Dinge mit Geschichte(n) von Inge Friedl
Die Schuhe

Foto:  Archiv Friedl / Kortschak

Kaum war es im Frühjahr warm genug, gingen Kinder früher barfuß. „Bloßfüßig“ zu gehen war nicht unbedingt ein Zeichen für Armut. Im Sommer gingen alle Kinder, außer am Sonntag zur Kirche, immer ohne Schuhe. Durch das ständige Barfußlaufen waren die Fußsohlen unempfindlich geworden und man spürte weder steinige Wege noch Stoppelfelder. In erster Linie liefen die Kinder barfuß, um die kostbaren Schuhe zu schonen. Da Geld oft Mangelware war, wurden Kleidung und Schuhe nur für die ältesten Geschwister gekauft. Die Kleineren mussten nachtragen, was den Großen nicht passte. So ist es verständlich, dass man im Sommer die Schuhe „sparte“, um sie möglichst lange verwenden zu können.

Die Tochter eines Kleinbauern, 1935 geboren, erzählte mir von einem besonderen Moment. Wie alle Kinder in ihrem Dorf ging sie selbstverständlich in der warmen Jahreszeit immer barfuß. Als sie aber in die Hauptschule in die nächstgrößere Stadt kam, trug sie ihr einziges paar Schuhe nun täglich. Kaum daheim wurden die Schuhe natürlich geschont und ausgezogen. Dann, an einem heißen Sommertag, wollte sie in einem Stausee schwimmen. Der Weg dorthin war voll grobem Schotter, deshalb zog sie, gegen den Rat ihrer Mutter, die Schuhe an. Prompt wurden sie ihr beim Schwimmen gestohlen. Sie schämte sich, ihren Eltern davon zu erzählen und ging am nächsten Tag barfuß zur Schule. Da erst merkte sie, dass es in der Stadt anders war als am Land. Ihre Mitschüler hatten alle selbstverständlich mehrere Paar Schuhe und gingen niemals barfuß.

Freude auf „bloßfüßige“ Zeit

Die Schuhe der Stadtkinder wurden im Schuhgeschäft gekauft. Die Bauernkinder mussten mit den unbequemen Schuhen aus bockigem Schweinsleder vorliebnehmen. Wurde ein Schwein geschlachtet, verarbeitete man die Haut zu Leder, aus dem wiederum der Störschuster Schuhe herstellte. Solche Schuhe wärmten nicht, waren fest und steif, sodass sich die Kinder im Frühjahr auf die „bloßfüßige“ Zeit freuten.

Heute erkennt man wieder den Wert des Barfußgehens, sogar spezielle Barfußschuhe werden angeboten. Die Muskeln und Sehnen im Fuß werden dadurch gestärkt und Füße und Beine besser durchblutet. So zeigt sich wieder: Achten wir die Erfahrungen unserer Vorfahren, so manches täte uns heute noch gut.

Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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