GEIST_REICH
Lebendige Kirche – mehr als eine Utopie?
Eine lebendige, attraktive Kirche in naher Zukunft– nur eine Utopie? Ein Diskussionsbeitrag zur Kirchenreform.
In seinem Buch „Utopia christiana – Vom Kirche- und Christsein heute“ träumt Elmar Nass, Professor für Sozial- und Wirtschaftethik an der theologischen Fachhochschule in Köln, von einer blühenden Zukunftder Kirche im Jahr 2040.
Konkret handelt es sich um das neu gegründete Bistum Utopia, in dem die Freundschaftmit Gott, die Glaubensfreude und ein einladendes Zeugnis für Jesus Christus im Vordergrund stehen.
Von einer solchen Kirche zu träumen hat ihn, wie Elmar Nass betont, die derzeitige Kirchen- und Glaubenskrise bewogen. Viele hätten heutzutage in und außerhalb der Kirche auch den Eindruck, dass es mit dem Christentum nur mehr abwärts ginge. Hohe Kirchenaustrittszahlen, Resignation und Mutlosigkeit oder auch die Parole „Einfach weiter so“ seien die Folge. Diese Situation sei für ihn unbefriedigend gewesen und hätte ihn veranlasst, über seine Vision von einer blühenden Kirche ein Buch zu schreiben.
Elmar Nass zeigt darin auch sehr schön auf, welche Schritte bzw. Maßnahmen von Martin, dem Bischof der neu errichteten Diözese Utopia, und von Thomas, dem Missionar im Auftag des Bischofs und seinem Team, gesetzt wurden, um der Glaubens- und Kirchenkrise wirksam entgegenzusteuern und die Vision einer lebendigen, attraktiven Kirche Wirklichkeit werden zu lassen.
Angeregt durch die Lektüre dieses Buches möchte ich nun auch meine Überlegungen und „Vorschläge“ zu einer Kirchenreform darlegen. Ich hoff, dass ich damit auch allen, denen die Zukunft der Kirche und unseres christlichen Glaubens ein echtes Anliegen ist, dienlich sein kann. Konkret geht es um folgende Themenbereiche:
BESINNUNG AUF KIRCHENVERSTÄNDNIS
Wer die Kirche erneuern will, „muss“ immer auch mitbedenken, wer bzw. was die Kirche ist, wozu sie da ist, wie sie entsteht und wächst. Unterbleibt eine solche Besinnung, ist die Gefahr groß, bloß irgendetwas zu tun und unsere Zeit und Kraf mit „Dingen“ zu vergeuden, die nicht zielführend sind, und wir dann das, was Kirche ist und sein soll, eher verdunkeln und verzerren als darstellen (Papst Benedikt XVI.).
DIE (SONNTAGS-)EUCHARISTIE
Jede große Kirchenreform ist in irgendeiner Weise auch verbunden mit der Wiederentdeckung bzw. Wiederbelebung des Glaubens an die eucharistische Gegenwart des Herrn inmitten seines Volkes (Papst Benedikt XVI., Sacramentum caritatis, Nr. 6). Dabei spielt die Versammlung am Sonntag zur Feier der Eucharistie eine ganz wichtige Rolle. Sie ist konstitutiv für die Kirche. Christsein bzw. Mitglied der Kirche sein und die Sonntagsmesse regelmäßig mitfeiern, gehören von Anfang an auch zusammen, sodass gilt: „Kirche ist Eucharistie und Eucharistie ist Kirche“, der Vollzug von Kirche!
ERNEUERTES SEELSORGEPERSONAL
Eine Reform der Kirche hängt ganz wesentlich auch von den in der Kirche handelnden Personen ab. Diese wird „einzig und allein wirksam, wenn sie mit ‚erneuerten‘ und nicht bloß mit neuen Menschen durchgeführt wird“ (Papst Franziskus).
Gut motivierten und ausgebildeten Klerikern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pastoral, Religionslehrerinnen und Religionslehrern, …, die dem Evangelium ein Gesicht – ihr Gesicht, geben – kommt bei der Kirchenreform eine Schlüsselrolle zu.
