Interview mit Diözesandirektor Poschenrieder
„Jeder von uns hat eine Sendung“
Zwölf Missionarinnen und Missionare aus der Diözese St. Pölten wirken fern der Heimat bei Menschen, die Christus noch nicht (gut) kennen und oft in großer Armut am Rande der Gesellschaft leben. Die Missio-Diözesanstelle steht mit diesen Missionarinnen und Missionaren in regelmäßigem Kontakt. Zum Missionssonntag am 18. Oktober baten wir Diözesandirektor Mag. Christian Poschenrieder zum Interview und sprachen mit ihm über Mission früher und heute, über gelingende Arbeit von Missionarinnen und Missionaren oder über die Notwendigkeit von Mission heute bei uns in Österreich.
In früheren Zeiten ging es bei der Arbeit von Missionaren häufig hauptsächlich darum, neue Christen zu werben. Oft mit zweifelhaften Methoden. Was bedeutet Mission heute?
Diözesandirektor Christian Poschenrieder: Es stimmt, dass in früheren Zeiten oft zweifelhafte Methoden angewandt wurden. Das möchte ich gar nicht leugnen. Dies muss sich aber jeder heute auch fragen, inwieweit seine Methode ganz korrekt ist. Jeder Zwang ist natürlich zu vermeiden und dazu gehört z. B. auch jeder unmoralische Druck. Abhängigkeiten finanzieller oder sozialer Art dürfen ebenfalls unter keinen Umständen ausgenutzt werden. Die Gefahr ist groß. Andererseits möchte ich doch hinweisen, dass es ganz viele hervorragende Missionare in der katholischen Kirche gegeben hat, die durch ihre Begeisterung, durch ihr hervorragendes Apostolat, durch ihr persönliches Vorbild im Glauben und durch ihre mitreißenden Predigten Menschen für Christus begeisterten und vom Heidentum zum Christentum bekehren konnten. Das ist auch heute noch gefragt: Mission heißt Sendung. Jeder von uns hat eine Sendung. Jeder von uns hat einen Auftrag. Jeder Christ ist getauft mit einem Sendungsauftrag. Die heilige Theresia von Lisieux, die selber Missionarin sein wollte, aber dann im Karmel hinter Klostermauern gelebt hat, hat diesen Auftrag erfüllt, indem sie für Missionare gebetet hat.
Was bedeutet Inkulturation? Soll die Kirche überall ein regionales Antlitz bekommen oder die vorgefundenen Kulturen verwandeln?
Poschenrieder: Diese Frage hängt eng mit der ersten Frage zusammen. Wenn wir in die Kirchengeschichte hineinschauen, hat es immer auch gewisse Spannungen gegeben. Welche Bräuche in den verschiedenen Gegenden auf der Erde darf und soll ich übernehmen? Was kann ich in die katholische Kirche integrieren und was widerspricht dem katholischen Glauben? Die nächste Frage ist, was darf ich tolerieren und momentan aus klugen Überlegungen ausklammern. Grundsätzlich ist es sicher so, dass die Kirche nicht nur ein regionales Antlitz bekommen soll, sondern immer auch ein regionales Antlitz bekommen wird. Die Kirche besteht aus Menschen und Menschen sind verschieden. Jeder Christ wird seinem Glauben immer einen entsprechenden Ausdruck verleihen, und dieser Ausdruck wird nicht immer so sein wie in Europa oder in Österreich. Manches Christliche wird, wenn Menschen sich zum Christentum bekehren, sicher in die vorgefundene Kultur eindringen, und daher wird es die Kultur verwandeln.
Was sind die Merkmale gelingender Mission?
Poschenrieder: Ein wichtiges Merkmal einer gelungenen Mission ist, wenn die Freude bei diesen Christen vorherrscht. Wir nennen es die frohe Botschaft. Gott will frohe Christen. Wir sehen missionarischen Aufbruch dort, wo diese christliche Freude z. B. in der Liturgie spürbar ist. Die Folge einer fruchtbaren Mission ist, wenn der Glaube gelebt wird, wenn Menschen Sehnsucht haben, in der heiligen Messe eine Begegnung mit Christus zu erfahren, wenn die Sakramente als Gnadenmittel angenommen werden. Sichtbar ist es besonders, wenn sich viele Menschen für die Ganznachfolge im Priester und Ordensberuf entscheiden.
