnimmt und positiv bestärkt, sowie eine unbeteiligte Spielbegleitung (im Gegensatz zur direktiven) mit Beobachten und Bereitstellung von Materialien.
Am Beginn des Lebens steht das Spiel mit Objekten, das Erkunden mit Mund (hauptsächlich im Alter von drei bis sechs Monaten), mit Händen (Beginn zwischen vier und sieben Monaten) und den Augen (ab fünf Monaten). Später folgt das so genannte Raumspiel: Behälter füllen und leeren, Türme, Züge und dann Brücken bauen (bis zum Alter von 34 Monaten). Bewegungsspiele haben im Alter von drei bis acht Jahren Hochkonjunktur: Das Kind balanciert z. B. auf einer Mauer oder spielt gerne mit Wasser.
Im Alter von zwei Jahren zeigen sich erste symbolische Handlungen („so tun als ob“): Das Kind gibt z. B. seiner Puppe zu trinken und tut so, als wäre die Puppe lebendig. Das Symbolspiel entwickelt sich immer weiter: Aus einer symbolischen Handlung entwickeln sich Handlungsabfolgen: Das Kind geht z. B. mit der Puppe spazieren, dann wechselt es die Kleider und legt sie schlafen. Wenn mehrere Kinder miteinander spielen, werden Rollen verteilt und ein Spielablauf vereinbart.
Mithilfe von Aufgaben der „Zürcher Spieleentwicklung“ lässt sich das Spielverhalten von Kindern auf mögliche Störungen hin untersuchen. Ziel ist es, Kinder besser zu verstehen, dabei die Vielfalt in der Entwicklung deutlich zu machen und ihnen in der pädiatrischen Praxis gezielter helfen zu können.
Weitere Informationen: „Akademie für das Kind“ in Zürich, www.fuerdaskind.ch.
Autor:Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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