Kirchenreform geht uns alle an, nicht nur die Kirchenleitung, den Papst, die Bischöfe und die in der Pastoral oder im Religionsunterricht tätigen Personen. Kirche sind wir alle. Jeder Christ und die Gemeinschaf der Gläubigen sind zur stetigen Änderung aufgerufen. Mutter Teresa bringt dies auf den Punkt. Als sie einmal gefragt wurde, was sich ihrer Meinung nach als erstes in der Kirche ändern müsse, hat sie geantwortet: „Sie und ich“. „Kirche verändern heißt zuallererst sich selbst verändern!“ (Leopold Neuhold, Graz).
Katechese ist für Papst Franziskus „die Mitte der Evangelisierungstätigkeit und jedes Bemühens um Erneuerung“ (Evangelii gaudium, Nr. 164). Ziel der Katechese, die in den Kompetenzbereich der Pfarre fällt, ist es, junge wie erwachsene Menschen in den christlichen Glauben einzuführen und das Leben als Christ einzuüben. („Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche“, hrsg. von den liturgischen Instituten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, S. 17).
Eine „geeignete“ Katechese ist heutzutage vor allem auch bei der Vorbereitung auf die Erstkommunion und die Firmung notwendig, „als Reaktion auf ein in der westlichen Welt immer stärker bemerkbares Schwinden von Glaubenswissen und Glaubenspraxis“ (Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics, Kanzelwort zum Martinsfest 2012).
Ausbildung und Beaufragung von Frauen und Männern zu Katechetinnen und Katecheten, die andere bei der Vorbereitung auf den Empfang eines Sakraments (Taufe, Firmung, Eucharistie, Ehe, …) unseren christlichen Glauben kompetent vermitteln und sie hinführen zu Jesus Christus und sie einführen in die Freundschaftmit ihm, der in der Kirche lebt und wirkt.
KONZENTRATION AUF „KERNGESCHÄFT“
Entweltlichung der Kirche bedeutet, alles wegzuräumen und loszulassen, was uns als Christen hindert, wahrhaftund wesensgemäß die Kirche Jesu Christi zu sein (Reinhard Körner) und sich auf unser „Kerngeschäft zu konzentrieren, nämlich den Glauben verkünden und bezeugen (martyria), den Glauben feiern (liturgia) und den Glauben leben (diakonia, caritas).
EIN GUTER RELIGIONSUNTERRICHT
Der Religionsunterricht ist der Ort, an dem sich Schülerinnen und Schüler über viele Jahre mit den Grundfragen des menschlichen Lebens und den Antworten unseres christlichen Glaubens auseinandersetzen können und wo sie befähigt werden, religiös und ethisch verantwortungsbewusst zu denken und zu handeln.
Im Religionsunterricht erreichen wir fast alle getauftn jungen Menschen. Diese Chance, mit der Jugend in Kontakt zu kommen, gilt es unbedingt zu nutzen.
Bei diesen von mir genannten „Themen“ fehlen die sonst in kirchlichen Kreisen und in der Gesellschaft schon oft thematisierten und diskutierten „Strukturmaßnahmen“, obwohl für eine gelungene Kirchenreform auch entsprechende strukturelle Veränderungen zweifelsohne erforderlich sind. Aber „müssen“ nicht zuerst wir, die Menschen, uns ändern, ehe entsprechende Strukturen geschaffn werden? – Eine Kirchenreform, die sich nur auf strukturelle Maßnahmen beschränkt und den dramatischen Glaubensverfall und den immer größer werdenden Christenmangel ausblendet, ist m. E. illusorisch. Sie konserviert nur den bisherigen „Status quo“ (Kardinal Walter Kasper) und verhindert so auch die von vielen herbeigesehnte und so dringend notwendige Kirchenreform.
ERICH SEIFNER, EM. STADTPFARRER, OBERWART
Autor:martinus Redaktion aus Burgenland | martinus |
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