UN-Klimakonferenz
Vom Reden ins Tun kommen

Klimaaktivistinnen und -aktivisten weltweit (im Bild in Berlin) fordern jetzt konkrete Maßnahmen, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Aktuell findet die Weltklimakonferenz in Glasgow statt. Sie gilt als wichtigstes klimapolitisches Treffen seit der UN-Klimakonferenz in Paris 2015. Teilnehmer sind mehr als 200 Delegierte u. a. aus Politik und Wirtschaft. Auch eine Vatikan-Delegation ist vertreten. | Foto: alexander/picturedesk.com
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  • Klimaaktivistinnen und -aktivisten weltweit (im Bild in Berlin) fordern jetzt konkrete Maßnahmen, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Aktuell findet die Weltklimakonferenz in Glasgow statt. Sie gilt als wichtigstes klimapolitisches Treffen seit der UN-Klimakonferenz in Paris 2015. Teilnehmer sind mehr als 200 Delegierte u. a. aus Politik und Wirtschaft. Auch eine Vatikan-Delegation ist vertreten.
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Im schottischen Glasgow ist die Weltklimakonferenz (COP26) im Gange. Bis 12. November sollen dort konkrete Schritte gegen die Klimakrise vorangetrieben werden. Die Erderwärmung beschleunigt extreme Wetterereignisse, zerstört Natur und Lebensraum und verstärkt soziale Probleme weltweit, sagt Katharina Rogenhofer. Für die Klimaaktivistin ist die Situation ernst und verlangt aktives Handeln. In ihrem neuen Buch „Ändert sich nichts, ändert sich alles“ will sie mit Co-Autor Florian Schlederer aufwecken, um nicht in einer „möglicherweise verheerenden Zukunft aufzuwachen.“

Bei der UN-Klimakonferenz in Glasgow geht es darum, Maßnahmen festzulegen, wie die Pariser Klimaziele von 2015 umgesetzt werden können. Damals verpflichteten sich 195 Staaten weltweit dazu, den globalen Temperaturanstieg auf unter +2°C zu halten, möglichst sogar auf +1,5°C zu begrenzen. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Katharina Rogenhofer: Mit der Begrenzung der Erderwärmung auf +1,5°C halten wir die Wahrscheinlichkeit so gering wie möglich, eine selbstbeschleunigende Klimaerwärmung herbeizuführen, die wir wahrscheinlich nicht mehr rückgängig machen können – mit folgenschweren Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und auf das Ökosystem. Doch um dieses Ziel zu erreichen, müssten wir laut Wissenschaft bis 2050 weltweit klimaneutral werden, also den Treibhausgas-Ausstoß auf null senken und nur so viel ausstoßen, wie natürlich wieder gebunden werden kann. Laut neuester UN-Studie ist es mit den derzeitigen Versprechen der Politik aber nur möglich, bis 2050 die Treibhausgas-Emissionen um höchstens 40 Prozent zu reduzieren. Das ist viel zu wenig. Nun heißt es, vom Reden ins Tun zu kommen. Ich erwarte mir in Glasgow tatsächliche Maßnahmen, die uns helfen, weltweit etwa aus den fossilen Brennstoffen – Öl, Kohle und Gas – auszusteigen. Das ist eine Mammutaufgabe, denn z. B. beim Heizen sind viele Haushalte nach wie vor auf diese Brennstoffe angewiesen.

Wie kann diese Aufgabe bewältigt werden?

Rogenhofer: Wir müssen aufhören, das Falsche zu tun. In Österreich werden immer noch 4,7 Milliarden in klimaschädigende Förderungen investiert. Bauen wir weiterhin Gasheizungen in Neubauten ein, dann bleiben sie dort 20 Jahre. Dass uns das an eine alte Technologie fesselt, aus der wir langfristig rausmüssen, wird nicht bedacht. Dabei wollen wir in unserem Land schon 2040 klimaneutral sein. Das geht sich nicht mehr aus. Von Österreich erwarte ich mir deshalb so bald wie möglich ein Klimaschutzgesetz, das verbindliche Regeln festlegt, dieses Vorhaben umzusetzen. Wesentlich ist, ins Richtige zu investieren.

Also in erneuerbare Energien wie Pellets- oder Holzheizungen, Wind- und Solarenergie ....

