Der österreichische Steyler Missionar Franz Gassner berichtet aus der chinesischen Sonderverwaltungszone
Kirche & Corona in China / Macao

Corona in Chinas Kirchen | Foto: Franz Gassner
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„Bisher haben wir Glück gehabt“

Der aus Niederösterreich stammende Steyler Missionar Pater Franz Gassner lehrt an der Saint Joseph University in Macao. In der am dichtesten besiedelten Region der Erde ist die Zahl der an Covid-19 erkrankten Menschen bisher glücklicherweise gering. Der Sozialethiker beschreibt, worin er die Gründe dafür vermutet und wie sich die Coronakrise auf das Alltagsleben in der autonomen Provinz Chinas auswirkt. „Lock down, Ausnahmezustand, das erleben wir in Macao seit mehr als zwei Monaten. Home Office, nur kurz einkaufen. Kein Verreisen mehr, nicht einmal mehr ins eine Stunde entfernte Hongkong. Mit der Ausbreitung des Virus hatten wir hier in Macao bis jetzt Glück. Nur 45 Coronavirusfälle gibt es und das bei einer Einwohnerzahl von Luxemburg (ca. 650 000), wo schon 3292 Infektionen gezählt wurden. Bis jetzt mussten in Macao keine Todesfälle beklagt werden (alle Zahlen: Stand 14.4.2020).
Als am 22. Jänner 2020 – zwei Tage vor dem Chinesischen Neujahrfest – der erste Coronafall in Macao bekannt wurde, wurde die Gefahr von der Regierung sofort erkannt – und entschieden gehandelt: Maskenpflicht im öffentlichen Raum, Absage von Festveranstaltungen, Dokumentation von Reisen und schließlich schrittweises Herunterfahren der S.A.R. (Self Autonomous Region). Durch die Nähe zu Festland-China war Macao vorgewarnt und vorbereitet. Auch die Erfahrungen mit dem SARS-Virus im Jahr 2003 trugen dazu bei.

„People before Profit“
Die Infektionen stiegen in wenigen Tagen bis auf zehn Fälle, sieben Personen aus Wuhan und drei lokal infizierte Menschen. Das veranlasste Regierungschef Ho Iat-seng am 4. Februar alle nicht notwendigen Einrichtungen wie Büros und Tempel zu schließen. Die Schulen und Universitäten wurden nach den Ferien nicht mehr geöffnet. Auch Ferienresorts mit ihren Casinos wurden geschlossen. „People before Profit“ lautete die Devise. Auch die Kirchen schlossen sich dem Aufruf der Regierung an und machten am 5. Februar ihre Pforten dicht. Gottesdienste gibt es seither nur online, seit März wird die Kommunion nach den Online-Gottesdiensten auf den Pfarrplätzen verteilt. Seit 5. April sind Wochentagsgottesdienste wieder erlaubt, natürlich nur bei Einhaltung strenger Vorschriften wie Gesichtsmaske, Verzicht auf Kelchkommunion, Friedensgruß und Liederbücher.
Temperaturmessungen wurden eingeführt und Coronafälle rigoros nachverfolgt, um mit Testen ein weiteres Ausbreiten zu unterbinden. So wurde z.B. die Flugnummer und der Sitzplatz jedes Infizierten in der Zeitung veröffentlicht. Wie in Taiwan, so gibt es auch in Macao keine formelle Ausgangssperre. Aber seit zwei Monaten schickt die Regierung ständig Lautsprecherwagen durch die Gegend, welche an die Bewohner appellieren, durchzuhalten, zu Hause zu bleiben, Hände zu waschen, die Maske richtig zu tragen und gesundheitliche Probleme zu melden. Letzteres ist in Macao besonders wichtig, dem am dichtesten besiedelten Flecken der Erde, wo auf 1km2 21 000 Menschen zusammenleben.

Masken sind rationiert
Ich denke, dass das allgemein zugängliche Gesundheitssystem ein wichtiger Faktor ist, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Die meisten Bewohner müssen sich nicht den Kopf über Zugang und Kosten für einen Coronatest, einen Krankenhausaufenthalt und Medikamente zerbrechen. Das gilt auch für Taiwan und Singapur.
Das Tragen von Schutzmasken war hier die allererste spürbare Maßnahme: Weder in den Bus oder in Geschäfte
darf man ohne Maske hinein. Sie ist kulturell akzeptiert und auch in Zeiten ohne Epidemie üblich (im Unterricht erlebe ich das oft). Die Regierung rationiert die Masken: Alle zehn Tage bekomme ich zehn Stück in der Apotheke oder im Gesundheitszentrum. Hamsterkäufe sind damit ausgeschlossen. Es gibt hier kein Ausgehverbot, aber ein Meldegebot. Am Postamt, im Kino, überall muss man am Eingang den QR-Code des Gesundheitsministeriums scannen und eine Gesunden- und Reisemeldung abgeben. Sonst wird man nicht hineingelassen.

