Pius X. verstarb vor 110 Jahren
Der „österreichische Papst“

Giuseppe Melchiorre Sarto (1835-1914) als Papst Pius X.  | Foto: KNA

Vor 110 Jahren, am 20. August 1914, verstarb Papst Pius X. Er gilt als innerkirchlicher Reformer und Beschützer der Kirche vor den Einflüssen des Modernismus. Nur wenige Wochen vor seinem Tod musste er den Ausbruch eines Weltenbrands miterleben, den er nicht mehr verhindern konnte. Mit Österreich verband ihn Zeit seines Lebens eine besondere Beziehung.

Im Jahr 1978 kam es zu dem epochalen Ereignis in der Kirche: Zum ersten Mal wurde ein Pole zum Papst gewählt. Damit wurde die Jahrhunderte währende Ära beendet, in der bekanntlich nur Italiener den Stuhl Petri erreicht hatten. Allerdings: So ganz richtig ist diese Feststellung dann doch wieder nicht, denn was nur wenig bekannt ist, ist, dass erst im Jahr 1903 ein Österreicher zum Stellvertreter Christi auf Erden erhoben wurde.
Doch auch diese Version stimmt nur halb: Giuseppe Melchiorre Sarto, der das Konklave 1903 als Papst Pius X. verließ, war natürlich – wie schon sein Name verlauten lässt – italienischer Nationalität. Geboren wurde er allerdings am 2. Juni 1835 als österreichischer Bürger im Königreich Lombardo-Venetien, das seit dem Wiener Kongress 1815 Teil des habsburgischen Imperiums war. Erst 1866 wurde die Heimat Sartos dem noch jungen Königreich Italien angeschlossen. Doch nicht primär deshalb kann Pius X. als „österreichischer Papst“ gelten, sondern vielmehr aufgrund der Tatsache, dass er ohne Österreich vermutlich nie Papst geworden wäre.

Das kaiserliche Veto

Nach dem Tod Leos XIII. standen die Kardinäle 1903 vor der Wahl eines neuen Pontifex‘. Als Favorit galt der bisherige Kardinalstaatssekretär Mariano Kardinal Rampolla (1843-1913). Kaiser Franz Joseph I. (1830-1916) fürchtete allerdings die Wahl Rampollas, der die diplomatischen Bemühungen des Heiligen Stuhls vor allem in Richtung Frankreich und Spanien richtete. Er machte daher von einem uralten Recht Gebrauch, das traditionell allen katholischen Monarchen zustand: das „Ius exclusivae“, also das Recht, einen Kandidaten für das Papstamt auszuschließen. Dieses war zuletzt 1830 durch den spanischen König ausgeübt worden.

Der hochbetagte Wiener Erzbischof Anton Kardinal Gruscha (1820-1911) weigerte sich aus gesundheitlichen Gründen, die Botschaft des Kaisers zu überbringen, weshalb der Krakauer Bischof Jan Kardinal Puzyna diese Aufgabe übernahm. Nachdem damit Kardinal Rampolla als Kandidat ausschied, mussten die Stimmen neu vergeben werden. Zunächst eher unerwartet ging schließlich aus dem siebenten Wahlgang der Patriarch von Venedig, Kardinal Sarto, als Papst hervor. Entscheidend dafür dürfte eine Einigung deutscher und österreichisch-ungarischer Kardinäle gewesen sein.

Der Kaiser machte vom uralten Recht katholischer Monarchen Gebrauch, einen Kandidaten für die Papstwahl auszuschließen.

Der neue Papst Pius X., der vermutlich nur durch die Ausübung des kaiserlichen Exklusivrechts Papst geworden war, hob dieses Recht nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt endgültig auf. Er untersagte allen Kardinälen unter Androhung der Exkommunikation, den Ausschluss eines Kandidaten durch einen Monarchen zu überbringen. Die Wahl des Papstes sollte künftig völlig frei von äußeren Einflüssen stattfinden.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Leo XIII. blieb Pius X. das Feld der Diplomatie und Politik fremd. Entsprechend seinem Wahlspruch Instaurare omnia in Christo („alles in Christus erneuern“) richtete er seine Bestrebungen vor allem auf die Reform des kirchlichen Lebens. Wertvolle Impulse lieferte er für Frömmigkeit und Liturgie. Er empfahl die flächendeckende Wiedereinführung des Gregorianischen Chorals und führte die Frühkommunion ein (in der Zeit davor wurde die Erstkommunion erst nach der Firmung gespendet).

Trotz seiner sonstigen Abwendung vom diplomatischen Geschäft hegte er auch noch als Papst enge Beziehungen zur Donaumonarchie. Für ihn war das Wiener Kaiserhaus ein Bollwerk der katholischen Kirche gegenüber der liberalen Gefahr im Westen und der Orthodoxie im Osten. Auch nach dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger 1914 blieb er dieser Einstellung treu. Er hielt sowohl das österreichische Ultimatum als auch die Kriegserklärung gegenüber Serbien für gerechtfertigt. Seinem Kardinalstaatssekretär teilte er mit: „Auf Kaiser Franz Joseph, der sein ganzes Leben lang dem Heiligen Stuhl gegenüber loyal und treu ergeben war und der derzeit einen gerechten Krieg führt, kann ich keinen Druck ausüben.“

Dennoch war der Papst der Ansicht, durch diplomatische Bemühungen könne ein Flächenbrand noch verhindert werden. Einen solchen hatte er bereits seit Jahren befürchtet. Die Ohnmacht des Heiligen Stuhls gegenüber der Kettenreaktion, die der österreichisch-serbische Konflikt ausgelöst hatte, konnte Pius X. nur schwer verschmerzen. Er verstarb am 20. August 1914 im Alter von 79 Jahren infolge eines Herzinfarktes.
Wenn auch seine Amtsführung nicht ohne Kritik blieb, so stand er persönlich schon zu Lebzeiten im Ruf der Heiligkeit. Er wurde 1951 von Papst Pius XII. selig- und 1954 heiliggesprochen.

Autor:

Felix Deinhofer aus Niederösterreich | Kirche bunt

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