Demenz
Über Gefühle eine Brücke in die Welt des anderen bauen

Mit Demenzkranken über ihre Gefühle zu sprechen, hilft oft. 
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An Demenz erkrankte Menschen scheinen in ihrer eigenen Welt zu leben. Wie kann man da mit ihnen in Kontakt kommen? Eine spezielle Kommunikationsmethode hilft dabei – und kann auch sonst im Alltag hilfreich sein.

Ein alter Mensch, der seine Wohnung verlassen möchte, um „nach Hause“ zu gehen; der sein Taschentuch in den Kaffee tunkt, um einen Fleck auf der Tischdecke zu entfernen oder der dem Hund eine Schnapspraline geben möchte – Menschen mit demenziellen Veränderungen können ihnen Nahestehende mit ihren Äußerungen und ihrem Verhalten irritieren und schockieren. Abgetaucht in ihrer inneren, verrückten Welt, scheint es kaum noch einen Zugang zu ihnen zu geben.

Dabei gibt es eine Brücke in diese Welt, die sogenannte Validation. Hedwig Neu definiert sie als „einfühlsame Kommunikationsmethode, um Menschen in ihrer Wirklichkeit zu begleiten“. Die Leiterin des Autorisierten Zentrums für Validation der Diakonissen in Speyer schult Pflegekräfte, Angehörige und ehrenamtlich engagierte Menschen, die Kontakt zu diesen Menschen haben. Dabei gelte es, deren Äußerungen und Verhalten als Ausdruck von menschlichen Bedürfnissen und Gefühlen zu verstehen. Die Befindlichkeiten des Gegenübers werden dabei wertschätzend anerkannt, ohne diese zu bewerten.

Ein alter Mensch, der „nach Hause“ möchte, sehnt sich womöglich nach Geborgenheit und seiner längst verstorbenen Mutter. Die Seniorin, die mit Kaffee den Fleck entfernen möchte, war früher vielleicht eine akkurate Hausfrau, die weiß, dass man Flecken mit Wasser säubern kann. Und der alte Mann, der dem Hund die Weinbrandbohne anbietet, möchte dem vierbeinigen Besucher möglicherweise einfach etwas Gutes tun.
„Wir können den alten Menschen dann fragen, was ihn bewegt und erspüren, in welchem Gefühl er gerade unterwegs ist“, erläutert Neu. Wenn dieser seine Befindlichkeiten aussprechen könne, sich gesehen und wertgeschätzt fühle, würden sie schwächer, und der Mensch komme zur Ruhe. Da gehe es im Übrigen Menschen, die mit einer Demenz leben, wie jedem anderen: Wer seine Trauer, seinen Frust, seine Freude, seine Angst an- und aussprechen darf, fühlt sich verstanden. „Es hilft, wenn mich jemand anhört und mich ernst nimmt – empathisches Zuhören erleichtert alle Menschen.“

Häufig machen Angehörige oder Besucher aber genau das Gegenteil: Sie versuchen, die „verrückt“ anmutenden Handlungen oder Äußerungen sofort zu unterbinden, den Menschen zu korrigieren, ihn mit „vernünftigen“ Argumenten zum Umdenken zu bewegen, ihn abzulenken oder zu vertrösten.

Gefühle benennen
Das Heimwehgefühl eines alten Menschen übersetzt Neu mit der Sehnsucht nach Geborgenheit und Schutz. „Wenn man in dieser Situation sagt: ‚Aber Ihre Mutter lebt doch nicht mehr‘, dann nimmt das Gefühl nicht ab – die Wahrheit hat ihrer Seele nicht geholfen.“ Stattdessen könne das Heimwehgefühl ein Anlass sein, über die geliebte Mutter ins Gespräch zu kommen: „Was war das Schönste bei ihr? Woran erinnern Sie sich gerne?“
Ist solch eine Verständigung nicht mehr möglich, kann man auch seine Beobachtung spiegeln: „Sie sind traurig. Haben Sie Ihre Mutter sehr geliebt?“. Das empfiehlt die deutschamerikanische Gerontologin Naomi Feil, die Begründerin der Validation. Bei altersverwirrten Menschen führt das zu einem tiefen Gefühl von Verstandenwerden, Aufgehobensein und Geborgenheit – verbunden mit der befreienden Erfahrung: Jemand spricht aus, wie es mir geht. Aus Neus Erfahrung können auch eine mütterliche Berührung, vielleicht auch ein altes Schlaflied einen Menschen mit seinen Gefühlen abholen. „Das ist allemal besser, als die Gefühle wegzureden.“

Denn die Verunsicherung im Umgang mit ihnen ist nach wie vor groß. Rund 1,8 Millionen Menschen sind laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft allein hierzulande von demenziellen Erkrankungen betroffen. So seien Verständigungsprobleme ein Thema bei vielen Anrufen, erklärt Laura Mey vom Alzheimertelefon der Selbsthilfeorganisation in Deutschland. Auch sie empfiehlt ein wertschätzendes Verhalten gegenüber den Erkrankten. Und einen entschleunigten Umgang. „Wir leben in einer schnellen Welt, oft muss alles zackig gehen“, sagt Mey. Demenzkranke brauchten aber Zeit, um Gesprächsinhalte aufzunehmen. Deshalb sollten das Sprechtempo gedrosselt und nicht zu viele Informationen auf einmal übermittelt werden.
„Was vielen Angehörige schwerfällt und sie erschreckt, ist, wenn jemand vermeintlich selbstverständliche Dinge nicht mehr weiß“, erklärt Mey. Hier gilt es aus ihrer Sicht, Brücken zu bauen, etwa wenn dem alten Elternteil nicht mehr der Name der eigenen Kinder oder Enkel einfällt. Zudem rät Mey Familie und Freunden des Erkrankten, sich gut über das Krankheitsbild Demenz zu informieren, „dann kann man damit besser umgehen“.

Angelika Prauß (KNA)/Red.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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