Serie 800 Jahre Thomas von Aquin, Teil 3
Der Meister aller

- Darstellung des zehnten Gesanges von Dantes Paradiso: Dante und Beatrice treffen die 12 Weisen, angeführt von Albertus Magnus und Thomas von Aquin.
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Am 28. Jänner feierte einer der größten Theologen der Kirche, Thomas von Aquin, seinen 800. Geburtstag. Ihm widmet „Kirche bunt“ die Serie „Doctor Angelicus“.
Wenn, wahre Lieb’ entzündend, dir der Glanz der Gnade lacht, der sich durch Liebe mehret ...“ So beginnen die Worte, die der italienische Dichterfürst Dante Alighieri Thomas von Aquin in den Mund legt, als dieser ihm im Paradies der Göttlichen Komödie erscheint. In fiktiver Rede bringt Dante zum Ausdruck, was sich im ersten und zweiten Teil der Serie von Kirche bunt vermittelte: Thomas von Aquins Schreiben, seine Philosophie und Theologie war von Liebe geprägt – Liebe zu Gott und seiner Schöpfung, verbunden mit dem unbedingten Wunsch, diesen Gott den Menschen und der Wissenschaft zu vermitteln.
Thomas erscheint Dante als Erster einer Reihe großer Lehrer der Weisheit. Hinter ihm folgen sein Lehrer Albertus Magnus, Petrus Lombardus, sogar König Salomo. Knappe hundert Jahre trennen den Tod Thomas‘ und die Vollendung der Göttlichen Komödie – keine lange Zeit und doch hatte der Aquinat eine so herausragende Stellung, dass der größte Dichter des Mittelalters ihn als den Anführer dieser großen Gelehrten darstellt.
Dante steht mit seiner Meinung nicht alleine da: Nicht lange nach dem Tod des „Doctor Angelicus“ verpflichtete sich sein Orden, die Dominikaner, auf seine Lehre. Das war durchaus folgenreich, waren die Dominikaner doch sowohl auf den Universitäten als auch in der kirchlichen Inquisition tonangebend. Die frühen „Thomisten“, also jene, die seinem Denken anhingen, erschlossen sein Werk durch Kommentare, zusammengefasste Ausgaben und Konkordanzen.
Der schiere Umfang seines Werkes, die Dichte und gleichzeitig Breite, sein Rückgriff auf die Erfahrung als Ausgangspunkt jeder Erkenntnis und die aristotelische Philosophie, ohne dabei die Autorität der Heiligen Schrift zu leugnen, machten ihn zum unumstrittenen Lehrmeister der Kirche und der theologischen Wissenschaft. Das Grundlagenbuch für Theologiestudenten wurde die Summa Theologiae, eine Zusammenschau von Thomas Denken. Auch die kritische Auseinandersetzung mit seinem Werk, besonders durch Mitglieder des Franziskanerordens, beförderte seinen Ruhm nur. Kurz: Der Siegeszug des Thomismus durch die Geistesgeschichte des Abendlandes war nicht aufzuhalten. Seine Theologie wurde weiterentwickelt, sein Werk fortgeschrieben, seine Gedanken vervielfacht.
Der Siegeszug des Thomismus war nicht aufzuhalten.
Manche betrachteten die Werke der Thomisten als spekulative Spitzfindigkeiten. Einer der fundamentalsten Kritiker, der nicht nur den Thomismus, sondern die Scholastik als solche ablehnte, war der Franziskaner Wilhelm von Ockham. „Ockhams Rasiermesser“ ist ein berühmt gewordener Grundsatz dieses radikalen Denkers: Alles, was im Denken auch nur irgendwie unnötig erscheint, muss abrasiert werden – und dazu gehört vor allem die philosophische Spekulation. In diese hätten sich die Gelehrten seit Thomas verstiegen, so Wilhelm. Das verleitete den Franziskaner zu der Annahme, dass die Philosophie in der Theologie nichts zu suchen habe. Das Wort Gottes alleine genügt!
Hier klingen bereits die Worte jenes Mannes an, der Ockham als seinen Lehrer bezeichnete und an Thomas nicht nur die polemischste, sondern auch die nachhaltigste Kritik übte: Martin Luther und sein Credo „Sola Scriptura“ – Nur die Bibel besitzt Autorität in Glaubensfragen.
Thomas in der Gegenreformation
In der Gegenreformation musste sich die Theologie neu erfinden und tat das auch im Rückgriff auf den Ur-Thomas. Es waren vor allem die Jesuiten, die sein Denken mit dem Humanismus zu versöhnen und weiterzuentwickeln versuchten. Doch die theologische Landschaft wurde vielfältiger: Mit der Aufklärung und den damit einhergenenden naturwissenschaftlichen Fortschritten wuchsen die Anforderungen an die Theologie; man entwickelte neue Methoden im Umgang mit der Heiligen Schrift, begann, mehr aus dem Schatz der Kirchenväter zu schöpfen.
Letztlich aber blieben viele neue theologische Ansätze im Lichte moderner Philosophie ratlos. Vorstöße, Immanuel Kants gottesfernen Idealismus mit dem Glauben der Kirche zu versöhnen, scheiterten. Und so blieb der Kirche nichts anderes, als wiedereinmal zu Thomas zurückzukehren: Papst Leo XII nannte ihn „Fürst und Meister aller“ und machte ihn zum Maßstab der Theologie, nicht zuletzt deshalb, weil er bewiesen habe, dass Vernunft und Glaube einander nicht ausschließen. Das bisher letzte große Kapitel der thomistischen Theologiehistorie begann: der Neuthomismus, der die Kirche der Neuzeit prägte und ins 20. Jahrhundert führte.
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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