EIN_BLICK
Auferstehung ist keine Rückkehr
Peter Trummer wuchs in der Familie eines Bestatters auf. Die Frage nach der Auferstehung beschäftigte ihn bereits früh. Er wurde Bibelwissenschaftler und blieb Zeit seines Lebens an der Frage dran. Auch sein jüngstes Buch geht dem Geheimnis auf den Grund.
Herr Professor Trummer, Auferstehung ist der Kern des christlichen Glaubens. Gleichzeitig ist sie aber kaum zu erklären. Und wenn man es versucht, wird man schnell der einen oder anderen Häresie verdächtigt. Warum tun Sie sich das an?
Peter Trummer: Ich möchte vorausschicken, dass es in der Bibel kein eigenes Wort für Auferstehung gibt. Im Hebräischen gibt es „kum“ für „aufrichten“. Gott richtet auf. In der griechischen Bibel gibt es zwei alltägliche Ausdrücke für „aufstehen“ und „aufwecken“ (anistanai und egeirein). Vor Ostern werden diese Begriffe genauso verwendet wie nach Ostern. Vor Ostern übersetzen wir mit „aufstehen“ und nach Ostern mit „auferstehen“. Das füllen wir dann mit unseren eigenen Vorstellungen und kämpfen darum.
Was sind die eigenen Vorstellungen, die im Wort „aufstehen“ gar nicht enthalten sind?
Trummer: Ich hätte als Sohn eines Leichenbestatters keine Freude an auferstandenen Leichen. Auferstehung geschieht im Augenblick des Todes, wann immer dieser Zeitpunkt ist. Auferstehung ist nicht die Rückkehr in die Raum-Zeitlichkeit. Welche Person würde sich aus der Gottesbegegnung noch einmal trennen, um in diesen Körper hineinzusteigen und daheim die Liebsten wieder zu beglücken? Was wir sehen wollen, heißt Rückkehr. Aber das ist nicht Auferstehung! Auferstehung ist nie die Wiederholung des Bisherigen. Der Tod ist für mich die Eröffnung in eine neue Qualität. Sonst erzeugt Ostern keine Befreiung, kein Osterlachen. Was wir ins Grab legen, ist nicht der ganze Mensch, sondern der Leichnam. Etliche barocke Kreuzwege haben schon die sehr kluge Formulierung: „Der heilige Leichnam Jesu wird ins Grab gelegt“, nicht „Jesus wird ins Grab gelegt“.
Jesus ist am dritten Tag auferstanden von den Toten. Wie passt das zusammen mit der Auferstehung im Augenblick des Todes?
Trummer: Die drei Tage sind insofern wichtig, als viele Kulturen den definitiven Todeszeitpunkt erst am 3. Tag ansetzen. Sie verdeutlichen, dass wirklich vom Tod die Rede ist, nicht vom Mittagsschlaf oder vom Scheintod. Es gibt übrigens keinen Bibelbeleg für Auferstehung am 3. Tag. Die Bibel rechnet den 3. Tag aber als Tag des Eingreifens Gottes. Das ist kein Kalenderdatum. Das ist eine theologische Hoffnung. Und noch etwas: Damit die Angehörigen den Tod verarbeiten können, sind die drei Tage nicht umsonst. Im Augenblick des Todes begreife ich ja nicht, dass der Mensch jetzt gestorben ist. Die drei Tage braucht man, um das emotional irgendwie zu verkraften. Meditieren wir den Tod lang genug, um Auferstehung zu begreifen! Aber die körperliche Auferstehung aus dem Grab heraus ist sinnlos. Die Ostererzählungen der Evangelien verwenden eine starke, aussagekräftige Bildsprache. Sie sind keine historischen Berichte. Diese Unterscheidung muss man im Hintergrund haben, sonst liest man die Ostererzählungen der Evangelien völlig falsch.
Wirft das nicht den Glauben an die Auferstehung über den Haufen?
Trummer: Nein. Die Evangelien schildern mit ihren literarischen Formen Erfahrungen aus zweiter und dritter Hand. Das ist Literatur, die etwas verständlich machen möchte. Der einzig authentische Zeuge des Neuen Testaments in Bezug auf den Auferstandenen und die Auferstehung ist Paulus, denn er hat eine Erfahrung gemacht, die er beschreiben kann. Im Vergleich zu den Evangelien und zur Apostelgeschichte kommt Paulus immer nur kurz auf seine Christuserfahrung zu sprechen. Es sind Nebensätze. Diese sind völlig klar. Paulus sagt: „Es gefiel Gott, seinen Sohn in mir zu offenbaren.“ Das hat endlich auch die Revision der Einheitsübersetzung 2016 klargestellt. Vorher hieß es in Galater 1,15f.: „Gott offenbarte mir seinen Sohn.“ Weil die Übersetzer von den Ostererscheinungen träumten, wo eine Leiche aus dem Grab kommt. Das ist Unsinn. Für Paulus ist das eine innere Erfahrung. Und er scheut sich nicht, sich in eine Reihe mit allen anderen Osterzeugen zu stellen. Für Paulus ist klar: Er kann Jesus nicht als dem Grab entsprungene Leiche identifizieren. Sondern er identifiziert die Relation zu Gott. Was sagt das Kreuz, was sagt der Gekreuzigte über Gott aus?
„Für Paulus ist das eine innere Erfahrung.“
Was sagt denn das Kreuz über Gott aus?