Rogenhofer: Genau. Wenn wir vor Ort Energie produzieren, bleibt die Wertschöpfung im Land. Das schafft Arbeitsplätze und wir können neue Geschäftsideen etablieren, die möglicherweise künftig weltweit wichtig sind. Ins Richtige zu investieren heißt auch, den öffentlichen Verkehr weiter auszubauen und ihn für alle zugänglich und leistbar zu machen. Davon würden wir alle profitieren, gerade Erwerbstätige im unteren Einkommensbereich, denn 40 Prozent von ihnen haben kein Auto. Überlegen müssen wir uns auch eine neue Art der Raumplanung – wie und wo bauen wir. Lebensqualität wird gefördert, wenn wir in Orten das Zentrum wieder beleben, anstatt Supermärkte an den Rand von Ortschaften zu pflastern und dadurch Natur zubetoniert wird. Eine wichtige Frage ist weiters, wie kann die Mobilität von Menschen in einer klimafreundlichen Art und Weise gedeckt werden. Weniger Autos mit Verbrennungsmotoren fördern eine saubere Luft. Global sterben 4,5 Millionen Menschen jährlich an Luftverschmutzung. Klimaschutz bedeutet nicht Verzicht oder eine Rückkehr in die Steinzeit. Ich glaube, wenn wir jetzt etwas ändern, können wir eine bessere, schönere und lebenswertere Zukunft gestalten. Ein bedeutender Schritt wäre dann noch, all die klimapolitischen Themen zusammenzudenken mit sozial gerechter Politik für ein gutes Leben für alle.

Das heißt, die Klimakrise zu bewältigen ist für Sie verbunden mit sozialer Gerechtigkeit weltweit ...

Rogenhofer: Ja. Wir sehen global und national, dass die, die am wenigsten zur Klimakrise beitragen, am stärksten von ihr betroffen sind. Da gilt es, nicht nur die CO2-Emissionen runterzubringen, sondern eine Gesellschaft zu schaffen, die gerechter ist, die allen einen Zugang zu Bildung, zu Gesundheitsversorgung, ein Dach über dem Kopf und ein gutes ökonomisches Auskommen sichert. Dazu kommt die Gerechtigkeit zwischen den Generationen, denn jene, die heute die Erde überbelasten, müssen nicht die Kosten dafür tragen.

Dazu braucht es u. a. Politiker, die den Willen haben, notwendige Maßnahmen umzusetzen ...

Rogenhofer: Gerade die braucht es, um jetzt Rahmenbedingungen zu schaffen, die es allen Menschen möglich macht, klimafreundlich zu handeln. Momentan wird die Verantwortung gerne abgeschoben auf den Einzelnen. So sollen wir beim Einkauf darauf achten, das Klima zu schützen. Aber da stößt man an seine Grenzen. Als Konsumentin im Supermarkt weiß ich nicht immer, ob die Bio-Äpfeln in Plastik verpackt besser sind als die Nicht-Bio-Äpfel, die lose im Regal liegen, aber von weiter her kommen. Da fehlt es an Informationen. Außerdem bestimme ich mit meinem Konsumverhalten nicht, wohin klimafreundliche Verkehrsmittel wie Busse und Züge fahren und wie lange Österreich noch vorhat, Öl, Kohle und Gas zu importieren, die unser Klima schädigen. Dazu braucht es politische Entscheidungen. Sie einzufordern ist dann die Verantwortung jedes Einzelnen von uns.

Wie kritisch sehen Sie das Wirtschaftswachstum?

Rogenhofer: Unternehmen wollen Gewinne maximieren und Verbraucher sollen konsumieren. Das wirtschaftliche Fortkommen wird dadurch gesteigert, dass so viele Produkte wie möglich rasch produziert, verkauft, konsumiert und weggeschmissen werden, da sie ja nicht lange haltbar sind, um dann wieder neue zu kaufen. Das tut aber unserer Umwelt nicht gut, denn zur Produktion bauen wir enorme Mengen an Ressourcen ab. Dadurch wiederum werden stetig Müllberge und Schadstoffe angehäuft. Diese Kreisläufe gilt es zu schließen. Eine CO2-Steuer – die übrigens in Österreich ab 2022 mit einem Einstiegspreis von 30 Euro pro Tonne CO2 viel zu niedrig ist und damit wahrscheinlich unwirksam sein wird – ist ein Schritt in diese Richtung, aber sie darf nicht der alleinige Schritt sein. Es muss sich die Logik der Wirtschaft ändern. Wir müssen weg von dieser alleinigen Betrachtung von Wirtschaftswachstum. Rohstoffe, die wir der Natur entnehmen, sind nicht unbegrenzt verfügbar. Und jene die nachwachsen wie Holz dürfen wir nicht schneller verbrauchen, als sie nachwachsen können. Die Natur braucht Regeneration. Das bedeutet, wir müssen die Verschwendung reduzieren, Produkte möglichst lange haltbar, wiederverwendbar und reparierbar machen. Dazu ist es notwendig, dass die einzelnen Teile, aus denen Produkte bestehen, am Ende ihres lang haltbaren Lebens wieder in einen Zyklus geschleust werden können, also recycelbar sind.

