800 Jahre Thomas von Aquin
Der stumme Ochse brüllt seit 800 Jahren

- Doctor Angekicus
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Am 28. Jänner feiert einer der größten Theologen der Kirche, Thomas von Aquin, seinen Gedenktag und 2025 seinen 800. Geburtstag. Ihm widmet „Kirche bunt“ die Serie „Doctor Angelicus“.
Hinter der Behäbigkeit, der Leibesfülle und der Schweigsamkeit war der unvergleichbare Scharfsinn oft nicht auf den ersten Blick erkennbar, der Thomas von Aquin bis heute zu einem der größten abendländischen Denker machen sollte. Seine Mitstudenten in Paris nannten ihn wegen erwähnter Eigenschaften den „stummen Ochsen“. Ihr Lehrer, der heilige Albertus Magnus, hingegen erwiderte ihnen prophetisch: „Ihr nennt ihn den stummen Ochsen, ich aber sage euch, das Brüllen dieses stummen Ochsen wird so laut werden, dass es die ganze Welt erfüllt.“
Eigentlich hatte man für den Spross des hochangesehenen Adelsgeschlechts, das sogar den damals amtierenden römisch-deutschen Kaiser zu seinen Mitgliedern zählte, anderes vorgesehen: Der Bruder des Grafen Landulf von Aquino war amtierender Abt im berühmten Kloster Montecassino. Gerne hätte der Vater Thomas als dessen Nachfolger gesehen. Er schickte ihn deshalb schon im Alter von fünf Jahren in die Abtei, um sich dort auf seinen Posten vorzubereiten. Seine drei Brüder hatten ihren Vater nicht enttäuscht und standen allesamt als Ritter im Dienst wichtiger Herrscherhäuser.
Doch der Jüngste, Thomas, durchkreuzte die Pläne seines Vaters: Anstatt Abt wollte er im Alter von 19 Jahren Bettelmönch werden – und zwar ausgerechnet im erst kurz zuvor gegründeten Dominikanerorden, der von den alteingesessenen Adelsfamilien mit gewissem Argwohn betrachtet worden war. Der Orden wollte Thomas von Aquin deshalb in Bologna vor seiner Familie in Sicherheit bringen. Doch am Weg dorthin entführten ihn zwei seiner Brüder auf Geheiß der Mutter und hielten ihn über ein Jahr in einem Turm am Familiensitz in Roccasecca gefangen.
Seinem Naturell entsprechend ließ Thomas die Gefangenschaft geduldig über sich ergehen und nutzte die Zeit zum Nachdenken und Philosophieren. Bloß einmal – angeblich sogar das einzige Mal in seinem Leben – geriet er in Rage, als seine Brüder ihn durch eine Frau in Versuchung führen wollten, die Thomas jedoch kurzerhand mit einem glühenden Holzscheit vertrieb. Angesichts seiner Standhaftigkeit lenkte seine Familie letztlich doch ein und ließ ihn zu den Dominikanern zurückkehren.
Nun konnte sich der Mönch seiner liebsten Beschäftigung widmen: der theologischen und philosophischen Wissenschaft. In Paris studierte er von 1245 bis 1248 bei Albertus Magnus, einem der wichtigsten Vertreter der mittelalterlichen Scholastik. Ziel der Scholastiker war es, große Fragen der Theologie und Philosophie durch Vernunft und logische Beweisführung zu erklären.
Rechtgläubigkeit und Vernunft schließen einander nicht aus.
Thomas übernahm für sich die Lebensaufgabe seines Lehrers: das vernunftbasierte Denken des antiken Philosophen Aristoteles mit der christlichen Theologie zu versöhnen. Dieser Zugang stellte eine Revolution im mittelalterlichen Denken dar, das zu diesem Zeitpunkt nicht wenige Anwender ihrer Vernunft als Ketzer verurteilte. Thomas von Aquin zeigte erstmals anschaulich, dass Rechtgläubigkeit und Vernunft einander nicht ausschließen – im Gegenteil: Durch korrekten Gebrauch der eigenen Vernunft seien gar keine anderen Schlüsse als die von der Kirche gelehrten möglich, so Thomas. Das Philosophieren brachte ihn außerdem niemals dazu – wie viele Philosophen der Neuzeit dies später versuchten –, den gesunden Menschenverstand anzuzweifeln. Seine Lehre stützt sich – wie es der britische Schriftsteller G. K. Chesterton formulierte – stets auf die Überzeugung, „dass zwei Kräfte am Werke sind, die Wirklichkeit und die Erkenntnis der Wirklichkeit, und ihre Begegnung ist eine Art Vermählung“.
Obwohl Thomas von Aquin nach Abschluss seiner Studien an einigen der damals bedeutendsten Universitäten lehrte und eine unglaubliche Fülle an wissenschaftlichen Werken hinterließ, blieb die Demut zeitlebens sein dominierender Charakterzug. Das Streben nach kirchlicher oder politischer Macht blieb ihm fremd, er war als nachdenkender Bettelmönch zufrieden. Dennoch brachten ihm seine körperlichen Ausmaße seitens seiner ideologischen Feinde den Vorwurf ein, ausschweifend gelebt zu haben. Noch 250 Jahre nach seinem Tod spottete etwa Martin Luther, der Thomas’ Lehre radikal ablehnte, darüber, man habe in den Schreibtisch des Heiligen ein Loch sägen müssen, damit er überhaupt Platz gehabt hätte.
In Wahrheit widmete Thomas von Aquin sein Leben ganz der Wissenschaft und seinen Aufgaben im Orden. Er scheute und mied gesellschaftliche Anlässe, zu denen er häufig eingeladen worden wäre. Selbst das Ziel seiner letzten Reise wäre der Theologie gewidmet gewesen: das Zweite Konzil von Lyon 1274. Die Reise fand jedoch am 7. März 1274 mit seinem Tod im Kloster Fossanova ein jähes Ende. In seinem kurzen Leben von nicht einmal 50 Jahren hinterließ Thomas ein derart gewaltiges Erbe, dass ihm bis heute ein Platz unter den größten Denkern des Abendlandes und des Christentums sicher ist. Der noch heute gerne „Doctor angelicus“ (engelsgleicher Lehrer) genannte Thomas von Aquin wurde 1323 heiliggesprochen und 1567 zum Kirchenlehrer erhoben. 1879 wurde seine Lehre durch Papst Leo XIII. offiziell zum Maßstab der katholischen Theologie erklärt.
Felix Deinhofer


Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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