Verhaltensänderungen
Neujahr: „Tiny Habits“ statt großer Vorsätze
Verhaltensänderungen passieren am ehesten in kleinen Schritten, sagt der Verhaltensforscher Dr. Brian Jeffrey Fogg.
Mehr Bewegung, gesünder essen, sparsamer leben, vom Rauchen wegkommen, weniger Zeit am Handy verbringen: Solche Neujahrsvorsätze sind oft zum Scheitern verurteilt. Zu groß, zu abstrakt. Doch wie kann man sein Verhalten verändern: schlechte Angewohnheiten überwinden, sich neue gute zulegen?
Das fragte sich auch Verhaltensforscher Brian Jeffrey Fogg von der US-amerikanischen Stanford University. Nach jahrelanger Forschung mit über 40.000 Studienteilnehmern kam er auf einen Schlüssel zum Erfolg: Neue Gewohnheiten lassen sich am besten aufbauen, indem man sie mit bestehenden verknüpft – wobei die Handlung einfach sein muss. Denn sich auf die eigene Motivation oder Willenskraft zu verlassen, sei zu wenig. Die Idee zum Konzept der „Tiny Habits“ (winzige Gewohnheiten) war geboren.
Wer ein großes Ziel erreichen will, sucht sich einen winzigen Schritt dorthin aus und integriert ihn in den Alltag.
Der Verhaltensforscher erprobte das Prinzip an sich selbst. Er wollte fitter werden und legte sich deshalb eine Regel auf: „Nach jedem Gang zur Toilette mache ich zwei Liegestütze.“ Weil diese Übung leicht ging, machte er bald mehr als zwei Liegestütze, sodass er bei 50 landete. Er hatte eine neue gesunde Routine entwickelt und wurde fitter und kräftiger. Innerhalb von sechs Monaten setzte er nach eigener Aussage Dutzende neue, meist kleine Gewohnheiten um. Sein Tipp: „Beginnen Sie mit kleinen Handlungen, die nicht länger als 30 Sekunden dauern!“
Wer ein Buch schreiben will, schreibt vielleicht jeden Tag nur eine Minute lang. Wer mehr Wasser trinken will, nimmt ein Glas Wasser nach dem Zähneputzen zu sich. Die Motivation für „tiny habits“ sei bei den meisten Menschen zwar anfangs ebenfalls gering, aber weil die Verhaltensänderung keine große Hürde darstellt, gelinge die Umsetzung leichter. In dem Moment, wo etwas zur Gewohnheit wird, kostet es keine Überwindung mehr.
Die typische Formel der Methode lautet: „Nachdem ich ... (typische Gewohnheit), werde ich ... (Tiny Habit) machen.“ Einige Beispiele: Nachdem ich aufgestanden bin, werde ich ein Glas Wasser trinken. Nachdem ich den Wecker abgestellt habe, begrüße ich den neuen Tag. Während ich Kaffee mache, esse ich eine Apfel-Spalte. Nachdem ich ins Bett gegangen bin, schreibe ich auf, wofür ich heute dankbar sein kann.
Ein Experiment für 21 Tage
Die deutsche Reporterin Wiebke Wittneben hat die Methode 21 Tage lang für den Fernsehsender RTL getestet und sich vier Ziele gesetzt: regelmäßig Ordnung am Schreibtisch schaffen, mehr lesen, viel trinken und fitter werden. Ihr Plan: zwei Sit-ups nach dem Toilettengang, danach ein Glas Wasser, vor dem Einschlafen eine Seite im Buch lesen, direkt vor dem Wochenende Papiere durchgehen und ordnen. Am Anfang brauchte sie Erinnerungszettel, um auf die neuen „Gewohnheiten“ nicht zu vergessen. Und sie erlebte Rückschläge und Hürden, z. B. bei Krankheit oder im Urlaub. Doch die Reporterin ließ sich nicht entmutigen. „Erfolge stärken das Selbstbewusstsein und das pusht mein Durchhaltevermögen“, resümiert sie zufrieden über ihr Experiment. Aus zwei Sit-ups wurden 20, und auch die anderen Gewohnheiten fanden Eingang in ihren Alltag.
Zur „Tiny Habits“-Methode gehört es, auch kleine Erfolge zu feiern: sich auf die Schulter klopfen und belohnen, statt sich selbst für Misserfolge zu kritisieren. Denn, so Fogg: „Veränderungen gelingen am besten, wenn wir uns gut fühlen, und nicht, wenn wir uns schlecht fühlen.“
Dr. BJ Fogg ist der Gründer des Behavior Design Lab an der Universität Stanford und entwickelte dort 2007 sein Verhaltensmodell der „Tiny Habits“. 2021 ist sein Buch „Die Tiny Habits Methode – Kleine Schritte, große Wirkung“ auf Deutsch im btb-Verlag erschienen.
Autor:Patricia Harant-Schagerl aus Niederösterreich | Kirche bunt |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.