Kommentar von Lydia Kaltenhauser
Reiß die Himmel auf

Jetzt im Herbst dauert es – auch in sonnenverwöhnten Gegenden wie Tirol – manchmal ganz schön lange, bis sich die Sonne durch die Nebelschwaden kämpft, manchmal wird es Mittag.
Ich bin in einer Gegend aufgewachsen, in der wochenlanger Hochnebel im Winter selbstverständlich war. Lange Staus am Wochenende Richtung Sonne waren eine der Folgen, deprimierte graue Gesichter unter der Woche eine andere. Wenn es hier in Tirol mittags aufreißt, der fetzblaue Himmel und die angezuckerten Bergspitzen zum Vorschein kommen, kann ich mein Glück oft kaum fassen. Es tut so gut, die Sonne und den blauen Himmel
zu sehen, nicht unter der Nebelglocke eingesperrt zu sein. Ich versuche, mir dieses Spektakel innerlich einzuspeichern für die wenigen grauen Tage, an denen es die Sonne nicht schafft. Und ich nehme es auch als Sinnbild für Situationen im Leben, in denen mir alles nebelig scheint: Beim Blick auf die Weltlage, bei der Wut über Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung. „O Heiland reiß die Himmel auf“: Eine Liedzeile als Stoßgebet, bei mir nicht nur im Advent aktuell, sondern ganz oft, wenn ich das Blau des Himmels über all dem Grau bestaune.

Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

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