Pfarre Oberdorf
Eine Kirche nur für Kinder
In der Pfarre Oberdorf bauten eifrige Gläubige eine Miniatur-Kirche. Anfangs war der originalgetreue Nachbau bloß als lustige Idee für einen Faschingsumzug konzipiert worden – doch mittlerweile feiern die Kinder des Dorfes darin tatsächlich Gottesdienst.
Gerald Gossmann
Die Diözese erwies dem neuen Kirchenbau eine hohe Ehre: Generalvikar Michael Wüger kam in die Pfarre Oberdorf um das Gotteshaus zu segnen. Das Besondere daran: Die Kirche hat bloß eine Fläche von sechs Quadratmetern, wurde von Gläubigen in Eigenregie erbaut und gehört nun (man höre und staune) den Kindern der Ortschaft ganz alleine. Damit ist Oberdorf wohl die einzige Gemeinde im Burgenland, die nicht nur Kirchen für katholische und evangelische Christen vorzuweisen hat – sondern auch speziell eine für den Nachwuchs der Pfarre.
Glocke läuten und Pfarrer spielen. Eigentlich war das kleine Gotteshaus für einen Faschingsumzug konzipiert worden, sozusagen als kleiner Gag zum 150-Jahr-Jubiläum der Pfarre. Doch nach dem viel beklatschten Auftritt auf einem Anhänger im Karnevalstaumel fristete die Kirche ein trauriges Dasein, wurde morsch und sollte abgerissen werden. Erst der Oberdorfer Pfarrgemeinderätin und Religionslehrerin Ruth Ferstl kam die zündende Idee: „Die Erwachsenen nehmen wahnsinnig viel Platz in der Kirche ein“, erzählt sie, „aber die Jüngsten finden ganz schwer ihren Raum.“ Pfarrgemeinderat Karl Tuider, der die Kirche errichtet hatte, freute sich darüber. Er baute die aus billigen Spanplatten gefertigte Konstruktion mit Helfern aus der Pfarre zu einer massiven Kirche um. Liebevoll entwarf er jedes Detail: Das Gotteshaus besitzt heute zwei Glocken, eine schöne Holztür, Kirchenbänke mit roter Samtauflage, Rundbogenfenster, eine Turmuhr, ein Kreuz an der Dachspitze. „Die Kinder sind sofort in die Kirche hineingestürmt, weil sie das Glockenläuten fasziniert hat“, erzählt Tuider. Dazu dürfen sie die Fenster mit abwaschbarer Farbe (passend zu den jeweiligen Festen) mit Symbolen bemalen, die ihnen bei dieser Gelegenheit gleich erklärt werden. Mittlerweile feiern die Kleinen Kindermessen in ihrem eigenen Gotteshaus. „Wir wollen den Kindern spielerisch beibringen, welche Themen im Gottesdienst präsent sind“, erklärt Ruth Ferstl, die es falsch findet „dass man Junge oft nur etwas machen lässt, wenn ein Erwachsener daneben steht und ihnen auf die Finger schaut“. Nun nähern sich die Buben und Mädchen spielerisch dem Glaubenswissen. „Alle wollen immer den Pfarrer spielen“, lacht Ferstl. Zehn Kinder passen auf einmal in das kleine Gotteshaus, „aber in Corona-Zeiten halten wir lieber mehr Abstand“. Die Kinder haben Gefallen an ihrer eigenen Kirche gefunden. Ruth Ferstl ist überzeugt: „Wenn wir den Kindern jetzt keinen Platz schaffen, werden die Kirchen in zwanzig Jahren leer sein.“
Autor:Redaktion martinus aus Burgenland | martinus |
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