Trummer: Es ist jedenfalls kein sadistischer Gott dahinter, der ja in der Theologiegeschichte auch eine Rolle gespielt hat. Jeder irdische Vater, der so handelt, wie wir es von Gott erzählen mit dem Sühnetod Jesu, würde sofort in der Strafanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher landen. Und wir erzählen das als die große Glaubenserzählung! Das ist krank. Dieser Sado-Masochismus ist eine Gotteslästerung. Wenn Gott wirklich so wäre, könnten wir auf die Auferstehung verzichten. Welchen Sinn hätte die Auferstehung? Zuerst eine Todesstrafe exekutieren und dann sagen: „Jetzt lassen wir ihn wieder aufstehen.“ Das gibt es vielleicht bei den Pradler Ritterspielen. Es ist verrückt. Die christlichen Kirchen werden zumindest in Europa abmelden, wenn sie dort nicht korrigieren. Die Idee Jesu kann nicht sterben, da bin ich völlig überzeugt. Zukunft für die Kirche gibt es aber nur, wenn das Zentrale des jesuanischen Glaubens wieder bewusst wird. Die Zölibatsreform spielt da eine untergeordnete Rolle.
Tut sich die Theologie schwer damit, den Kreuzestod Jesu neu zu deuten?
Trummer: Jesus ist für sich und seine Überzeugung gestorben. Er hat authentisch gehandelt und das ertragen, weil sein Gottesbild ihn gehalten hat. Jesus hat nicht die Sünden weggenommen. Sie sind ja immer noch da. Aber er hat die Frage der Schuld entlastet, sodass ich mit aufrechter Körperhaltung vor Gott stehen kann, aufrichtig werden kann. Mit der Verkrümmung kann ich mich nur verteidigen und entschuldigen und die anderen beschuldigen und so weiter. Die ganze Schuldgeschichte ist ein Verhängnis für uns. Sie fesselt uns und wir kommen gar nicht zum Leben, weil wir immer mit der Schuld beschäftigt sind. Wenn wir einen Vater haben, dann lebt er damit, dass seine Kinder spielen und dass manches danebenfällt. Das hat sogar der strenge Paulus festgehalten: „Gott rechnet nicht in dem, was danebenfällt.“ Das sollten wir kapieren. Als Eltern wissen wir: Wenn ein Kind nicht hinfällt, lernt es auch nicht gehen. Wir brauchen nicht ständig „mea culpa“ sagen. Das ist unsinnig.
Warum musste Jesus am Kreuz sterben?
Trummer: Die Hohepriester wollten den Tempelkult retten. Sie sahen ihre Felle davonschwimmen, als einer von der Güte Gottes erzählte. Da braucht man ja keine Opfer mehr zu bringen! Das ist Geschäftsstörung. Er muss deswegen weg. Wenn der Kreuzestod im Judentum als von Gott verflucht gilt, dann erteilen sie ihm die Superlektion, von der er nie mehr aufstehen kann. Jesus dreht aber die Argumentation um. Er kann diesen scheußlichen Tod auch noch gut nehmen. Das ist „Eulabeia“ im Griechischen: die Gottesfurcht als die Möglichkeit, etwas als gut zu nehmen. Für mich ist es unglaublich zu begreifen, dass er zwar angenagelt ist, aber nicht als Opfer. Er ist immer noch Handelnder. Er ist immer noch geistig in der Lage, einen Widerstand entgegenzusetzen. Und er wird nicht entwürdigt. Obwohl alle gaffen, wie einer gerade sein Leben aushaucht. Da steckt eine unglaubliche Kraft dahinter. Viele Märtyrer haben ihr Leben auch einsetzen müssen. Manchmal geht es nicht anders, um sich selbst treu zu bleiben.
Der Untertitel Ihres Buches heißt „Ostern als Aufstand“. Worin besteht der Aufstand?
Trummer: Der Aufstand besteht darin, dass Jesus das Wagnis des Kreuzes auf sich nimmt. Das ist ein Aufstand gegen die Religion. Er sagt: „Mein Gottesverhältnis ist so stark, dass ich das angehe.“ Auch seine Heilungen sind Aufrichtungen. Jesus ermutigt die Leute, aufzuschauen, aufzustehen, zu gehen, wo sie lahm sind. Da spielt die Frage der Schuld doch eine Rolle. Nichts lähmt mein Leben so sehr, wie wenn ich anderen die Schuld nachtrage. Wie wenn ich mir nicht vergeben kann. Gegen solche Lähmungen aufzustehen und auch zu handeln! Der Glaube daran, dass Jesus die Auferstehung ist, aktiviert mich, Widerstand zu leisten gegen meine eigene Müdigkeit, aber auch gegen jedes Unrecht, das ich sehe. Mein eigener Weg ist der: 52 Mal im Jahr Ostern zu feiern ist viel zu wenig, wenn es nicht jeden Tag gelebt wird. Es gibt ein wunderschönes Tauflied in Epheser 5,14: „Wach auf, der du schläfst – die du schläfst! Steh auf aus Toten und aufstrahlen wird dir der Christus!“ Wir verstehen Auferstehung oft rein passiv – wir strecken alle Viere von uns und von irgendwoher muss Auferstehung kommen. Nein! Ich selbst muss aufstehen, auch im Tod. Ich kann diesen Protest, auch gegen den Tod, nur mit der Hilfe meines Glaubens leisten. Dem Tod ins Angesicht schauen, das ist Auferstehung.
INTERVIEW: MONIKA SLOUK
Peter Trummer: Auferstehung jetzt – Ostern als Aufstand. Theologische Provokationen – Neuausgabe, Verlag Herder, 1. Auflage 2023, 208 S., € 22,70
Autor:martinus Redaktion aus Burgenland | martinus |
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