Im Buch steht, Ihr sehnlichster Wunsch von Kindheit an in schwierigen Zeiten ist, dass jemand sagt, alles wird wieder gut. Denken Sie, mit Blick auf die Klimakrise, dass alles wieder gut wird?

Rogenhofer: Ich bin noch nicht überzeugt, deswegen kämpfe ich dafür. Ich glaube ganz fest daran, dass wir es in der Hand haben. Die Klimakrise ist menschengemacht. Wir wissen, was die Auslöser sind, wir wissen auch, was die Lösungen sind. Die Frage ist, wollen wir handeln. Ich will aktiv werden und dazu beitragen, dass es die Möglichkeit dieser guten Zukunft noch gibt, dass alles gut wird. Aber dazu müssen sich ganz viele Menschen jetzt schnell entscheiden – Politikerinnen und Politiker, Wirtschaftstreibende und jede und jeder Einzelne von uns in ihrem und seinem Umfeld. Ich denke, wenn wir das machen, dann können wir wirklich schnell genug sein. Das zeigt auch die Wissenschaft. Noch haben wir es nicht vergeigt. 

Buchtipp: Katharina Rogenhofer, Florian Schlederer: „Ändert sich nichts, ändert sich alles.“, Paul Zsolnay Verlag, 2021. Euro 20,60.

Interview: Susanne Huber


Zur Sache

Beim Weltklimagipfel in Glasgow (COP26, 31.10.–12.11. 2021) ist auch eine Vatikan-Delegation vor Ort. Angeführt wird sie von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Papst Franziskus (zu Redaktionsschluss war noch offen, ob er an der Konferenz teilnehmen wird) ist es ein großes Anliegen, der Klimakrise gegenzusteuern. Das zeigt er auch in seiner Umwelt-Enzyklika „Laudato si’“, die 2015 veröffentlicht wurde und in der er mehr Verantwortung für den Erhalt des Planeten einfordert. Kürzlich dankte er den jungen Klimaaktivistinnen und -aktivisten für ihre „Träume und Projekte“ und forderte sie auf: „Macht Lärm, verschafft euch Gehör“. Immer wieder mahnt er einen Kurswechsel im Bereich Umwelt und Menschenrechte ein.

Klima-Appelle der Religionsführer

Hinsichtlich der Klimakrise ­hatte Papst Franziskus im Vorfeld der Weltklimakonferenz in den vergangenen Wochen und Monaten mit einem breiten inter­religiösen Aufruf den Druck auf die Staats- und Regierungschefs erhöht. So unterzeichnete er mit Vertretern aller Weltreligionen einen Klima­appell. Wissenschaftler und Religionsführer fordern darin u. a. so schnell wie möglich einen Netto-Kohlendioxid-Ausstoß von null zu erreichen, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf +1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Der Vorsitzende der EU-Bischofskommission COMECE, Kardinal Jean-Claude Hollerich, forderte zuletzt in einem Schreiben an die Spitzen der EU-Institutionen u. a. einen sofortigen Investitionsstopp für die Infrastruktur fossiler Energieträger sowie ein umgehendes Ende der Subventionen fossiler Brennstoffe und klimaschädlicher Agrarproduktion.

Klimaaktivistinnen und -aktivisten weltweit (im Bild in Berlin) fordern jetzt konkrete Maßnahmen, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Aktuell findet die Weltklimakonferenz in Glasgow statt. Sie gilt als wichtigstes klimapolitisches Treffen seit der UN-Klimakonferenz in Paris 2015. Teilnehmer sind mehr als 200 Delegierte u. a. aus Politik und Wirtschaft. Auch eine Vatikan-Delegation ist vertreten. | Foto: alexander/picturedesk.com
Katharina Rogenhofer wurde 1994 in Wien geboren und studierte Biologie mit Schwerpunkt Zoologie an der Universität Wien und Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement in Oxford. Gemeinsam mit anderen Klima­aktivistinnen und -aktivisten holte sie 2018 die Fridays-For-Future-Bewegung nach Österreich. 2019 übernahm sie die Leitung des Klima­volksbegehrens. | Foto: Heribert Corn/Zsolnay

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