Was leisten unsere Missionarinnen und Missionare vor Ort?
Poschenrieder: Natürlich ist es bei unseren Missionarinnen und Missionaren auch vor Ort unterschiedlich. Die Situation in Asien ist anders als in Afrika oder Südamerika. Es gibt Gegenden, in denen man mit evangelikalen Strömungen sehr zu kämpfen hat wie in Südamerika. Der afrikanische Kontinent hat sicher ganz andere Probleme wie Asien. Dort gibt es Gegenden, in denen der Islam sehr aggressiv auftritt, dann aber gibt es auch wieder Länder, in denen ein sehr moderater und liberaler Islam zugegen ist, der es aber auch nicht leicht macht, die Menschen christlich-religiös zu motivieren. Ich denke an P. Leopold Kropfreiter, der in Kasachstan wirkt. Grundsätzlich gleichen sich aber die Aufgaben unserer Missionarinnen und Missionare insofern, dass sie durch ihre Anwesenheit und ihr Leben Zeugnis für Christus vor Ort ablegen. Oft ist in diesen Ländern des Südens eine große Armut vorhanden. Der soziale Einsatz unserer Missionarinnen und Missionare ist nicht zu unterschätzen. Immer wieder bekommen wir auch Rückmeldungen, dass die Leute sehr dankbar sind und dass die Nächstenliebe vor Ort gelebt wird. Die Not ist oftmals deutlich sichtbar und dieses Dasein für die Ärmsten der Armen ist das gelebte Evangelium. Besonders jetzt in der Zeit der Pandemie höre ich vom Verteilen von Nahrungsmittelpaketen an Familien, die unter der noch schwierigeren wirtschaftlichen Situation leiden.
Wie schwer ist die Aufgabe, als Missionar bzw. Missionarin im Ausland tätig zu sein? Gibt es da auch Heimweh, kann man da angesichts der Not auch hin und wieder die Kraft verlieren?
Poschenrieder: Da ich nicht selbst in der Mission tätig bin, kann ich nur versuchen, mich hineinzudenken. Ich bin zwar selbst aus Deutschland, sodass man mit ein wenig Schmunzeln sagen kann, dass ich ein Missionar in Österreich bin, doch ist mein Elternhaus mit dem Auto nur ungefähr drei Stunden entfernt. Es ist aber dieselbe Sprache und natürlich ein ganz ähnlicher Kulturkreis, sodass ich nie Heimweh hatte. Ich kann mir aber vorstellen, dass der eine oder andere Missionar damit zu kämpfen hat und dass es für ihn schwer ist, weit weg von der Heimat leben zu müssen. Ich weiß auch von Fällen, bei denen es so akut geworden ist, dass der Missionar wieder in die Heimat zurückgerufen wurde. Natürlich spielen auch andere Dinge eine Rolle, wie Gesundheit, seelische Verfassung, eigene Widerstandskraft und körperliche Verfassung.
Was ist die größte Herausforderung für die Missionarinnen und Missionare?
Poschenrieder: Für mich und für viele andere, so scheint mir, ist die größte Herausforderung, die Sprache zu lernen. Es braucht Einfühlungsvermögen und ich muss dort in einer fremden Gegend leben und nach einer gewissen Zeit so verwurzelt sein, dass ich akzeptiert werde und dass ich auch eine Ausstrahlung habe. Die Leute müssen spüren, dass besonders mein Glaube mich trägt und es mir ein großes Anliegen ist, diesen Glauben mit anderen zu teilen.
Wie groß ist die Sorge um die Missionare nicht nur, aber gerade jetzt in Coronazeiten?
