Theater in der Kirche
„Ich finde Judas sympathisch, wirklich“

Theater in der Kirche. Schauspieler Sebastian Klein gastiert mit dem Theatermonolog „Judas“ von der Autorin Lot Vekemans im März und April viermal im Burgenland.   

 | Foto: BETTINA ISABELLA ZEHETNER
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  • Theater in der Kirche. Schauspieler Sebastian Klein gastiert mit dem Theatermonolog „Judas“ von der Autorin Lot Vekemans im März und April viermal im Burgenland.

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Das Stück „Judas – Theatermonolog eines Freundes“ wird in vier Pfarren der Diözese Eisenstadt aufgeführt – in Deutsch Kaltenbrunn, St. Martin an der Raab, Oberpullendorf und Pinkafeld. Das Besondere: Judas will darin gehört, vielleicht sogar verstanden werden. Die niederländische Autorin Lot Vekemans setzt damit eine Botschaft, die auf die Gegenwart Bezug nimmt: sie thematisiert vorschnelle Verurteilungen und die zunehmende Schubladisierung in Menschen und Untermenschen.

GERALD GOSSMANN

Sein Name und sein Kuss stehen gemeinhin für Verrat. Befragt wurde er dazu nicht. Jetzt aber spricht Judas, in einem Theatermonolog der niederländischen Autorin Lot Vekemans. Das Katholische Bildungswerk der Diözese Eisenstadt hat die Veranstaltungsreihe initiiert. In Deutsch Kaltenbrunn, St. Martin an der Raab, Oberpullendorf und Pinkafeld wird das Stück im März und April in den Pfarrkirchen aufgeführt (siehe Textende).

Das Besondere an dem Stück: Judas will gehört, vielleicht sogar verstanden werden. Der in Wien lebende Schauspieler Sebastian Klein mimt die Rolle des Judas, der eine überraschende Version seiner Lebensfreundschaft zu Jesus von Nazareth erzählt. Die Autorin hofft, dass die Zuschauer danach über beide mehr wissen, „womöglich auch über sich selbst und ihre eigenen Trugbilder“.
Das ist der Kern des Stücks und zugleich die Botschaft, die perfekt in die Gegenwart passt. „Ich wollte nie sagen, dass Judas den Verrat nicht begangen hat. Deswegen habe ich mich gefragt: Warum hat er das gemacht? Es war wirklich wichtig für mich, das zu verstehen“, erzählt Autorin Vekemans.
Der Schreibprozess wurde zum Verstehensprozess. Vekemans begegnete in Holland einem Priester, der eine wissenschaftliche Arbeit darüber geschrieben hatte, wie sich das Bild von Judas während 2000 Jahren verändert hat. Ein dickes Buch, mit vielen Quellen. Vekemans versuchte die Geschichte zu interpretieren, „weil ich nicht glaube, dass es seine Absicht war, dass Jesus getötet wurde“. Und sie zieht Paralellen in die Gegenwart. „Es scheint, als ob wir etwas brauchen, um die Welt einzuteilen: Hier sind die Menschen, dort die Unmenschen. Für diese haben wir viele Wörter: Schweine, Ziegen, Ratten …, eben alles, was kein Mensch ist. Dieses Entmenschlichen ist etwas, das wir jetzt wieder machen: Wir ziehen in Europa jeden Tag die Barriere zwischen den Menschen und den Unmenschen. Und das ist eigentlich das, was Judas am Ende versucht: wieder vom Unmenschen zum Menschen zu werden.“

Kirchenraum als Theaterbühne. Die Inszenierung wird vor allem in Kirchen aufgeführt. Gotteshäuser entpuppten sich als spannungsgeladene Orte. Zwischen den allgegenwärtigen Aposteln und Heiligen nimmt Judas Platz, in Sichtweite zum Altar, wo das Abendmahl gefeiert wird. Judas sucht den Ort auf, an dem er sich von seinem besten Freund Jesus von Nazareth verabschiedete und aus dem Kreis der Jünger katapultierte. Sebastian Klein als Judas tritt auf wie ein gewinnender Entertainer, sucht die Nähe des Publikums und lässt dieses tief in seine Seele blicken. Es gelingt ihm, die Fragen, die ihn umtreiben, zu denen seiner Zuhörer zu machen: Hatte er eine Wahl? War er Werkzeug oder Täter? Zählt das, was davor war, nichts?

Reaktion einer Ordensfrau. Die Aufführung, von Bérénice Hebenstreit ursprünglich für das Volkstheater Wien inszeniert, spricht in den Kirchenräumen Pfarrangehörige ebenso an wie Theaterfans. Das Katholische Bildungswerk verspricht den Zuschauern einen sicherlich intensiven Theaterabend, der nachwirkt. Denn Diskussionsstoff bietet der Inhalt allemal. Nach einer Vorstellung des Stücks kam eine Ordensfrau auf die Autorin zu und sagte: „Ich hätte nie gedacht, dass mir der Judas einmal so sympathisch werden könnte“. Vekemans freuen solche Reaktionen. „Wenn wir etwas aufbrechen können, dann kommen wir weiter. Wenn wir diesen Prozess verstehen und mehr in uns gehen und uns fragen, was ist eigentlich meine Verantwortung für das, was in der Welt passiert, dann hat sich für mich eine wichtige Botschaft des Stückes erfüllt“, erklärt die Autorin. „Wenn jemand das so empfindet, dann denke ich: toll! Denn ich finde Judas auch sympathisch, wirklich!“

Spieltermine im Burgenland.
18. März, Deutsch Kaltenbrunn, 18 Uhr, Pfarrkirche, Obere Marktstraße 28,
Kartenreservierung: christoph.tege@kabelplus.at oder 0664 4122270
19. März, St. Martin an der Raab, 18 Uhr, Pfarrkirche, Kirchenzipf 10,
Kartenreservierung: monika.pet@aon.at oder 0664 7345 3281
8. April, Oberpullendorf, 19.30 Uhr, Pfarrkirche, Hauptstraße 66,
Kartenreservierung: barbara.buchinger@martinus.at oder 0676 880701556
9. April, Pinkafeld, 17 Uhr, Pfarrkirche, Weinhoferplatz 1,
Kartenreservierung: pinkafeld@rk-pfarre.at oder 0664 1328483

Autor:

Martina Mihaljević aus Burgenland | martinus

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