Interview mit Bischof Dr. Alois Schwarz
Unser Leben glückt über den Tod hinaus
Im Interview zu Allerheiligen/Allerseelen spricht Bischof Dr. Alois Schwarz über die Botschaft des Festes für die Menschen, über sich verändernde Begräbnisfeiern, aber auch über die Corona-Pandemie und über das „beste
Rezept“, um die gegenwärtige Krise zu bewältigen.
Was gibt den Menschen in der Zeit der Corona-Pandemie Hoffnung? Verändert die Pandemie unsere Einstellung zum Tod?
Bischof Alois Schwarz: Ich möchte sagen: die Liebe und das Vertrauen zueinander. Gerade in solchen Zeiten
der Dunkelheit, der Angst, der Verzweiflung, der Sorge um die Gesundheit innerhalb der Familie… brauchen
wir Gespräche, die uns stärken, die uns aufrichten. Und ja, es kann sein, dass dies auch im Gespräch mit lieben Verstorbenen oder den Heiligen sein kann. Die unmittelbaren sozialen und wirtschaftlichen Folgen fordern alle zu einem neuen Denken über das Leben und das Sterben. So gesehen möchte ich sagen: Ja, ich denke, wir Menschen beginnen unser Leben neu zu ordnen und da gehört auch die Endlichkeit des Lebens, das Sterben, dazu.
Braucht es Allerheiligen/Allerseelen, um uns an unsere Vergänglichkeit hier auf Erden zu erinnern?
Schwarz: Allerheiligen erinnert uns, dass das Leben der Menschen über den Tod hinaus glückt. Es erinnert
uns an diejenigen, denen wir das Leben verdanken und die mit uns glücklich waren und uns so vieles geschenkt
haben. Allerseelen erinnert uns, dass wir Menschen auch die nicht vergessen sollen, die vielleicht niemanden hatten oder im Leben zu kurz gekommen sind, an Menschen, mit denen wir gelitten und geweint haben. Christen zeigen die Verbundenheit mit den Verstorbenen durch das Gebet und die Feier des Gedenkens bei einer heiligen Messe. Viele Menschen haben die religiösen Praktiken verlernt.
Was empfehlen Sie Menschen zu Allerseelen, die ihrer lieben Verstorbenen gedenken wollen, aber nicht mehr wissen wie?
Schwarz: Ich kenne viele Menschen, die in den Tagen vor Allerheiligen ans Grab ihrer Lieben kommen und ihnen
gleichsam den Platz der Ruhe wunderschön gestalten. Allein diese Haltung ist ein schöpferischer Akt, ein Verbunden-Sein mit dem, was heilig ist, nämlich unserem Schöpfer. Auch wenn man weiß, dass der/die Verstorbene mit ihrem ganzen Körper nicht mehr hier unter der Erde ist, so ist die Grabstätte ein Ort der Erinnerung, ein heiliger Ort, an dem die Begegnungen und Erlebnisse, die Erfahrungen, vielleicht auch die Enttäuschungen verortet sind. Ich lade ein, zu Allerheiligen an die Gräber zu gehen, eine Kerze anzuzünden und ein Gebet zu sprechen. Wer sich mit dem Beten schwer tut, der kann auch im Gespräch mit dem/der Verstorbenen, einem/einer Heiligen eine Begegnung der Transzendenz erleben.
Begräbnisse waren früher immer eine Sache der Kirche. Gerade in größeren Städten bieten mehr und mehr Begräbnisinstitute einen fast schon sakralen, aber kirchenfernen und priesterlosen Feierakt an. Wie soll die Kirche damit umgehen?
Schwarz: Das Begräbisritual der Kirche hat eine große Kraft des Trostes. Wo es einfühlsam und sehr sensibel in der Sprache und in den Zeichen gefeiert wird, stärkt es die Hinterbliebenen beim Abschiednehmen. Auch in einem „kirchenfernen und priesterlosen Feierakt“ – wie Sie das nennen – gibt es die Worte des Trostes, der Wertschätzung und der Liebenswürdigkeit im Blick auf den verstorbenen Menschen. Wer immer sich dieser Worte bedient, handelt im Sinne unseres Gottes, und das ist gut. Natürlich sehe ich das Spenden des Trostes an die Trauernden als eine zentrale Aufgabe innerhalb der Kirche.
Derzeit wird alles getan, um Todesfälle durch das Corona-Virus zu vermeiden. Die Frage stellt sich: Wieviel darf, wieviel muss getan werden, um ein Menschen - leben zu retten?
