Gedanken von Bischof Alois Schwarz
Bleiben wir zuhause: Ich für Dich, Du für mich!

Bischof Dr. Alois Schwarz | Foto: Diözese St. Pölten/Moritz Schell

Wer von uns hätte zu Silvester gedacht, dass dieses Jahr ein Jahr solcher Herausforderung sein wird? Es geht nicht darum, in Panik zu verfallen, sondern darum, einer Realität ins Auge zu sehen und in großer Solidarität zueinander den Weisungen unserer Regierenden zu vertrauen. Ich schreibe Ihnen das deshalb, weil wir wissen und immer wieder hören, dass diese Anordnungen übertrieben seien. Ich kann Ihnen eines versichern: Jetzt ist nicht die Zeit, alles in Frage zu stellen, jetzt ist die Zeit, die Anordnungen zu befolgen, damit am Ende unsere Trauer nicht zu groß sein wird.

Damit wir aber diese für uns so fordernde Zeit gut überstehen können, müssen wir unsere inneren Kräfte mobilisieren. Was sind unsere inneren Kräfte und geistigen Ressourcen, die uns Orientierung in dieser persönlichen und gesellschaftlichen Krise geben? Wir dürfen lernen, uns selbst auszuhalten, und zwar mit unseren inneren Fragen, Aggressionen, Sorgen und Ängsten. Oft versteckt sich hinter der Angst Gereiztheit, Zorn, Wut oder ein aggressives Verhalten. Wir müssen lernen zu unterscheiden, was es auszuhalten gilt und was von uns verändert werden sollte. Dabei nützt es wenig, alles Negative nur bei den anderen zu suchen und nicht bei sich selbst. Jetzt ist nicht die Zeit, Beziehungen in Frage zu stellen. Jetzt müssen wir zusammenhalten, einander stärken und uns daran erinnern, wie gut wir einander einmal waren oder sind.

Wer alleine lebt, der darf die Beziehung zu sich selbst wertschätzend entdecken, denn: Jetzt ist auch nicht die Zeit, sich selbst in Frage zu stellen. Es geht darum, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Innenleben und Außenwelt zu gewinnen. Vielleicht bemerken wir auch, dass uns das abhanden gekommen ist. Das äußere Leben, die Arbeit, die Aktivität und der Erfolg werden belohnt. Wenn wir viel zu tun haben, müssen wir uns selbst nicht spüren.

Aber genau darin liegt die Chance dieser Krise. Können wir die Zeit schätzen, die wir haben? Ich höre immer wieder, dass viele Menschen diese Zeit nützen, eine längst fällige Ordnung in ihren Wohnungen und Häusern herzustellen. Das finde ich eine besonders wertvolle Tätigkeit. Das äußere Ordnen der Dinge darf in weiterer Folge in ein inneres Ordnen der Beziehungen führen. Ich lade Sie ein: Melden Sie sich bei Menschen, von denen sie schon lange nichts gehört haben: Per Telefon, SMS oder mit einer WhatsApp-Nachricht. Präsent zu sein muss nicht physische Anwesenheit bedeuten.

An dieser Stelle möchte ich auch allen Politikern und Politikerinnen danken, die sich tagtäglich für uns und unser Land zur Verfügung stellen, damit diese Krise nicht ungeahnte Ausmaße annimmt. Im gleichen Atemzug danke ich den unzähligen Menschen, die sich nun nicht zurückziehen können. Hier denke ich an die Menschen in Medizin und Pflege, in den Blaulichtorganisationen von Rettung, Feuerwehr und Polizei, an die Apothekerinnen und Apotheker, aber auch an die Frauen und Männer in Supermärkten und in den Hilfsorganisationen. Sie erbringen Höchstleistungen. Ich höre aus vielen Gemeinden und Pfarren, dass nachbarschaftlich und unkompliziert aufeinander geschaut, einander geholfen wird. Wir sind da, füreinander. Das trägt und hält uns durch diese Zeit.

Jetzt ist oft davon die Rede, dass wir mehr Zeit zum Beten haben. Das bedeutet, dass Menschen zu den Gebeten wie Vaterunser oder dem Rosenkranz zurückgreifen. Manche werden in der Bibel lesen und sich in den Psalmen wiederfinden. Suchen Sie sich ein religiöses Bild oder stellen Sie sich vor ein Kreuz und schauen einfach auf zu dem, der uns im Leiden liebt. Andere werden vielleicht ein inneres persönliches Gespräch mit Gott führen und ihm erzählen, was ihnen am Herzen liegt. Ohne gemeinsame Messen bekommen die Tage, vor allem der Sonntag eine eigene Stimmung: Seien wir sicher, dass die Gemeinschaft in Chris­tus über jede Distanz und Grenze zusammenhält. Vielleicht finden Sie Trost darin, dass ich stellvertretend für Sie alle täglich die Messe lese.

Wichtig scheint mir, dass wir jetzt nicht so weitermachen wie bisher. Wir sollten uns neu orientieren. Immerhin geht es um unser Leben, für manche geht es um das Überleben. Dazu brauchen wir all unsere Kräfte und Hoffnung, damit letztlich diese Krise überwunden werden wird und wir sagen dürfen: GEMEINSAM ist es uns geglückt!

Bleiben wir zuhause: Ich für dich und du für mich!

Euer Bischof Alois Schwarz

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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