Zeitzeuge Josef Weber aus Oberperfuss
Widerstand – Zeichen der Hoffnung

„Ich mache das für die Jugend“: Josef Weber als Zeitzeuge in der Produktion „Codename Brooklyn“, hier mit Daniela Bjelobradić.  | Foto: Birgit Gufler
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  • „Ich mache das für die Jugend“: Josef Weber als Zeitzeuge in der Produktion „Codename Brooklyn“, hier mit Daniela Bjelobradić.
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Der Oberperfer Josef Weber steht als Zeitzeuge der „Operation Greenup“ auf der Bühne des Tiroler Landestheaters: Das Stück „Codename Brooklyn“ erinnert an jene Operation, die 1945 zur kampflosen Übergabe Innsbrucks an die Amerikaner führte. Drei Agenten spielten eine entscheidende Rolle – und acht mutige Frauen aus Oberperfuss.

Da steht er auf der Bühne: Josef Weber, 85 Jahre alt. Er spricht ruhig und klar, trägt Details zur „Operation Greenup“ vor: Im Februar 1945 landeten drei Agenten im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes nachts per Fallschirm in Tirol: Fred Mayer, Hans Wijnberg und Franz Weber (Ex-Pauliner, Wehrmachts-Deserteur, Vorfahr in 7. Generation von Josef Weber). Sie versteckten sich in Oberperfuss und bereiteten mit verschiedenen Aktionen – gedeckt von den Oberperfern – die friedliche Übergabe Innsbrucks vor.

Mehr als Kriegerdenkmäler
Seit über einem Jahr schon laufen die Proben für das Theaterstück, verlangen Josef Weber einiges ab. Dass er zum ersten Mal auf der Bühne steht, merkt man ihm nicht an. Gewollt hat er es eigentlich auch nicht. „Die eigentlich Großen im Dorf waren acht Frauen. Ich habe sie alle persönlich gekannt. Dass das zur Geltung kommt, war die Bedingung, dass ich mitspiele“, sagt Weber im Gespräch bei sich zuhause in Oberperfuss. Mit Nachdruck. Und es ist ihm gelungen. Die Agenten waren wichtig, auch der Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft, aber ohne jene acht Frauen wäre die „Operation Greenup“ wohl nicht geglückt. „Nach dem Krieg spricht man über Krieger, Kriegerdenkmäler, Männer werden als Helden geehrt. Im Dorf habe ich nie etwas von diesen männlichen Helden gehört, sondern immer von den Frauen.“ Besondere Hochachtung hat er vor Maria Hörtnagl. Sie spielte eine Schlüsselrolle in der Operation: unerschrocken, mit großem Organisationstalent und der Überzeugung: „Solchen Leuten hilft man.“

Die Geschichte fertig erzählen
Die Inszenierung von Alexander Kratzer trägt dem Rechnung: Auf der Bühne werden zwei der drei Agenten von Frauen gespielt. Die Lebensgeschichten der acht Frauen erhalten gebührenden Platz, alle werden namentlich genannt. „In meinen Augen ist die Geschichte nie fertig erzählt worden“, so Weber. Immer noch ist manches offen. Aber mit der Würdigung der Frauen ist ein großes Stück geschafft. Die beherzte Zivilcourage der Frauen schildet Weber anhand von zwei Begebenheiten: Die Postbeamtin Anna Spiegl weigerte sich zunächst, wie vorgeschrieben ein Hitlerbild aufzuhängen. Als sie nicht mehr umhinkam, holte sie einen ausgestopften Uhu hervor und hängte ihn mit den Worten übers Hitlerbild: „Dahin gehört er, der Buhin.“ Der Buhin, der Uhu, galt im Volksmund als Sinnbild des Bösen. Die andere Begebenheit spielt zur Prozession zu Hitlers Geburtstag. Alle kirchlichen Prozessionen waren verboten. Zu jener aber mussten die Häuser geschmückt werden. Webers Tante Barbara schmückte ihren Hof kurzerhand mit einer Girlande aus derart „schiachen Daxn“, dass die Würde der Prozession konterkariert war, weil alle bei diesem Anblick in Lachen ausbrachen.

