EIN_BLICK
Eine Brücke durch Wissen

Der 17. Jänner ist der Tag des Judentums. Eine Darstellung von LUKAS PALLITSCH

Dieser Gedenktag tritt mittlerweile als Tag des Erinnerns, Tag des Lernens und Tag des Feierns in Erscheinung. Eine hochkarätige Vorlesungsreihe – mit Vorträgen von Johannes Reiss, Martin Hainz und Lukas Pallitsch – an der PPH (Private Pädagogische Hochschule) Burgenland half, die Bedeutung der jüdischen Geschichte Eisenstadts zu vergegenwärtigen. Herausgearbeitet wurde zudem das Schattenerbe des Antisemitismus sowie die Bedeutung des Judentums (für das Christ- und Menschsein).

Als Tag des Lernens bietet der Tag des Judentums Gelegenheit, gefestigte Vorstellungen und Vorurteile aufzubrechen. Der Tag gibt Interessenten zudem die Möglichkeit, über den Tellerrand der eigenen Perspektive und gefestigter Glaubensbilder zu blicken. Dabei empfihlt sich zunächst der Blick zurück: Eisenstadt bot bis in die 1920er Jahre ein Zeitalter der Sicherheit, das von einer Stimmung des Aufbruchs und der kulturellen Freiheit befügelt war. Doch diese Zeit endete, als sich in den 1930er Jahren die Schatten des Antisemitismus tief über Europa legten. Ein Nachklang ist in beängstigenden Parolen heute wieder zu vernehmen. Dabei schien der Antisemitismus längst erledigt. Man vermeinte diese Ideologie auf den Aborten der Geschichte. Doch der Terrorangriffauf Israel mahnt dazu, dass es diesen Wahn in unterschiedlichen Facetten in vielfältiger (rechter und linker) Weise gibt.

„MIT DEM SUPPENLÖFFEL“

Nach wie vor kommt es ferner zu christlichem Antisemitismus. Auch ich habe ihn in Kindertagen mit dem Suppenlöffl mitbekommen, als mich beim Mittagessen Bekannte mahnten: „Nimm beim Essen das Kapperl ab, du bist ja kein Jud.“ Weil jüdische Männer an Gebetsorten eine Kippa – jiddisch „kappl“ – tragen, wurde diese zum Erkennungszeichen. Was bei einfachen Strategien des „Othering“ (von Englisch „other – die Anderen: wir, die Guten, setzen uns von den „bösen“ Anderen ab) beginnt, endet mithin bei brutalen Beschimpfungen und physischer Gewalt.

Deshalb ist dieser Tag des Judentums so wichtig: Jedes Jahr lohnt eine Vergewisserung der frühen Wurzeln: Jesus, der Jude aus Nazaret, der in den Synagogen lehrte und seine jüdischen Mitmenschen in ihren Sorgen und Ängsten begleitete. Bis zum Tod am Kreuz. Ausgehend von der gemeinsamen jüdisch-christlichen Weggemeinschaftgilt es das Erbe und die Last des Antisemitismus in der christlichen Theologie zu bedenken, um mit Blick auf einen offnen Dialog nicht in alte Muster zurückzufallen. Lernen heißt dann auch, sich befremden zu lassen, bekannte Bibeltexte mit anderen Augen lesen und bereits Vertrautes nochmals gegen den Strich zu bürsten, um so an einer Brücke durch Wissen zu bauen. Wird das getan, dann hat Rabbiner Schlomo Hofmeister recht, wenn er sagt, dass der Tag des Judentums ein Geschenk ist.

Aus diesem Grund soll die Vorlesungsreihe am Tag des Judentums weitergehen. Schließlich geht es im Dialog zwischen Christen und Juden nicht nur um streng theologische Fragen, sondern um das Bemühen, diese Gesellschaft hinhörend, zuhörend und miteinander im Dialog besser zu gestalten. Vermutlich ist dies aktuell geforderter denn je.

Dr. Lukas Pallitsch PhDist Fachinspektor für den katholischen Religionsunterricht sowie Diözesanbeauftagter für den christlich-jüdischen Dialog im Burgenland.

Autor:

martinus Redaktion aus Burgenland | martinus

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