Was der Diözesanpatron für heute zu sagen hat
Petrus Canisius: Ein Heiliger für Tirol
Die Erfahrungen, die Petrus Canisius in Tirol gemacht hat, waren nicht immer besonders positiv, auch wenn er einmal meinte, Tirol sei immerhin „noch besser katholisch als irgendein anderes Gebiet Deutschlands“.
Man könnte viele Beispiele nennen: Da wären die 1562 bzw. 1569 gegründeten Jesuitenkollegien in Innsbruck und Hall, an denen er sich mehr als andernorts mit überforderten Kollegienvorstehern und Mitbrüdern herumschlagen musste. Oder auch die eher unerfreuliche Episode als Innsbrucker Hofprediger in den 1570er Jahren. Er geriet damals in massive Konflikte mit der städtischen Geistlichkeit und musste schließlich resignieren. Als Nachfolger wurde ein bekannter Jesuitengegner installiert, der für eine denkbar schlechte Nachrede sorgte.
Weltweit einzige Diözese. Es wirkt auf diesem Hintergrund wie eine späte Wiedergutmachung, dass sich gerade Innsbruck als einzige Diözese weltweit 1964 gerade diesen Heiligen mit seinem durchaus komplizierten Tirolbezug als Diözesanpatron gewählt hat. Schon 1925 war er anlässlich seiner Heiligsprechung zum Mitpatron der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch – der Vorgängerinstitution der Diözese – gemacht worden. Man war damit in Tirol auf eine (wenn auch kurzlebige) Canisius-Begeisterung aufgesprungen, die damals gerade in der katholischen Kirche grassierte. Aber trotz der Errichtung einer eigenen
Petrus-Canisius-Pfarre und des Internationalen Priesterseminars „Canisianum“, das die Innsbrucker Jesuiten betrieben und – in veränderter Form – bis heute betreiben, ist diese Canisius-Begeisterung in der Diözese Innsbruck nie wirklich angekommen. Er ist ein weitgehend unbekannter Diözesanpatron geblieben.
Überraschend aktuell. Zu Unrecht! Natürlich war er ein Mann des 16. Jahrhunderts, der in weltanschaulich aufgeheizten Zeiten Dinge gesagt und getan hat, die zwar historisch faszinierend, aber nicht unbedingt zur theologischen, pastoralen oder gesellschaftspolitischen Nachahmung zu empfehlen sind. – Und doch ist er für die heutigen Tiroler Verhältnisse überraschend aktuell. Der Mythos eines „heiligen Landes“ Tirol war zu seiner Zeit noch nicht geboren und der Katholizismus dementsprechend noch kein selbstverständliches kulturelles Erbstück.
Wie soll man Christ sein? Wie und auf welche Weise man Christ sein sollte, war auch für die Tiroler des 16. Jahrhunderts angesichts der religiösen Umbrüche der Reformationszeit eine herausfordernde Frage, die man nicht einfach mit dem Hinweis auf die Tradition beantworten konnte. Heute am Beginn des 21. Jahrhunderts – und damit nach dem Tod des Mythos vom „heiligen Land“ Tirol – steht die Tiroler Kirche vor einer ähnlichen Grundsatzfrage wie damals: Wie kann man nach dem Wegbrechen des Traditionschristentums den Menschen das Evangelium als eine tragende und befreiende Kraft des Lebens und Zusammenlebens vermitteln? – Vielleicht ist gerade Petrus Canisius, der vor 500 Jahren mit einem ähnlichen Problem gerungen hat, der perfekte Diözesanpatron für die heutige Tiroler Kirche.
"Petrus Canisius" - Teil 4 von 4 der Serie mit Mathias Moosbrugger (Kirchenhistoriker an der Universität Innsbruck)
Buch zur Serie: Mathias Moosbrugger. Petrus Canisius. Wanderer zwischen den Welten. Tyrolia 2021, 288 Seiten, € 27,95.
Autor:TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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