Schwarz: Es muss alles Menschen-Mögliche getan werden. Die Kirche setzt sich immer für das Leben der Menschen ein, sei es im Mutterleib oder am Ende des Lebens im Blick auf ein würdiges Altern. Das Leben der Geschöpfe und damit auch der Menschen ist der Kirche heilig, weil es von Gott kommt und daher nicht zerstört, misshandelt, vernichtet werden darf. Wir wissen dennoch aus der Vergangenheit, dass den Vertretern der Kirche dies nicht immer gelungen ist und gelingt. Und das bedauere ich zutiefst.
Auch in seiner neuen Enzyklika „Fratelli tutti“ spricht Papst Franziskus die Corona-Pandemie an. Diese habe viele falsche Sicherheiten offengelegt und er warnt davor zu glauben, dass wir allmächtig sind, und zu vergessen, dass wir alle in einem Boot sitzen. Sind wir Menschen – Staaten – unfähig, in Krisen insgesamt und im Speziellen in
der Corona-Pandemie gemeinsam zu handeln?
Schwarz: Ich denke, dass eine solche noch nie dagewesene Situation in den vergangenen Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg ein Ausnahmezustand ist. Wir können nicht zugreifen auf Erfahrungen und Notfallprogramme. Gerade da ist es besonders wichtig, im Umgang untereinander korrekt und sachlich zu bleiben. Es bringt nichts Lebensförderndes, wenn wir aufeinander losgehen und uns gegenseitig die Schuld zuweisen. Wir haben es mit einer Situation zu tun, wo man sich sehr schnell für einen Weg entscheiden muss. Ja, vielleicht stellt sich im Nachhinein heraus, dass der Weg nicht gut genug war. Da nützt es nichts, nach Bestrafungen zu ringen, sondern es hilft, sich konstruktiv einzubringen und gemeinsam – und damit meine ich über jede politische Parteigrenze und über jede Landesgrenze hinaus – einander zu helfen und beizustehen.
Papst Franziskus empfiehlt der Menschheit, sich wieder auf die uralten Grundlagen der Nächstenliebe zu besinnen. Ist das das ,,beste Rezept“, um die gegenwärtigen Probleme zu lösen?
Schwarz: Ja, das sehe ich auch so. Das kann ich nur unterstreichen. Wörtlich schreibt der Papst: „Sorge tragen für die Welt, die uns umgibt, bedeutet Sorge tragen für uns selbst. Wir müssen uns aber zusammenschließen in einem Wir, welches das gemeinsame Haus bewohnt.“
Sie haben mit Dr. Christoph Weiss einen sehr jungen Generalvikar bestellt. Welche Hoffnung knüpfen Sie an ihn und welche Hoffnung haben Sie für die Zukunft der Diözese St. Pölten?
Schwarz: Für mich ist der künftige Generalvikar Christoph Weiss ein großer Hoffnungsträger für eine Kirche, die es ermöglicht, auch auf die jungen Menschen zuzugehen. Er hat viele gute Ideen und ist voller Elan und Tatendrang, in unserer Diözese neue Wege zu beschreiten. „Brannte nicht unser Herz“ heißt es bei den Emmausjüngern in der Heiligen Schrift. Dr. Weiss ist einer, der brennt für die Sache, und das hat mich überzeugt. In der Enzyklika sagt Papst Franziskus, dass auch in der Lehre der Kirche Handlungsbedarf nötig sei – etwa mit Blick auf die Rolle der
Frauen, denen der Papst die gleiche Würde und die gleichen Rechte zuschreibt.
Sie haben kürzlich die Frauenkommission in der Diözese St. Pölten per Dekret errichtet. Welche Impulse erwarten Sie sich von der Frauenkommission?
Schwarz: Ich erwarte mir von der Frauenkommission, dass Sie die Frauen innerhalb der Kirche im Blick hat. Ich wünsche mir, dass sie auch auf jene zugeht, denen großes Unrecht geschehen ist. Ich erhoffe, dass sie gleichsam einen Blick für das Heilige hat und es den Menschen ans Herz legt. Ich brauche Dolmetscherinnen und Dolmetscher für das Heilige. Die Frauenkommission wird eine Kulturveränderung in die Wege leiten, die ebenso Männer und ihr Selbstverständnis im Blick auf Frauen einbezieht.
Autor:Sonja Planitzer aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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