Vom Sinn einer Wallfahrt

Alfonso Maria de’ Liguori gründete den Orden der Redemptoristen. Er war Jurist, Moraltheologe und Bischof. Dieses Gemälde befindet sich in der zum Kloster der Redemptoristen gehörenden Kirche Maria am Gestade in der Innenstadt von Wien. | Foto: kathbild.at / Franz Josef Rupprecht
  • Alfonso Maria de’ Liguori gründete den Orden der Redemptoristen. Er war Jurist, Moraltheologe und Bischof. Dieses Gemälde befindet sich in der zum Kloster der Redemptoristen gehörenden Kirche Maria am Gestade in der Innenstadt von Wien.
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Erst im Alltag, mitten unter den Menschen, muss sich bewähren, was uns bei einer Wallfahrt aufgegangen ist.

Der heilige Alfons Maria von Ligouri, der Gründer der Redemptoristen, der auch Bischof und Kirchenlehrer war, hat sich einmal kritisch geäußert über Leute, die viele Wallfahrten machen: „Viele Christen besuchen unter großen Gefahren und Unannehmlichkeiten jene Orte im Heiligen Land, wo unser lieber Heiland geboren wurde, gelitten hat und gestorben ist. Wir brauchen aber eine so weite Reise gar nicht zu machen, brauchen auch nicht so große Beschwerden auf uns zu nehmen; denn ganz nahe bei uns wohnt doch der Heiland in unseren Kirchen, nur wenige Schritte von unseren Häusern entfernt.“ (Besuchungen des Allerheiligsten, S. 84). Und Thomas von Kempen, ein mittelalterlicher Theologe, schreibt in seinem Buch „Nachfolge Christi“: „Jene, die viel wallfahren, werden selten vollkommen!“

Wenn solche Sätze auch gern von Leuten zitiert werden, die ungern heilige Orte aufsuchen, sollte schon auch die kritische Frage erlaubt sein: Was bewegt eigentlich Menschen dazu, zu Fuß oder mit dem Auto nach Mariazell zu pilgern oder andere heilige Orte aufzusuchen? Ist es ein besonderes Gemeinschaftserlebnis, das sie dabei suchen? Ist es eine schön gestaltete Messfeier? Ist es für sie ein Test ihrer körperlichen Fitness? – Ist es damit getan, am Wallfahrtsort eine Kerze anzuzünden und seine persönlichen Anliegen und Nöte der Gottesmutter Maria anzuvertrauen? Wenn es nur das wäre und sonst nichts, wenn sie dann wieder nach Hause zurückkehrten und sie dann genauso unzufrieden mit sich selbst und ihrem Schicksal wären, genauso „ungenießbar“ für die anderen, launisch, missgestimmt, egoistisch und rücksichtslos wie vorher, durch ihren luxuriösen Lebensstil weiterhin ihre Zukunft und die der nachfolgenden Generationen gefährden. Oder wenn sie genauso gottfern dahinlebten, genauso über ihre Mitmenschen herziehen, als ob da nichts gewesen wäre, hätten sie dann nicht den eigentlichen Sinn einer Wallfahrt verfehlt?

KRAFT ZUR UMKEHR
Das, was eine Wallfahrt zur Wallfahrt macht, ist die Begegnung mit Gott. Sie ist das Um und Auf einer Wallfahrt. Und diese Begegnung mit Gott möchte uns wieder zuversichtlicher, froher, menschlicher, gläubiger machen und uns auch umweltbewusster leben lassen. Diese Begegnung mit Gott will uns auch unsere Fehler und Sünden besser erkennen und einsehen helfen; sie will uns Kraft geben zur Umkehr, das bei uns zu ändern, was zu ändern ist, und das in Geduld zu tragen und anzunehmen, was nicht zu ändern ist.

Man sagt, dass die Heiligen sich oft als die größten Sünder wussten. Und das nicht deswegen, weil sie vielleicht mehr und größere Fehler als ihre Mitmenschen hatten. Nein! Gerade die Nähe zu Gott war es, die ihnen bewusst werden ließ, wie weit sie eigentlich noch von Gott entfernt sind, und wie viel sie Gott und ihren Mitmenschen an Liebe schuldig bleiben und geblieben sind. Vielleicht verstehen wir jetzt auch, warum viele Menschen, wenn sie eine Wallfahrt machen, das Bedürfnis haben, umzukehren, als andere Menschen nach Hause zurückzukehren, und diese Umkehr in einer guten Beichte vollziehen möchten. Und nicht wenige legen auch eine Lebensbeichte ab.

MARIA ALS VORBILD
Aber noch etwas gehört zu einer Wallfahrt, speziell zu einer Marienwallfahrt: Wir sollen Maria nicht nur bewundern und verehren, sondern uns sie zum Vorbild nehmen. Das, was wir an Maria rühmen, was sie groß gemacht hat, und worin sie uns Vorbild ist und sein kann, ist ihr Glaube. Elisabeth, ihre Verwandte, sagt es: „Selig bist du, weil du geglaubt hast!“ Maria ist die große Glaubende. Für Maria war Gott und der Glaube an ihn nicht Nebensache, sondern Hauptsache, nicht der Rand, sondern die Mitte ihres Lebens.

An Gott glauben, hieß für Maria nichts anderes als Gott lieben, mit Gott leben, zu ihm beten, mit ihm rechnen, auf ihn und sein Wort hören, seine Nähe suchen. Darin möchte sie auch uns Vorbild sein.

Irgendwo steht auf einer Kirchentür geschrieben: „Wenn der Gottesdienst endet, fängt der Gottesdienst (erst) an!“ Könnte man diesen Spruch nicht auch auf eine Wallfahrt anwenden und sagen: Wenn der Gottesdienst in einer Wallfahrtskirche zu Ende ist, dann fängt der Gottesdienst im Alltag erst an. Erst im Alltag, dort, wo unser Platz im Leben ist, mitten unter den Menschen, mit denen wir tagtäglich zusammen sind, muss sich zeigen und bewähren, was uns bei einer Wallfahrt aufgegangen ist, was wir dort gefeiert und erfahren, was wir uns vorgenommen und versprochen haben.

ERICH SEIFNER, EM. STADTPFARRER, OBERWART

Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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