Die zweite Welle
Die unverzüglich getroffenen Maßnahmen der Regierung halfen in Macao meiner Ansicht nach bei der Eindämmung des Covid-19 Virus. Doch seit Mitte März sind wir mit einer zweiten Welle konfrontiert. Importierte Fälle aus Europa, den USA, Kanada und den Philippinen. Auch hier reagierte die Regierung umgehend mit der Verhängung eines totalen Einreisestopps. Nur mehr lokale Bewohner dürfen heimkehren und müssen sich dann in Quarantäne begeben. Die Ausbreitung des Virus im Westen macht uns große Sorgen. Wir leben ja alle in einem Boot: Macao lebt zu 80 Prozent vom Tourismus, der nun überall darniederliegt.
An meiner Universität, der St. Joseph Universität, unterrichten wir seit Anfang Februar online. Das klappt ganz gut, da E-Learning hier schon langem Bestandteil in der Lehre ist. Seit 1. April dürfen Studenten wieder das Universitätsgelände betreten, aber nur in Ausnahmefällen für Abschlussklassen, bei Laborunterricht, zu Prüfungen und ausschließlich mit Genehmigung des Rektors. Normale Vorlesungen müssen weiterhin online erfolgen, und das wird sich bis zum Semesterende kaum ändern.
Mit dem Rückgang der Coronagefahr in Festlandchina hofft man langsam ein schwaches Licht am Ende des Tunnels erkennen zu können. Aber Covid-19 wird uns wohl alle noch lange beschäftigen und unser Zusammenleben gravierend verändern, hoffentlich hin zu mehr Solidarität und Rücksicht auf die Natur. Das Virus entblößt viele Schwächen und politische Versäumnisse. Es wird immer klarer: Jede Schwächung der Biodiversität und jede Reduktion von sozialer und ökonomischer Vielfalt macht uns mehr verwundbar, wie Papst Franziskus in Laudato Si’ einmahnte. Im Schnellkurs gilt es nun Resilienz zu lernen. Der Kreuzweg ist dabei nicht abgesagt, sondern in die Lebenswelt verlegt: In den Armenvierteln, auf den Gängen der Spitäler, Veronika und Simon treffen wir überall, hautnah! Möge der Herr uns Kraft geben, ihm heute nachzufolgen, sein Heil zu teilen, und seinem Wort „Habt keine Angst!“ ganz und solidarisch zu vertrauen.“

P. Franz Gassner

Pater Franz Gassner SVDstammt aus Sonntagberg im Mostviertel. Seit 2012 ist der promovierte Sozialethiker in der Forschung und Lehre an der St. Joseph’s University in Macao tätig. Sie führt das Erbe des berühmten St. Paul Kolleges der Jesuiten (gegründet 1594) in der heutigen Zeit weiter. Es handelt sich um die einzige katholische Universität auf dem chinesischen Festland. Die Studenten der Theologie kommen aus Myanmar, Vietnam, Südkorea, Japan, Osttimor, Indonesien, Macau, und Hongkong. Der 56-jährige Steyler Missionar unterrichtet Ethik, Philosophiegeschichte und Umweltwissenschaften
Zur Gemeinschaft der Steyler Missionare in Macao gehören neben Franz Gassner noch je ein Mitbruder aus Mexiko und Vietnam sowie ein Seminarist aus Vietnam. Im Distrikt Hongkong/Macao sind insgesamt 22 Steyler tätig.

Macao

Macaoist eine chinesische Sonderverwaltungszone, eine Auto- oder Schiffsstunde von Hongkong entfernt. Mit Erlaubnis des Kaisers von China wurde Macao den Portugiesen 1553 zur Verwaltung überlassen, um Handel zwischen China und Europa zu ermöglichen. Seit dieser Zeit koexistieren hier chinesische und europäische Traditionen, Sprachen und Religionen friedlich Seite an Seite. Macao kommt eine zentrale Brückenfunktion zwischen China und Europa zu, vor allem für Wissenschaft und Kirche. Hier wurde 1569 das erste westliche Spital China's errichtet. Macao gilt als wichtige Mutterdiözese Südostasiens (gegr. 1573), deren Gebiet sich damals über Japan, Korea, China, Vietnam, bis zu den Malaiischen Inseln erstreckte.
In Macao gibt es zahlreiche Tempel und Kirchen, dank der Portugiesischen Verwaltung bis 1999 sind diese nicht der Kulturrevolution zum Opfer gefallen. Viele religiöse Pilger kommen jährlich nach Macao, vor allem aus Japan, Korea, und Festlandchina. Heute ist Macao vor allem durch seine Casinos bekannt. Diese erleben derzeit eine grundlegende Veränderung, weg vom reinen Casinobetrieb hin zu Resorts mit Einkaufszentren, Hotels, Restaurants und Konferenzzentren.

Quelle: SVD

Autor:

Franz Josef Rupprecht aus Burgenland | martinus

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