Pater Johannes Paul Abrahamowicz OSB
Evangeliums-Kommentar für den 10. September 2023

In einem guten, ernsthaften Gespräch kann man den anderen auf Fehler aufmerksam machen.  | Foto: fizkes - adobe.stock.com
  • In einem guten, ernsthaften Gespräch kann man den anderen auf Fehler aufmerksam machen.
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Soll ich meinen Groll auslassen? Na ja, das ist zwar…
Es fällt mir leicht, jemandem seinen Fehler so vorzuhalten, wie mir gerade zumute ist, ohne dabei Rücksicht zu nehmen, wie es ihm gerade geht. Denn je mehr ich wegen seines Fehlers frustriert bin, umso mehr möchte ich beim Zurechtweisen meinen Groll loswerden. Na ja, das ist zwar erleichternd. Aber nur für mich.

Zurechtweisen mit Liebe? Uff, das ist aber…
Laut dem Propheten Ezechiel ist jeder Mensch sogar dazu verpflichtet, den Mitmenschen, der sich verfehlt hat, zurechtzuweisen (Ez 33,7-9). Er ist deswegen dazu verpflichtet, weil eine ausgewogene Zurechtweisung die Qualität des Zusammenlebens verbessert. Solche Zurechtweisungen dienen der Pflege der Gemeinschaft, und zwar so sehr, dass du dich selbst schuldig machst, wenn du deinen Nächsten vor seinem schuldhaften Verhalten nicht warnst, sagt Ezechiel (1. Lesung). Wenn also die Zurechtweisung die Gemeinschaft verbessern soll, dann muss sie auch liebevoll geschehen. Uff, das ist aber schwer!

Und wenn ich das nicht schaffe? Hmmm, dann vielleicht…
Recht oft löst der Fehler eines Mitmenschen Ärger in mir aus. Ich weiß schon: Könnte ich ihn auf seinen Fehler in liebevoller Weise aufmerksam machen, wäre es besser. Aber wenn ich es einfach nicht schaffe? Hmmm, dann kann ich ihn vielleicht um ein Gespräch bitten, ihn also nicht zwischen Tür und Angel mit meiner Meinung überraschen, sondern ihm bei einem vereinbarten Termin erklären, warum ich mich ärgere – womöglich mit der Einsicht, dass mein Ärger sicher auch ein Fehler ist.

Zuerst verzeihen.
„Verzeihen“ heißt „trotzdem lieben“. Wer verzeiht, steht drüber, und wer drübersteht, der verzeiht. So ist es mir schon hie und da ergangen. Ich kann mir zwar niemals selbst anbefehlen, trotzdem zu lieben. Aber hie und da merke ich, dass es einfach so ist. Und nur, wenn ich trotzdem liebe, kann ich auch mit jemandem über seinen Fehler sprechen, ohne ihm weh zu tun.

Das ist gut für die Gemeinschaft.
Auch Jesus sagt, dass die Zurechtweisung der Pflege jeder Gemeinschaft dient und daher verpflichtend ist. Er gibt sogar einen Ablauf vor: zuerst unter vier Augen, dann vor Zeugen, usw. (Mt 18,15-17; Evangelium). So verdeutlicht er, dass die Zurechtweisung keine Ablehnung ist, vielmehr in Liebe und aus Liebe geschieht. Sie ist also ein Akt der Nächstenliebe, letztlich eine Zuwendung. Zusätzlich bildet sie auch Einheit mit der Gemeinschaft im Himmel (Mt 18,18). Auch Paulus denkt in diese Richtung: Wenn es eine Ermahnung gibt, die im Sinne Christi ausgesprochen wird, dann ist sie ein Zuspruch aus Liebe. Und aus ihr entsteht Gemeinschaft, weil diese Ermahnung aus Erbarmen und Mitgefühl ausgesprochen wird (Phil 2,1).

Das tut auch mir gut.
Man kann niemandem befehlen, nach einer Herzensverletzung trotzdem lieben und verzeihen zu können. Und wenn ich es mir selber anordnen möchte, zu verzeihen und trotzdem zu lieben, ist es ein hochmütiges Getue. Und wenn ich behaupte, das es mich Überwindung und Anstrengung kostet, zu verzeihen, dann ist das ein heuchlerisches und pseudofrommes Geschwafel, denn Liebe lässt sich einfach nicht anordnen. Wenn ich aber bedenke, wie sehr Gott jeden Menschen liebt, auch „diesen da, der mich gerade verletzt hat“, dann kann das meinen Hass in Liebe umwandeln. Ob diese Liebe echt ist, kann ich daran messen, wenn diese Liebe mich dazu motiviert, liebevoll zurechtzuweisen. Wenn ja, dann ist es aus Liebe und in Liebe geschehen. Das ist dann für alle heilsam, und so eine Zurechtweisung „deckt viele Sünden zu“ (Jak 5,20).

Zum Autor
Pater Johannes Paul Abrahamowicz OSB kam 1960 in Wien zur Welt, trat im Jahr 1978 in das Benediktinerstift Göttweig ein, studierte Philosophie und Theologie in Rom und empfing 1985 die Priesterweihe. Er war u. a. Kaplan in Hainfeld und Pfarrer in Furth. Von 2005 bis 2009 wirkte er als Prior in St. Paul vor den Mauern in Rom, seit Dezember 2009 ist P. Johnnes Paul als Priestermönch im Stift Göttweig tätig.

Autor:

Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt

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