zweiter Weltkrieg
NS-Endphaseverbrechen vor 80 Jahren

Bei einem Gedenkgottesdienst mit Pater Udo Fischer und 70 Teilnehmenden wurde in Furth bei Göttweig an ein Massaker durch die Nazis vor 80 Jahren erinnert. Karl Reder berichtete bei der Gedenkfeier von diesem Endphasenverbrechen: Nach neuesten Erkenntnissen sind am 6. April 1945 29 ehemalige Stein-Häftlinge im Ortsteil Panholz ermordet worden. Die meisten haben NS-Einheiten direkt vor Ort getötet und verscharrt, einige davon in der näheren Umgebung. | Foto: Reinhard Geitzenauer
  • Bei einem Gedenkgottesdienst mit Pater Udo Fischer und 70 Teilnehmenden wurde in Furth bei Göttweig an ein Massaker durch die Nazis vor 80 Jahren erinnert. Karl Reder berichtete bei der Gedenkfeier von diesem Endphasenverbrechen: Nach neuesten Erkenntnissen sind am 6. April 1945 29 ehemalige Stein-Häftlinge im Ortsteil Panholz ermordet worden. Die meisten haben NS-Einheiten direkt vor Ort getötet und verscharrt, einige davon in der näheren Umgebung.
  • Foto: Reinhard Geitzenauer
  • hochgeladen von Kirche bunt Redaktion

 

Das Nazi-Regime war kurz vor dem Ende. Aber seine Fanatiker mordeten bis zum Schluss. Auch in unserer Gegend wurden kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch jüdische Gefangene, politische Gegner und sowjetische Zwangsarbeiter getötet.

Die deutsche Niederlage im Zweiten Weltkrieg hatte sich bereits abgezeichnet. Und dennoch verübten die Nazis vor 80 Jahren noch allerschlimmste Verbrechen und Morde, die in ihrer Dimension grauenhaft sind. Dazu kommt: Es geschah in unseren Ortschaften. Dies dokumentierte u. a. der damalige Pfarrer von Scheibbs, Johann Kloiber, in der Pfarrchronik. Vor allem jüdische Zwangsarbeiter, oftmals aus Ungarn, wurden von der SS und anderen NS-Organisationen erschossen oder erschlagen. Oder sie starben an Erschöpfung nach quälenden Todesmärschen oder weil es keine Verpflegung gab. „Vielfach waren es ganze Familien, wehrlose Menschen“, sagt Martha Keil, wissenschaftliche Leiterin des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs.

Eskalation der Gewalt

Tausende fielen diesen Endphaseverbrechen alleine in Niederösterreich, Wien und der Steiermark zum Opfer.
Diese letzte Phase der NS-Herrschaft ist laut dem „Haus der Geschichte Österreich“ in erster Linie durch den Übergang der Befehlsgewalt – einschließlich der Erteilung von Tötungsbefehlen – auf lokale Entscheidungsträger gegekennzeichnet und zeitigte in wenigen Wochen eine Eskalation und Verdichtung der Gewalt in extremem Ausmaß. Seit dem Sommer 1944 waren viele jüdische Zwangsarbeiter aus Ungarn in unserer Gegend zur Sklavenarbeit eingesetzt. Als sich das Kriegsende abzeichnete, wurden sie Richtung KZ Mauthausen getrieben. Es waren oft große Gruppen, die die Nazi-Schergen in ihrer Gewalt hatten und die ein leichtes Opfer für ihre Mörder wurden. Neben politischen Gegnern und jüdischen Gefangenen gerieten auch nichtjüdische Zwangsarbeiter ins Visier. Im Dunkelsteinerwald wurden kurz vor Kriegsende noch zehn sowjetische Arbeiter umgebracht. Martha Keil erinnert daran, dass die Täter nur selten zur Rechenschaft gezogen wurden. Dabei waren die Mörder und ihre Helfer oft bekannt.

Jemand mit großer Ortskenntnis war zum Beispiel maßgeblich für das Massaker in Hofamt Priel nahe Persenbeug verantwortlich: Er führte bei Nacht die Opfer zur Todesgrube. Dabei wurden in der Nacht von 2. auf 3. Mai 228 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter mit ihren Familien von einem Kommando der SS ermordet. Die Täter wurden nie zur Verantwortung gezogen. Die Gebeine der Opfer wurden 1964 exhumiert und am jüdischen Friedhof in St. Pölten begraben. Am 2. Mai findet dort um 11 Uhr eine Gedenkfeier statt.

Im Bezirk Scheibbs fanden in mehreren Orten Endphaseverbrechen statt. In Göstling an der Ybbs wurden am 13. April 1945 76 jüdische Zwangsarbeiter durch Mitglieder der SS ermordet. In Randegg töteten Mitglieder der SS und der Hitlerjugend am 15. April 1945 100 jüdische Zwangsarbeiter. In Gresten wurden am 19. April 1945 16 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter von der Waffen-SS in einem Wassergraben ermordet.
Ein weiteres Beispiel: Am 13. April 1945 wurden knapp zwei Tage vor Einmarsch der Roten Armee in St. Pölten 13 Mitglieder der Widerstandsgruppe Kirchl-Trauttmansdorff in einem Standgerichtsverfahren zum Tode verurteilt und noch am selben Tag erschossen. Die Mitglieder des Standgerichts wurden in einem Nachkriegsprozess verurteilt.

Am 20. März starben über 35 KZ-Häftlinge, die meist aus Belgien stammten, bei einem alliierten Fliegerangriff in einem kleinen Waldgebiet bei Amstetten: Man ließ sie nicht in den schützenden Bunker.

Grausame Menschenjagd

Der Leiter der Strafanstalt Stein an der Donau, Franz Kodré, verfügte zu Kriegsende die Freilassung der Gefangenen. Waffen-SS, Wehrmacht, Polizei und Volkssturm erschossen am 6. April 1945 unter dem Vorwand, eine Revolte niederzuschlagen, in der Anstalt 229 Menschen. Rund um Krems begann eine regelrechte Jagd auf entkommene Häftlinge, die als „Kremser Hasenjagd“ bezeichnet wird. Allein in Hadersdorf wurden am 7. April 61 Häftlinge von der Waffen-SS ermordet, bei Furth 29. Dort leitete nun Pater Udo Fischer am 5. April einen Gedenkgottesdienst. Auch in anderen Pfarrgemeinden gedenkt man mit Vorträgen oder Gottesdiensten der in den letzten Kriegstagen ermordeten Menschen in unserer Region. W. Zarl

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

Powered by PEIQ