Eine jüdische deutsche Archäologin war die erste Frau im Vatikan
Deutsche Jüdin im Vatikan
„Die erste Frau im Vatikan war eine Jüdin“. Als Gudrun Sailer diesen Satz hörte, ließ er sie nicht mehr los, denn er brach mit Cliches – eine Frau, eine Laiin in der Männerdomäne Vatikan und noch dazu eine Jüdin. Die österreichische Journalistin bei „Vatikan News“, die seit 2003 in Rom lebt, wollte der Sache auf den Grund gehen, nahm ein Jahr Bildungskarenz und erforschte das Leben der deutschen Jüdin Hermine Speier (1898-1989).
Eva-Maria Kircher-Pree
„Spini“, wie sie liebevoll von den Leuten im Vatikan genannt wurde, die sich noch gut an sie erinnern konnten, stammte aus einer jüdischen Bürgersfamilie aus Frankfurt am Main. In der Unternehmerfamilie war gute Bildung wichtig, auch für die Tochter. Nach dem Abitur studierte Hermine in Heidelberg Archäologie. Wie immanent frauenfeindlich die 1920er Jahre waren, belegt das Promotionsgutachten von Doktorvater Ludwig Curtius: „Ich würde ihr das beste praedicat geben, wenn nicht dieses ausgezeichneten Leistungen, die dann doch nur männlichen Naturen gelingen, vorbehalten bleiben müsste.“
Curtius, der Direktor am Deutschen Archäologischen Institut wurde, holte sie 1928 nach Rom, wo Hermine die Aufgabe übertragen wurde, mit tausenden ungeordneten Fotos eine systematische wissenschaftlich archäologische Fotothek aufzubauen.
Im Dienst des Vatikan. Als 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen, war Curtius sich der bedrohlichen Lage Hermine Speiers bewusst. Um sie vor der Verfolgung zu retten, nützte er seine guten Kontakte zum Rektor der Vatikanischen Museen. Mit Einwilligung von Papst Pius XI. holte sie Rektor Bartolomeo Nogara und verteidigte ihre Anwesenheit im Vatikan klug und souverän gegen aufflammende Kritik. So trat Hermine Speier mit dem 15.9.1934 als 13. Frau und erste Laiin, als erste Jüdin, erste Deutsche und erste Akademikerin ihren Dienst im Vatikan an.
Schutz dreier Päpste. Dort war ihr erneut der Aufbau einer Fotothek anvertraut. Die Archäologin, die keinerlei Interesse an Politik hatte, stand unter dem Schutz dreier Päpste, des regierenden wie der zwei folgenden – vor nationalsozialistischer wie faschistischer Rassenpolitik. Obwohl Hermine im Vatikan niemand drängte, konvertierte sie 1939 zum katholischen Glauben, was auf Unverständnis in ihrer Familie stieß und sie nicht vor Verfolgung schützte. Die nationalsozialistische Besatzung Roms überlebte sie in einem Frauenkloster.
Nachkriegszeit. Auch nach dem Krieg blieb sie den Vatikanischen Museen treu. Ab 1961 war sie alleinverantwortlich für die Antikensammlung bis zu ihrer Pensionierung 1966. Große Probleme hatte Speier mit den Änderungen durch das Zweite Vatikanische Konzil. Sie war zum Katholizismus in einer Zeit konvertiert, weil sie sich Heimat, Sicherheit, eine Seelenburg von der Katholischen Kirche mit ihren strengen Vorgaben erhoffte. Hermine Speier war mehrfach verlobt, aber blieb unverheiratet. Ihren Lebensabend verbrachte Speier in der Schweiz, wo sie 1989 dement verstarb. Sie ist im Vatikan, am Campo Santo Teutonico, auf ihren Wunsch hin begraben, weil sie, „wenn Jesus zurückkommt, bei Petrus und den Märtyrern auferstehen“ wollte.
Buchtipp: Gudrun Sailer: Monsignorina.
Die deutsche Jüdin Hermine Speier im
Vatikan. Aschendorff-Verlag, Münster 2014.
Autor:TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag |
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