Poschenrieder: Ich glaube aus den Berichten der Missionare herauszuhören, dass es nicht nur alle Gegenden der Welt betrifft, sondern dass es teilweise noch schmerzhafter in Gegenden ist, in denen viele Menschen zum Gottesdienst kommen. Wenn hier Einschränkungen gemacht werden müssen und die Leute gar nicht und nur in beschränkter Zahl in die Kirche kommen dürfen, tut das einem gläubigen Christen weh. Hier in Österreich ist der Kirchenbesuch stark rückläufig und die Sitzplätze in den Kirchen sind oft sehr lückenhaft belegt. Vielen Menschen ist die Sonntagsmesse kein Bedürfnis mehr, doch wenn in Gegenden Kirchen normalerweise überfüllt sind und dann plötzlich alles zum Stillstand kommt und kein Messbesuch mehr oder nur noch unter Auflagen oder mit einer begrenzten Anzahl möglich ist, gibt es doch ganz große Sehnsucht nach den Sakramenten.
Wie unterstützt die Missio-Diözesandirektion die Missionare/Missionarinnen vor Ort?
Poschenrieder: Natürlich haben wir die Möglichkeit, unsere Missionare finanziell zu unterstützen, und wir tun das auch. Sie bekommen von Missio Österreich eine „Weihnachtsgabe“. Sie bekommen unsere Kirchenzeitung „Kirche bunt“ entweder per Post oder als E-Paper. Immer wieder können wir auch Projekte vor Ort durchführen, die finanziell von Missio Österreich getragen werden. Wir halten Kontakt mit ihnen, so gut es geht. Wenn sie auf Heimaturlaub sind, ist es immer eine ganz große Freude, wenn es zu einem Treffen kommt. Besonders wollen wir unsere Missionare natürlich durch unser Gebet unterstützen.
Ist es möglich, mit allen guten Kontakt zu halten?
Poschenrieder: Ja, normalerweise gibt es da keine Probleme. Besonders der E-Mail-Kontakt funktioniert sehr gut. Doch sind beim einen oder anderen Missionar kleine Schwierigkeiten möglich. Ich denke daran, dass manchmal die Post nicht sehr zuverlässig ist und sehr spät ankommt. Ich denke auch an unsere älteren Missionare, die schon mit körperlichen Problemen und Leiden leben müssen. Eine Schwester sieht nicht mehr so gut …
Was berührt Sie am meisten, wenn Sie von den Missionaren hören?
Poschenrieder: Wenn jemand in die Mission geht, muss das ideelle Gründe haben, und er oder sie muss eine ganz große Begeisterung für Christus und seine Kirche haben, um alles hinter sich zu lassen. Als Priester verzichtet man auf Frau, Kinder und Familie, als Missionar auch noch auf seine Heimat!
Wie können „Kirche bunt“-Leser unsere Missionare und Missionarinnen unterstützen?
Poschenrieder: Da darf und kann ich natürlich hauptsächlich nur auf das Gebet verweisen. Wir von Missio Österreich versuchen natürlich auch immer wieder, bestimmte Aktionen durchzuführen. Momentan gibt es eine Postkartenaktion. Wir laden ein, für die österreichischen Missionarinnen und Missionare zu beten und sich im Monat der Weltmission mit ihnen durch einen Postkartengruß zu verbinden!
Papst Franziskus sagt: „Fangt mit dem Gebet an! Versetzt eure Heimat in eine missionarische Aufbruchsstimmung!“ Wie nötig ist Mission heute im eigenen Land?
Poschenrieder: Das ist die große Herausforderung, denn die Lage ist gekippt. Wir sind heute mehr denn je Missionsland geworden. Wir sehen das an den vielen ausländischen Priestern, die bei uns missionieren. Papst Franziskus, unser großer Missionspapst, kommt aus einem Missionsland (Argentinien) und möchte die Mission fördern. Er sagt: Geht an die Ränder! Sprecht von eurem Glauben mit Begeisterung. Natürlich darf es kein Abwerben von anderen Religionen sein, das mit unethischem Verhalten Menschen zum Übertritt zwingt. Wir wollen freundlich einladen und nicht Proselytismus (Abwerben von anderen Religionen, Anm. der Red.) betreiben. Papst Franziskus sagt: „Proselytismus ist eine Riesendummheit.“ In unserem Land ist, wie der heilige Papst Johannes Paul II. immer wieder erinnert hat, eine Neuevangelisierung dringend notwendig und da muss in unseren Köpfen schnellstens ein Umdenken stattfinden.
Autor:Sonja Planitzer aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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