Trauerbewältigung
Weiter leben
Die St. Pöltnerin Stefanie Gruber musste sich vor Jahren von ihrem Mann verabschieden. Verzweifelt sei sie daran nicht, sagt die Witwe in der Rückschau. Denn ihr Leben nahm eine neue Wendung – auch weil sie es selbst in die Hand genommen hat.
Es war ein Schock – die Diagnose hat uns beide aus heiterem Himmel getroffen“, erinnert sich Stefanie Gruber an ihren 33. Hochzeitstag, als bei ihrem Mann die todbringende Krankheit festgestellt wurde. Keine sechs Monate später lag er im Sterben.
„Mein Mann wollte nie zum Arzt gehen“, erzählt die St. Pöltnerin. „Als er schließlich mit der Diagnose Magenkrebs konfrontiert wurde, war unser Leben plötzlich ein völlig anderes.“ Heilung gab es keine mehr. Bald musste er künstlich ernährt werden, was für Stefanie Gruber aber keine große Herausforderung darstellte, da sie als Diplomkrankenschwester in einem Krankenhaus arbeitete. Die Krankensalbung durch einen befreundeten Priester erlebte ihr Mann als sehr positiv, und am nächsten Tag konnte er im Kreise seiner Familie und Freunde ruhig einschlafen. „Ich war immer an seiner Seite“, erzählt die heute 72-Jährige im Gespräch. „Bis zu seinem letzten Atemzug.“
Die Welt stand still
Nach dem Tod ihres Mannes stand die Welt für Stefanie Gruber still. Die Einsamkeit schmerzte sie, da sie realisierte, dass er nie mehr zurückkommen wird. „Ich habe zu Gott gebetet, damit er mich wissen lässt, warum ich nicht sterben kann.“ Sie wollte von Gott auch erfahren, was denn fortan ihre Aufgabe in diesem Leben noch sei.
Für Gerti Ziselsberger, Leiterin der Kompetenzstelle Trauer der Caritas St. Pölten sowie der Abteilung „Pfarre und Lebenswelten“ der Diözese St. Pölten, ist die Zeit nach dem Tod eines Angehörigen eine sehr herausfordernde. Angehörige und Freunde können Betroffene aber gezielt entlasten und unterstützen, indem sie Trauernden beistehen: mit ihnen spazieren gehen, Behördenwege erledigen oder Mahlzeiten für sie kochen. Ihnen zuzuhören und zu zeigen, dass man für sie da ist, sei sehr wichtig, ist die ausgebildete Sterbe- und Trauerbegleiterin überzeugt, deren Einrichtung eng mit der Telefonseelsorge, der Krankenseelsorge, dem Bildungshaus St. Benedikt in Seitenstetten sowie dem Mobilen Hospiz Dienst der Caritas und der Pfarrcaritas zusammenarbeitet.
Die Welt dreht sich weiter
Bald löste sich der gemeinsame Freundeskreis zum Großteil auf – nur wenige blieben, was für die Witwe eine schmerzhafte Erfahrung war. Sie wusste zwar, dass ihn viele nicht aus Bösartigkeit verließen, sondern nur aus Unsicherheit: Nicht zu wissen, was sagt man? Wie begegnet man jemanden, der gerade diese Verlusterfahrung gemacht hat?
Dennoch schöpfte sie Energie für neue Freundschaften und ist heute wieder gut vernetzt.
Trotz allem schöpfte sie Energie für neue Freundschaften und ist heute wieder gut vernetzt – auch mit den beiden erwachsenen Kindern, mit denen sie in Gedanken an ihren Mann eine Reise nach Island unternahm. Viel ist sie in der Natur unterwegs, die für sie eine Kraftquelle ist, besucht Konzerte und Opern. Als Leihoma betreut sie außerdem Kinder, was für sie ein guter Ausgleich zu ihrer Tätigkeit als ehrenamtliche Hospiz- und Trauerbegleiterin ist. In Gesprächen mit kranken und trauernden Menschen könne sie heute selbst Kraft und Zuversicht weitergeben. Nein, langweilig sei ihr nicht. „Dafür ist mein Terminkalender zu voll“, erklärt die St. Pöltnerin lächelnd.Dankbar für jeden Tag
Natürlich denke sie oft an ihren Mann und würde gerne manche Erlebnisse mit ihm teilen und sich mit ihm austauschen. Doch Trauer spüre sie dabei nicht mehr, vielleicht ein wenig Wehmut. Zu viel Zeit sei seit 2006 vergangen. „Ich habe mein Leben wieder in die eigene Hand genommen“, sagt sie abschließend. Dankbar sei sie für jeden Tag, den sie erleben darf. „Ja, mein Mann wäre heute stolz auf mich. Davon bin ich überzeugt.“
Autor:Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt |
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