Der Berg der Erkenntnis: Petrarca und Humanismus

Die vieldeutige Laura: So war angeblich der Name der Muse Petrarcas, „l‘auro“ ist auch das Gold von Amors Pfeil und „poeta laureatus“ ist der Name der Dichterkrone, die Petrarca 1341 erhielt.  | Foto: commons.wikimedia
  • Die vieldeutige Laura: So war angeblich der Name der Muse Petrarcas, „l‘auro“ ist auch das Gold von Amors Pfeil und „poeta laureatus“ ist der Name der Dichterkrone, die Petrarca 1341 erhielt.
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Am 19. Juli jährt sich der Todestag des Dichters und Humanisten Franceso Petrarca zum 650. mal. Er stellt den Menschen in den Mittelpunkt seines Denkens: Die Hinwendung zum Selbst aber war ein tief religiöses Erlebnis.

Es waren zwei Erlebnisse, die Francesco Petrarcas Leben eine bleibende Prägung aufdrücken sollten. Am Ostermontag des Jahres 1327 traf er in einer Kirche in Avignon die schönste Frau, der er je begegnen sollte: Laura, ein sechzehnjähriges, bereits verheiratetes Mädchen, dem Petrarca seine Berufung zum Priestertum opferte und 317 Sonette widmete. Die Liebe blieb unerwidert, die Passion aber, die Laura in ihm hervorrief, dauerte an, fand ihr Ventil einzig in unermüdlichem Schreiben, das ihn zu einem der drei großen italienischen Dichterfürsten neben Dante und Bocaccio machte.
Das zweite Erlebnis ereignete sich bei etwas damals sehr Ungewöhnlichem: einer Bergtour, die der junge Dichter 1336 unternahm und auf den 1.909 m hohen Mont Ventoux führte. Petrarcas geistiges und spirituelles Vorbild, der heilige Augustinus, ein steter Wegbegleiter des Dichters, war auch bei dieser Wanderung dabei: Immer hatte er nämlich ein Exemplar von Augustinus‘ Schilderung seiner Konversion zum Christentum, den Confessiones, dabei. Als Petrarca, bewegt vom Anblick der Naturgewalt und Schönheit zu seinen Füßen, das Buch aufschlug, fiel sein Blick auf folgenden Satz: „Und es gehen die Menschen hin, zu bestaunen die Höhen der Berge, die ungeheuren Fluten des Meeres, die breit dahinfließenden Ströme, die Weite des Ozeans und die Bahnen der Gestirne und vergessen darüber sich selbst“.

"Der Aufstieg ist ein Bild für Petrarcas seelische Reise."

Für Petrarca konnte es kein Zufall sein, dass ihm diese Stelle zu diesem Zeitpunkt in die Hände fiel. Noch vielmehr, da er während seines Aufstieges auf den Gipfel über den Weg von einem in Sünde verstrickten zu einem gottgefälligen Leben nachdachte – ein Weg, den er so gerne einschlagen würde, für den er sich aber doch zu schwach fühlte. Deshalb ist ihm auch Augustinus so nahe: Auch er haderte mit der eigenen Sündhaftigkeit und Schuld. Petrarcas Aufstieg auf den Berg ist hier gleichsam ein Bild für seine seelische Reise, die vom Tal der Sünde zum Gipfel göttlicher Erkenntnis führt. Die Erkenntnis, die er dort findet, ist aber ganz anders als erwartet. Anstatt Gott in der Anschauung seiner Schöpfung zu finden, im Rundumblick, wird durch den Satz Augustinus‘ sein Blick ins Innere gewendet, in die eigene Seele.
Diese Umdrehung der Sichtweise wird zur intellektuellen Wende des Petrarca und zum Gründungsmythos der Renaissance. In ihr ist nicht nur die Wiederentdeckung der Antike zentral, sondern auch die Hinwendung des Menschen zum eigenen Selbst, die Erkenntnis der schöpferischen Macht des Menschen. Nicht mehr nur Gott ist Schöpfer. Dadurch, dass der Mensch anteil an Gottes Wesen hat, hat er auch Anteil an seinem Schöpfertum: Im Humanismus der Renaissance rückt der Mensch in den Mittelpunkt von Kunst, Literatur, Dichtung und auch Theologie. Diese Entwicklung erlebt Petrarca als einer der ersten und gilt so als Gründungsvater der Renaissance.
Auch wenn der Dichter und Humanist nicht selten als Vorreiter der Reformation gesehen wird, ist sein Denken ganz und gar katholisch: Im Zentrum seiner Überlegung steht der freie Mensch, der Träger des Göttlichen. Dieses Göttliche erlangt er in der Schöpfung als Abbild Gottes und durch die Menschwerdung Jesu. Der Aufstieg Petrarcas zum „Berg der Erkenntnis“ ist ein religiöses Erlebnis, das gleichzeitig den Grundstein für die moderne, humanistische Welt legte. Dass sich Humanismus und Glaube, auf den Menschen gerichtete Wissenschaft und Religion nicht ausschließen, macht Petrarca sein Leben lang klar. Sein Gipfelerlebnis, das er als göttliche Eingebung versteht, ist ein sprechender Beleg dafür.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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