Religionslehrerin Nicole Öttl
Jede Stunde beginnt mit einem Ritual

Nicole Öttl unterrichtet Religion an der MS in St. Anton. | Foto: Elisabeth Zangerl

Der Religionsunterricht lehrt und vermittelt in erster Linie Religiöses. Es geht aber um weitaus mehr. Das Unterrichtsfach stellt eine Unterbrechung zum Schulalltag dar. Mit wenig Notendruck lässt sich hier diskutieren, reflektieren oder hinterfragen, darüber hinaus gibt das Fach viel Gestaltungsfreiraum. Nicole Öttl ist Pädagogin an der Mittelschule St. Anton am Arlberg, seit sieben Jahren unterrichtet sie auch Religion. Mit dem Tiroler Sonntag spricht sie über ihre Eindrücke und Erfahrungen.

Die Tür zum Religionsunterricht an der Mittelschule St. Anton am Arlberg steht offen. Im wahrsten Sinne des Wortes – Schüler/innen von Mittelschulen, die nicht der römisch-katholischen Kirche sondern einer anderen oder keiner Konfession angehören, können freiwillig am Religionsunterricht teilnehmen, müssen aber nicht. Für Schüler/innen mit römisch-katholischem Religionsbekenntnis ist das Unterrichtsfach verpflichtend – allerdings gibt es die Möglichkeit, sich abzumelden. In Nicole Öttls Klassen nehmen aber fast alle Schüler/innen am Religionsunterricht teil und sind auch durch die Bank sehr interessiert. „Religion ist ein feines Fach, es gibt – verglichen mit anderen Fächern – keinen Notendruck, auch ist es ein sehr frei gestaltbares, vielfältiges Fach“, erklärt die Pädagogin, die auch noch andere Fächer an der Mittelschule unterrichtet.

Sie erinnert sich an ihre Anfänge als Religionslehrerin: „Die frühere Religionslehrerin ist in Pension gegangen, da hab ich mich gleich bereit erklärt, dieses Fach zu unterrichten“, erzählt Nicole Öttl, die nun das siebte Jahr Religion unterrichtet und erklärt: „Bei uns geht es auch um ethische Themen, soziales Arbeiten ist mir ein Anliegen." Und auch Musik fließt mit ein, beispielsweise bei der Vorbereitung auf die Firmung.

Vom Hunderdsten ins Tausendste.

„Der Religionsunterricht bringt viel Ruhe rein“, meint Nicole Öttl, die thematisch sehr vielfältig arbeitet: „Biblische Geschichten passen in jedem Alter, grundsätzlich würde ich sagen, dass das Neue Testament greifbarer ist als das Alte“ – und: „Mit älteren Kindern kann man vielfach in den Ethik-Unterricht gehen, dabei behandeln wir auch Themen wie Aids, Missbrauch und vieles mehr.“ Diese Offenheit schätzen Schüler und Eltern gleichermaßen. Öttl erinnert sich: „Eine Mutter hat mir bestätigt, wie gut sie es findet, dass solche Themen so offen angesprochen werden.“ Auch unangenehme Themen wie Mobbing kommen im Religionsunterricht zur Sprache: „Ich erinnere mich an eine Situation, als ein Mobbingopfer begonnen hat, zu erzählen. Dieses Vorkommnis habe ich natürlich umgehend aufgegriffen.“ Die Pädagogin bereitet vor jeder Stunde ein Thema vor, dabei orientiert sie sich am Lehrplan für den Religionsunterricht: „Es entstehen viele Diskussionen, manchmal kommen wir vom Hundertsten ins Tausendste“, erläutert sie. „Oftmals kommen tagesaktuelle Themen oder persönliche Erlebnisse zur Sprache. Die Kinder sind dabei sehr offen und reden sehr viel. Dieses Reden und Reflektieren ist in keinem anderen Fach in diesem Ausmaß möglich“, so Öttl. „Erfahrungen fließen mit ein.“ Nicole Öttl, die selbst verheiratet und Mutter zweier Söhne im Teenageralter ist, erklärt: „Viel Persönliches von mir, meine Erfahrungen und Lebensweise fließen mit ein in den Unterricht.“

Jede Religionsstunde von Nicole Öttl beginnt mit einem Ritual: „Wir starten mit einem Gebet – jedes Kind darf ein Gebet auf einem Blatt gestalten, dies wird dann gebunden und jeweils zu Beginn der Religionsstunde vorgelesen. Ergänzend dazu bringe ich oft Gebete aus dem Alltag mit. Dieser Start ist wichtig, damit die Kinder und Jugendlichen zur Ruhe kommen.“ Die Religionsstunden von Nicole Öttl sind sehr abwechslungsreich gestaltet – von Zeichnen und Basteln über Singen bis hin zu einem meditativen Tanz. Der Religionsunterricht ist ein Fach ohne großen Notendruck, ein Fach, in dem Schüler/innen mit all ihren Fragen, Sorgen oder Anliegen im Vordergrund stehen.

Autor:

TIROLER Sonntag Redaktion aus Tirol | TIROLER Sonntag

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