Bildung statt Angst und Scham
Josef Weber, promovierter Biologe und langjähriger Professor an der Pädagogischen Akademie, hat sich intensiv mit der „Operation Greenup“ und mit der eigenen Familiengeschichte beschäftigt. Er hat aufgearbeitet, was im Dorf und in seiner Familie jahrzehntelang totgeschwiegen wurde. „Es war eine Art Trauma, auch mit viel Angst und Scham behaftet“, sagt er. Vorwürfe seien auch gekommen – schließlich sei das ganze Dorf in große Gefahr gebracht worden. Bei allem historischen Wissen ist Weber eines wichtig: „Wir müssen die Kriegssachen ruhen lassen“. Er will lieber den Glauben an das vereinte, friedliche Europa stärken und den Blick auf heutige Bedrohungen lenken. „Ich habe furchtbar Angst um unsere Demokratie und um Europa“, so Weber. Dieser Angst verleiht er mit deutlichen Worten auf der Bühne Ausdruck – und spricht damit vielen aus der Seele. „Die jungen Leute spüren all das auch, deshalb bin ich so froh, dass sie mitspielen.“ Wie dann auf der Bühne der Dialog von Zeitzeugen und Jugendlichen, von Vergangenheit und Gegenwart gelingt, wie der komplexe historische Stoff mit brennender Aktualität unter die Haut geht, ist eine Meisterleistung. Standing ovations und ausverkaufte Vorstellungen sprechen für sich. Weber ist bescheiden: „Stolz bin ich nicht. Aber ich will etwas weitergeben: Es lohnt sich, mutig zu sein und aufzustehen! Unsere Oberperfer Frauen waren schneidiger als unsere Politiker, die alle vor Trump klein beigeben. Wo ist der Mut dieser Männer? Die Frauen haben auf das Wesentliche geschaut!“

Stimmen der Sichtweisen
„Widerstand bedeutet für uns, Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für uns selbst, sondern auch für die Welt, in der wir leben wollen. Es heißt, nicht einfach zuzusehen, sondern aktiv zu handeln. In einer Zeit voller Unsicherheit und Krisen ist unser Widerstand ein Zeichen der Hoffnung. Wir zeigen damit, dass Veränderung möglich ist, wenn wir an uns glauben und zusammenhalten.“
Mitwirkende Schüler:innen

Gemeinsam mit dem Tiroler Landestheater verlosen wir 2 Tickets für die Vorstellung von „Codename Brookyln“ am 30.3. um 19:30 Uhr. Preisfrage: Welche Frau spielte eine Schlüsselrolle bei der „Operation Greenup“? Einsendungen bis 26. März per Mail an kirchenzeitung@dibk.at.

Zum Weiterlesen: Peter Pirker: Codename Brooklyn. Tyrolia Verlag 2024.

„Ich mache das für die Jugend“: Josef Weber als Zeitzeuge in der Produktion „Codename Brooklyn“, hier mit Daniela Bjelobradić.  | Foto: Birgit Gufler
Als Funker auf dem Dachboden versteckt: in "Codename Brooklyn" werden zwei der drei Agenten von Frauen gespielt.  | Foto: Birgit Gufler
Schüler:innen des BRG in der Au wirken an der Theaterproduktion als „Stimmen der Sichtweisen“ mit.  | Foto: Birgit Gufler
Das Haus in Oberperfuss, in dem sich der Funker versteckte.  | Foto: Kaltenhauser
Josef Weber beim Rundgang durch Oberperfuss.  | Foto: Kaltenhauser
Autor:

Lydia Kaltenhauser aus Tirol | TIROLER Sonntag

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